# taz.de -- ZDF-Filme über Hans Rosenthal: Trauma des Überlebens | |
> Jude, NS-Überlebender, größter TV-Liebling im Nachkriegsdeutschland. Zum | |
> 100. Geburtstag erzählt das ZDF die Geschichte und Ambivalenz von Hans | |
> Rosenthal | |
Bild: Hans Rosenthal (r) und sein jüngerer Bruder Gert. Gert wurde 1942 in den… | |
[1][Hans Rosenthal] war eine Ikone einer längst vergangenen BRD. Er hat die | |
deutsche Bevölkerung von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges abgelenkt, | |
mit seiner Quizsendung „Dalli Dalli“ Jahrzehnte deutscher Fernsehkultur | |
geprägt und dennoch: Ein großer Teil seiner Welt war vielen Menschen lange | |
unbekannt. Jetzt, zum 100. Geburtstag von Rosenthal, will [2][das ZDF] das | |
ändern. | |
Rosenthal war Jude, musste sich vor den Nazischergen verstecken. Dank | |
Helfer:innen, die ihn über viele Wochen unterstützten, überlebte er. All | |
das zeigen der Film „Rosenthal“ und die Doku „Hans Rosenthal – Zwei Leb… | |
in Deutschland“, die das ZDF zum Themenabend zusammenbindet. | |
Die Ignoranz gegenüber Rosenthals jüdischer Herkunft und der Verfolgung | |
zeigt eine Szene des Films: Die Hörzu, Auftraggeber ist damals der | |
Springer-Verlag, will eine Homestory über Rosenthal und seine Familie | |
bringen. Der Fotograf nimmt einen jüdischen Leuchter, eine Menora, in die | |
Hand und hält diesen naiv für etwas „Orientalisches“. Daneben steht ein | |
Foto von Rosenthals in der Nazizeit ermordetem Bruder. Als Reporterin und | |
Fotograf nach dem Bild fragen, winkt Rosenthal ab. Erst im Zweiergespräch | |
mit seiner Frau zeigt er sich – zeit seines Lebens fühlt er sich schuldig | |
für den Tod des Bruders – von diesem Affront tief betroffen. | |
Was wenig bekannt ist und auch nicht in den beiden Beiträgen erzählt wird: | |
Bevor er nach Berlin ging, sich dort in einer Laube versteckte, war der | |
spätere Quizmaster kurzzeitig Zwangsarbeiter auf dem Friedhof [3][in | |
Fürstenwalde] und musste dabei auch SS-Leute und andere Nazischergen | |
beerdigen. In seinem Buch „Zwei Leben in Deutschland“ hält er zynisch fest: | |
Er sei wahrscheinlich der einzige Jude gewesen, der in der Lage war, Nazis | |
unter die Erde zu bringen. | |
Gewohnt hat Rosenthal auf dem damaligen [4][Landwerk Neuendorf im Sande]. | |
Die älteren Bewohner:innen des Gutshofs, jene die schon zu DDR-Zeiten | |
auf dem Volkseigenen Gut gearbeitet, Kinder zu Welt gebracht und | |
Kolleg:innen zu Grabe getragen haben, kennen alle Rosenthal. Logisch | |
haben alle „Westfernsehen“ geschaut, sagen sie. Irgendwann Ende der 1970er, | |
Anfang der 1980er Jahre kam er noch mal nach Neuendorf. Sein Besuch wurde | |
skeptisch-neugierig kommentiert, viele wussten nicht, ob sie ihn ansprechen | |
konnten. | |
Bis heute gehört Rosenthal zum Gutshof, zumindest bei den Älteren, doch | |
über seinen jüdischen Hintergrund und was ihm angetan wurde, darüber wird | |
wenig gesprochen. 2019 kommt sein Sohn Gert zu Besuch und erzählt von der | |
Geschichte seines Vaters, davon, wie er später über seine Erinnerungen an | |
die Verfolgung unter den Nazis, aber auch Menschlichkeit in dieser | |
entmenschlichten Zeit erzählte. Davon, wie er klarmachen wollte: Die Juden | |
sind nicht anders als alle anderen Deutschen. | |
Auch in der Dokumentation zeigt Gert Rosenthal seinen Vater im Zwiespalt, | |
als einen, der vermutete, dass ihn auch Menschen bejubelten, die ihn nur | |
wenige Jahre zuvor an die Nazis verraten hätten. Als er zu einer | |
Gedenkfeier am 9. November 1978, 40 Jahre nach der Reichspogromnacht, in | |
die wiederaufgebaute Synagoge in Köln eingeladen, wurde, muss sich | |
Rosenthal schmerzhaft entscheiden. Ausgerechnet an diesem Tag verlangt das | |
ZDF, sein Arbeitgeber, von ihm, die 75. Ausgabe von „Dalli Dalli“ zu | |
moderieren. Ein jüdischer Repräsentant, ein Schoah-Überlebender, muss eine | |
Unterhaltungsshow präsentieren, während zeitgleich der Opfer gedacht wird. | |
Rosenthal hatte eine Verschiebung erbeten, die ihm verweigert wurde. Und | |
Rosenthal? Profi im Zwiespalt, in der Auseinandersetzung mit seiner eigenen | |
Geschichte, zwischen Schuldgefühl und dem Glück des Überlebthabens. Sein | |
sichtbarster Akt des Widerstands, ist sein Auftritt in einem schwarzen | |
Anzug. | |
Film wie Dokumentation zeigen zudem den Druck aus der jüdischen Gemeinde, | |
dass ein prominenter Jude doch endlich auch öffentlich über das deutsche | |
Unrecht sprechen solle. Und noch viel mehr zeigt beides den Druck des ZDF, | |
das so viel lieber eine Unterhaltungssendung zur besten Sendezeit | |
ausstrahlen wollte, als die Gedenkfeier mit dem damaligen Bundeskanzler | |
Helmut Schmidt und Hans Rosenthal, dass sie einen Überlebenden zum Witzeln | |
vor die Kamera drängt. | |
Die Autorin ist Vorstand des Vereins Geschichte hat Zukunft – Neuendorf im | |
Sande e. V., der die Geschichte des Gutshofs dokumentiert. | |
7 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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