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# taz.de -- Asylbewerber in Sachsen: Fantasie statt Duldung
> Der Flüchtlingsrat Sachsen kritisiert fiktive Papiere, die für
> Asylbewerber vergeben werden. Ihre Verfahren laufen in einem anderen
> Ankunftsland.
Bild: Geduldet oder nicht?
Dresden taz | In Sachsen gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen
über die Rechtmäßigkeit provisorischer Personaldokumente für Asylbewerber.
Bereits im August hatte der Sächsische Flüchtlingsrat moniert, dass in
Leipzig für ausreisepflichtige Flüchtlinge an Stelle einer Duldung frei
erfundene Dokumente ausgestellt werden. Der Zeit-Ableger [1][Zett
berichtet] nun, die Landkreise Leipzig, Zwickau und Mittelsachsen stellten
Fantasiedokumente aus, die für den Aufenthaltsstatus bedeutungslos seien.
„Für diese Identitätsbescheinigung gibt es überhaupt keine rechtliche
Grundlage“, wird Rechtsanwalt Tobias Uhlemann zitiert. Das Sächsische
Innenministerium kann laut Antwort auf eine Anfrage der
Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel hingegen keinen Rechtsverstoß
erkennen.
Auf taz-Nachfrage beim Sächsischen Ausländerbeauftragten wird klar, dass es
in diesen Fällen nicht um drohende Abschiebungen in die Herkunftsländer von
Geflüchteten geht. Es handele sich auch nicht um so genannte
Fiktionsbescheinigungen, die vorübergehend während der formalen Abwicklung
eines Verfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgestellt
werden, sagt Sprecher Markus Gufler. Betroffen sind vielmehr Asylbewerber,
die auch nach dem aktualisierten Dublin-III-Abkommen in das Ankunftsland
überstellt werden müssten, in dem sie zuerst einen Asylantrag gestellt
haben.
Eine solche „Überstellung“ in ein anderes europäisches Land gleicht
praktisch auch einer Abschiebung, muss aber vom Zwangsrücktransport in
weiterhin gefährliche Herkunftsländer unterschieden werden. Über die Anzahl
solcher Fälle können weder der Flüchtlingsrat noch das Sächsische
Innenministerium Auskunft geben. Es soll sich aber um vergleichsweise
wenige Personen handeln. Beim Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth ist
noch niemand mit einem solchen Problem vorstellig geworden.
„Deutschland ist in der Tat nicht zuständig. Diese Flüchtlinge befinden
sich während ihres Aufenthalts hier in einer rechtlichen Grauzone“, sagt
sein Sprecher. Erst dann, wenn sie nicht binnen eines halben Jahres in ihr
europäisches Ankunftsland überstellt werden können, sind die deutschen
Behörden zuständig. Ein gewisses Druckmittel, räumt Gufler ein. Eine Klage
könne aufschiebende Wirkung haben, aber erfahrungsgemäß seien auch solche
Verfahren in wenige als einem Jahr abgeschlossen.
## Duldung in jedem Fall
„Die Alternative wäre, dass die Asylbewerber statt einer solchen
Dublin-Identitätsbescheinigung gar nichts in die Hand bekommen“, ergänzt
der Sprecher. Das sehen der Sächsische Flüchtlingsrat und einige Leipziger
Flüchtlingshilfevereine anders. „Nach unserer Rechtsauffassung ist auch in
diesen Fällen eine formale Duldungsbescheinigung auszustellen“, sagt
Flüchtlingsratssprecher Mark Gärtner. Sonst wären diese Flüchtlinge vom
öffentlichen Leben praktisch ausgeschlossen, während sie andererseits für
die verbleibende Aufenthaltsdauer Überlebenshilfe nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz bezögen.
Auch die Landtagsanfrage der Abgeordneten Juliane Nagel zitiert unter
anderem aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.September
1997, wonach auch bei verzögerter oder unwahrscheinlicher Abschiebung in
jedem Fall eine Duldung zu erteilen ist. Offensichtlich geht es um
verschiedene Interpretationen des Begriffes „Abschiebung“. So hält das
Innenministerium die Frage nach dem Prüfungszeitraum für Duldungsgründe für
irrelevant, weil es sich „um eine andere Fallkonstellation handelt“.
Provisorische Identitäts- oder Grenzübertrittsbescheinigungen verstießen
deshalb nicht gegen geltendes Recht.
13 Oct 2017
## LINKS
[1] https://ze.tt/wie-saechsische-behoerden-gefluechtete-mit-fantasiepapieren-a…
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Asylsuchende
Sachsen
unsichere Herkunftsländer
Dublin-System
sichere Herkunftsländer
Duldung
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Flucht
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EuGH
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