# taz.de -- Ende des Corona-Schuljahrs in Berlin: Abhaken oder aufarbeiten? | |
> Für viele Eltern, Kinder und Lehrer*innen war es das schlimmste | |
> Schuljahr überhaupt. Die Schließung der Schulen darf sich nicht | |
> wiederholen. | |
Bild: Ein Bild mit Seltenheitswert im Jahr 2021: Schüler*innen gemeinsam auf d… | |
Am Mittwoch ging in Berlin und Brandenburg das wohl seltsamste, | |
aufregendste, besorgniserregendste, für manche schlicht schlimmste | |
Schuljahr seit Jahrzehnten zu Ende. Die Coronapandemie hatte – [1][allen | |
Beteuerungen und Vorplanungen der Bildungsminister*innen] im Herbst | |
zum Trotz – geordneten, konzentrierten Unterricht seit Dezember weitgehend | |
unmöglich gemacht und zu massiven Lücken im Unterrichtsstoff geführt. | |
Schlimmer noch: Das Alltagsleben und die Kontakte zu Freund*innen waren | |
lahm gelegt mit Folgen, die wir erst in einigen Monaten oder Jahren | |
endgültig einschätzen können. | |
Viele Kinder und Jugendliche gehen verunsichert in diese Ferien. Wie sollen | |
sie mit den vergangenen Monaten umgehen: schlicht abhaken und möglichst | |
vergessen, was schief lief in der Schule, im Elternhaus, in der | |
Gesellschaft? Oder genau das aufarbeiten? Sich auf eine neue Normalität | |
freuen? Oder, umgekehrt, verinnerlichen, dass es so etwas wie eine | |
Normalität nicht (mehr) gibt? | |
Im besten Fall kann mit dem Ferienbeginn die Post-Coronaphase in Berlins | |
Schulen beginnen. In den nächsten Wochen bieten sie Kurse an für jene, die | |
übermäßig viel Stoff aufholen müssen. Mit etwas Glück sind Anfang August | |
alle Lehrkräfte geimpft und können damit sorgenfreier vor die Klasse | |
treten. | |
Und wenn die Schulen am 9. August wieder regulär und mit Regelunterricht | |
öffnen, können sie ihren inhaltlichen Beitrag leisten zum Umgang mit den | |
bis dahin eineinhalb Pandemiejahren: Sicherheit vermitteln und manch | |
ausgelassenes Wissen, soziale Kompetenzen trainieren, die Klassen wieder zu | |
jenen Einheiten formen, die für das Leben der Kinder und Jugendlichen so | |
bedeutsam sind. | |
Nun hat vor wenigen Tagen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) | |
[2][einen erneuten Wechselunterricht mit geteilten Klassen] und | |
Homeschooling nach den Sommerferien explizit nicht ausgeschlossen. Das mag | |
eine Lehre aus den Ungewissheiten der Coronazeit sein. | |
Sorgen macht dieser Vorstoß dennoch, auch wenn eine Entscheidung darüber | |
letztlich weder von Spahn noch von seinem Ressort getroffen würde. Denn | |
damit wird die politische Grundlage bereitet für etwas, das – um es ganz | |
klar zu sagen – auf gar keinen Fall eintreten darf und nichts weniger wäre | |
als die komplette Bankrotterklärung der deutschen Bildungspolitik. | |
## Schlecht vorbereitet auf den erneuten Lockdown | |
Das vergangene Halbjahr hat gezeigt, wie unterschiedlich die Schulen auf | |
die erneuten Schließungen vorbereitet waren. In machen – auch in ärmeren | |
Kiezen – wurde intensiv Homeschooling auch via Computer gemacht. In | |
anderen, auch in den sozial starken Kiezen, blieben die Bildschirme dunkel | |
und die Kontakte zwischen Kindern und Lehrer*innen zaghaft. | |
Lüftungsfilter in Klassenzimmern hatten vielfach Seltenheitswert. | |
Der eigentliche Skandal war aber ein anderer: Ein großer Teil der | |
Verantwortung für einen gelungen Unterricht wurde an die Eltern delegiert, | |
ohne sie im Gegenzug vom Berufsleben zu entlasten. Das zeigte: Die | |
Wirtschaft hat politisch Priorität; wo deren gut ausgebildeter Nachwuchs | |
herkommen soll, ist erst mal egal. | |
Dass es so kam, lag keineswegs allein an Bildungssenatorin Sandra Scheeres | |
(SPD) und ihren Kolleg*innen in den Ländern. Damit es aber nicht mehr so | |
kommt, braucht es nun verbindliche Ansagen und Konzepte. | |
Es muss klar sein, wie trotz möglicher weiterer Coronamutanten, einer auch | |
im Herbst kaum geimpften Schüler*innenschaft und einem politischen | |
Machtvakuum ab September, weil dann die Wahlen für den Bundestag und das | |
Berliner Abgeordnetenhaus stattfinden werden, das nächste Schuljahr nicht | |
wieder ein seltsames, besorgniseerregendes, schlimmes Schuljahr wird. | |
23 Jun 2021 | |
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[1] /Berlins-Bildungssenatorin-im-Interview/!5717346 | |
[2] /Fernunterricht-in-der-Coronapandemie/!5777366 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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