| # taz.de -- Erinnerung an Hans Rosenthal zum 100.: Dalli, dalli, kick | |
| > Hans Rosenthal war leidenschaftlicher Kicker. Eine nach ihm benannte | |
| > Charity-Elf ehrt das Andenken der vor 100 Jahren geborenen Showlegende. | |
| Bild: Hans Rosenthal, 1972 rechts am Ball zusammen mit Heinrich Riethmüller, d… | |
| Berlin taz | Der FC Barcelona hat als Hauptsponsor das bekannteste | |
| Musikunternehmen der Welt. Seit 2022 prangt das Logo von Spotify auf den | |
| Trikots der Mannschaft. Ab und zu wird es ausgetauscht gegen das Logo | |
| berühmter Musiker, deren Songs auf der Streamingplattform laufen, zum | |
| Beispiel die Rolling Stones. So hechelte auch mal die bekannte Stones-Zunge | |
| beim spanischen Fußball-Klassiker Barcelona gegen Real Madrid mit über den | |
| Rasen des Camp Nou. | |
| In Berlin geht sowas auch, nur eine Nummer kleiner. Auf dem Vereinstrikot | |
| des Viertligisten Tennis Borussia befindet sich das Logo von Trinity Music. | |
| Der Berliner Konzertveranstalter versorgt die Hauptstadt pro Jahr mit rund | |
| 1.000 Gigs vorrangig im Rock- und Popbereich, und die textile und monetäre | |
| Verbindung von Trinity und TeBe passt insofern gut, als der in | |
| Charlottenburg ansässige Traditionsklub immer als Verein der Künstler und | |
| Musiker galt. Eine Zeitlang fungierte so der ehemalige, 2016 verstorbene | |
| Ärzte-Bassist Hagen Liebing als Pressesprecher und Vorstandsmitglied des | |
| Vereins. | |
| Auch die beiden berühmtesten Präsidenten des Vereins kamen aus dem Showbiz. | |
| Horst Nussbaum, unter seinem Künstlernamen Jack White einer der | |
| erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten – von ihm stammt auch die Musik | |
| zu „Looking for Freedom“, mit dem David Hasselhoff seinen großen Hit hatte | |
| – hatte den Verein von 1992 bis 1997 geführt. Nach dem Verlust etlicher | |
| Millionen stieg Jack White wieder bei TeBe aus. Anschließend beklagte er | |
| auch gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen, dass das Fußballgeschäft noch | |
| schlimmer sei als das Showbiz. | |
| Das musste vor ihm im Prinzip schon ein anderer berühmter TeBe-Präsident | |
| erfahren: Hans Rosenthal. Der am 2. April vor hundert Jahren in Wedding | |
| geborene Berliner war nach dem Krieg ein bekannter Quizmaster und | |
| Showmoderator. Seine Rateshows beim RIAS-Rundfunk und vor allem die | |
| ZDF-Sendung „Dalli Dalli“ machten ihn zu einer westdeutschen Showlegende. | |
| Bekannt war er nicht nur für seinen Spruch „dalli, dalli, klick“, sondern | |
| auch durch sein gesellschaftliches Engagement unter anderem im Zentralrat | |
| der Juden. | |
| Die antisemitische Verfolgung durch die Nazis hatte er hautnah erlebt. | |
| Zahlreiche seiner Angehörigen, darunter sein Bruder Gert, wurden zu Opfern | |
| des Holocaust. Hans Rosenthal, dessen Eltern früh gestorben waren, | |
| überlebte die Nazizeit in Berlin wie durch ein Wunder. Nachdem er außerhalb | |
| Berlins Zwangsarbeit hatte verrichten müssen, war er 1943 in einer | |
| Kleingartenanlage in Berlin-Lichtenberg untergetaucht. Eine ältere Frau aus | |
| dem Bekanntenkreis hatte ihn in ihrer Laube versteckt. Dank der Hilfe | |
| mehrerer nichtjüdischer Berlinerinnen und auch einiger banaler | |
| Glücksumstände [1][überstand er die Nazizeit unentdeckt]. | |
| ## Als Kind ein Anhänger von Hertha BSC | |
| Anschließend stürzte er sich sofort wieder ins freie Leben, zu dem bei ihm | |
| schon immer auch der Fußball gehörte. Als Kind war er ein Anhänger von | |
| Hertha BSC gewesen. Gespielt hatte er jedoch als Zwölfjähriger beim | |
| jüdischen Verein JSK, der dem Weltverband Makkabi angeschlossen war. Nach | |
| dem Krieg, als er seine berufliche Laufbahn beim Berliner Rundfunk begann, | |
| jagte er in der Freizeit wieder dem Ball nach. Was heute einfacher klingt, | |
| als es damals war. Um spielen zu können, musste er sich 1946 eine | |
| Genehmigung besorgen – nicht vom Fußballverband, sondern vom Berliner | |
| Magistrat. | |
| Auch viele andere drängte es in der Nachkriegszeit zur Kickerei. Fußball | |
| war neben Tanzen und Musikhören eine der beliebtesten | |
| Freizeitbeschäftigungen der von Frust und Lust befallenen Deutschen. Einige | |
| Männer aus der Westberliner Unterhaltungs- und Kulturszene gründeten 1950 | |
| sogar eine eigene Fußballmannschaft. Zu ihnen zählten stadtbekannte | |
| Bühnenleute wie die Kabarettisten Wolfgang Gruner und Wolfgang Neuss vom | |
| Kabarett „Die Stachelschweine“. Aus ihrem FC Oase wurde der FC Mimik, wegen | |
| der vielen Mimen unter den Künstlern in der Mannschaft. „Die | |
| Mannschaftsaufstellung wurde in den Garderoben der Schlagerkneipe | |
| Nürnberger Trichter besprochen“, wie sich Wolfgang Gruner später erinnerte. | |
| Diese unseriöse Spielvorbereitung mündete jedoch rasch in ernsthafte | |
| Motivation für das Kicken. Die bekannten Künstler wollten mit ihrem | |
| Freizeitfußball Gutes tun für die an vielen Ecken und Ende noch reichlich | |
| geplagten Bürger der Stadt. So spielten sie in einer Art | |
| Erste-Hilfe-Maßnahme für die Übersiedler von Ost- nach Westberlin, die im | |
| Flüchtlingslager Marienfelde ankamen. Über 3.500 Zuschauer sahen das Spiel | |
| der Promi-Elf gegen eines der Neuen Zeitung, ein Presseorgan der | |
| amerikanischen Besatzungsmacht. Im Tor jener Mannschaft stand der berühmte | |
| Boxer „Bubi“ Scholz. | |
| Die kickende Künstlertruppe musste sich jedoch einem richtigen Verein | |
| anschließen, weil sie sonst keine Spielerpässe und ohne die keine | |
| Spielerlaubnis bekommen hätte. Deshalb band sie sich über die Stationen | |
| Südstern 08 und Spandauer SV relativ schnell an Tennis Borussia. Als | |
| „Prominenten-Elf“ von TeBe avancierte sie zur größten Berühmtheit ihrer … | |
| in der Bundesrepublik. Regelmäßig zog sie zu ihren Benefizspielen im In- | |
| und Ausland tausende Zuschauer an. Einmal trat sie gar im Olympiastadion in | |
| einem Vorspiel vor der Bundesligapartie Hertha-HSV vor 80.000 Zuschauern | |
| gegen die Münchner Lach- und Schießgesellschaft an. | |
| Ein weiteres Highlight, das für große Aufmerksamkeit sorgte, war ein | |
| internationales Turnier in Berlin mit Teams aus Wien, Paris, Stockholm, | |
| Basel und Porto. Es fand im selben Jahr 1965 statt, in dem Hans Rosenthal | |
| das Präsidentenamt von Tennis Borussia Berlin übernahm. Nachdem er | |
| persönlich finanziell böse geschröpft wurde, hatte er es 1973 wieder | |
| abgegeben. Nach seinem Tod 1987 entschied sich TeBe zu seinen Ehren, die | |
| Prominenten-Elf in „Hans-Rosenthal-Elf“ umzubenennen. | |
| Die nach ihm benannte Elf, in der Unterhaltungskünstler wie Maximilian | |
| Schell, Toni Marshall, Udo Lindenberg, Bernhard Brink und teils namhafte | |
| Ex-Fußballer wie Fritz Walter, Uwe Seeler und Pelé spielten, existiert bis | |
| heute. | |
| ## Eine zehnjährige Auszeit | |
| Allerdings gab es ab etwa 2011 eine zehnjährige Auszeit. Für den Neustart | |
| sorgten die TeBe-Aufsichtsratsmitglieder Olaf Engel und Detmar Jarosch. Die | |
| beiden befreundeten Bankkaufleute reanimierten die Hans-Rosenthal-Elf und | |
| fungieren heute als ihre Teammanager. | |
| Die Comeback-Idee hatten sie 2021 während der Pandemie gemeinsam mit dem | |
| TeBe-Vorstand ersonnen. Um den Verein in der schwierigen Zeit zu | |
| unterstützen, wollte man an die Tradition der Hans-Rosenthal-Elf anknüpfen. | |
| „Schließlich war sie immer ein Aushängeschild von TeBe: Heute kennen viele | |
| junge Leute Hans Rosenthal und die Prominenten-Elf gar nicht mehr. Im | |
| Gegensatz zu fast allen über 50-Jährigen“, sagt Olaf Engel. Der 57-Jährige | |
| ist mit den Shows des Quizmasters aufgewachsen und seit Jahrzehnten | |
| Te-Be-Fan. Ebenso Detmar Jarosch, der Hans Rosenthal noch persönlich bei | |
| Abendshows im Jüdischen Gemeindehaus erlebte. | |
| Die beiden Teammanager haben in den vergangenen Jahren einige | |
| Charity-Fußballspiele organisiert, oft gegen Traditionsmannschaften von | |
| Bundesligaklubs. In der Hans-Rosenthal-Elf standen neben ehemaligen | |
| Borussen und Gastspielern aus dem ganzen Land auch bekannte Ex-Sportler wie | |
| Fußballeuropameister Thomas Helmer oder Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe. | |
| Gleich bei ihrem ersten selbstorganisierten Turnier 2022 im | |
| brandenburgischen Großbeeren kamen in Zusammenarbeit mit Großbeeren hilft | |
| e.V. 8.000 Euro zugunsten der Ukraine-Hilfe zusammen. Die größte | |
| Einzelspende brachte ein unterschriebenes Nationaltrikot des Fußballers | |
| Pelé. Das Trikot hatte Hans Rosenthals Sohn Gert, der es einst von seinem | |
| Vater geschenkt bekam, 2022 versteigern lassen. Es brachte knapp 2.000 Euro | |
| ein. | |
| Momentan ist nicht ganz klar, wie es mit der Hans-Rosenthal-Elf, die rund | |
| 40 Spieler und feste Unterstützer zählt, weitergeht. Die beiden Teammanager | |
| sind aus dem TeBe-Aufsichtsrat ausgetreten. Es habe Differenzen gegeben, | |
| die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich machen würden, | |
| sagen sie. Die Existenz der Prominentenelf solle das jedoch nicht | |
| gefährden. | |
| TeBe, könnte man etwas spitz formulieren, war halt schon immer auch ein | |
| Klub, in dem interne Zwistigkeiten ausgetragen wurden. Offenbar gehört das | |
| zur Vereinstradition. Hans Rosenthal hatte sein Ehrenamt als Präsident ja | |
| selbst abgegeben, nachdem er von Vorstandskollegen im Zuge einer | |
| Spielerverpflichtung arg übertölpelt wurde und mit seinem persönlichen | |
| Vermögen für einen Kredit haften musste. | |
| Trotzdem, ein großes Erlebnis, das er mit TeBe verband, war ihm nicht zu | |
| nehmen. Hans Rosenthal beschrieb es in seiner Autobiografie „Zwei Leben in | |
| Deutschland“, wie er für einigen Verdruss mehr als entschädigt wurde. Sein | |
| besonderer Traum sei es gewesen, mit TeBe die Aufstiegsrunde zur | |
| Fußball-Bundesliga zu erreichen, weil die Spiele nicht im Mommsenstadion, | |
| dem Heimatstadion des Klubs, ausgetragen wurden, sondern im Olympiastadion. | |
| „Ich stellte mir vor, dass ich dann als Präsident in der Ehrenloge sitzen | |
| würde, genau auf dem Platz, den Hitler eingenommen hatte, als er 1936 die | |
| Welt zu den Olympischen Spielen empfing. Der würde sich im Grabe umdrehen, | |
| dachte ich mir, wenn er wüsste, dass auf seinem Platz der kleine Hans | |
| Rosenthal sitzt – kaum mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem unrühmlichen | |
| Ende.“ | |
| Der Traum ging in Erfüllung. Tennis Borussia schaffte es sogar mehrfach in | |
| die Aufstiegsrunde. Bei einem Spiel im Olympiastadion ließ sich Hans | |
| Rosenthal in der „Führerloge“ nieder. Er schreibt: „Es war ein seltsames | |
| Gefühl für mich. Eine Mischung aus Triumph und Gruseligkeit, Abscheu und | |
| Behagen. Wie ich diesen Mann gehasst habe.“ | |
| 2 Apr 2025 | |
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| Gunnar Leue | |
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