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# taz.de -- Forderung nach kleineren Schulklassen: Eine Lehre aus Corona
> Die Gewerkschaft GEW will künftig Obergrenzen in Klassen tarifvertraglich
> regeln und so Schulklassen verkleinern. Das wäre bundesweit ein Novum.
Bild: Volles Haus: Grundschulklasse in Neukölln
Berlin taz | Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert,
Klassengrößen an Schulen über einen Tarifvertrag zu regeln – mit dem Ziel,
dass eine Lehrkraft künftig weniger Kinder pro Klasse unterrichten muss.
Man verspreche sich davon zum einen eine „Entlastung“ der LehrerInnen,
sagte Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Tarifpolitik in der GEW
Berlin, am Montag. Zum anderen gehe es aber auch darum, die Lernbedingungen
für die SchülerInnen zu verbessern. Da hätten gerade auch die vergangenen
[1][Pandemiemonate im Wechselunterricht] „gezeigt, was kleinere Klassen
positiv bewirken können“, betonte der Berliner GEW-Landesvorsitzende Tom
Erdmann.
Konkret will die GEW vor allem mehr Mitspracherecht bei den Klassengrößen
erreichen. Bisher regelt das die Arbeitgeberin, also die Senatsverwaltung
für Bildung, klassisch über Verwaltungsvorschriften und
Zumessungsrichtlinien. Nun will die GEW die Lern- und Arbeitsbedingungen
tarifvertraglich regeln – ein ziemliches Novum, wie auch Erdmann am Montag
sagt. „Nur Norwegen hat etwas Vergleichbares, wir betreten mit dieser
Forderung also Neuland.“
Welche Obergrenzen genau so ein „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“, wie ihn
die GEW nennt, regeln soll, blieb am Montag noch etwas unklar. Man wolle
den zuständigen SenatorInnen im Bildungs- und Finanzressort, Sandra
Scheeres und Matthias Kollatz (beide SPD), nun zunächst an den
Verhandlungstisch laden – und dem auch nicht vorgreifen.
## Maximal 19 Kinder pro Klasse
Ein „Diskussionsgrundlage“ für Grundschulen könnten aber maximal 19
SchülerInnen pro Klasse sein, hieß es. Bisher trifft das laut
GEW-Erhebungen nur auf rund 18 Prozent der Grundschulklassen zu. Das Gros
der Kinder (rund 54 Prozent) sitzt hingegen in Klassen mit bis zu 24
MitschülerInnen. Zudem seien seit 2016/17 insbesondere die „Groß-Klassen“
mit bis zu 28 SchülerInnen im Vergleich überproportional gewachsen.
Aus der Finanzverwaltung hieß es auf taz-Anfrage lediglich, man könne sich
noch nicht äußern, weil das Forderungspapier der GEW noch nicht vorliege.
Allerdings gelte grundsätzlich, dass Berlin als Mitglied der
Tarifgemeinschaft der Länder, TdL, „keine individuellen Verhandlungen“
führe, so eine Sprecherin.
GEW-Vorsitzender Erdmann betonte, es sei der Gewerkschaft klar, dass das
kleinere Klassen „eine relativ teure Maßnahme“ seien, angesichts eines
ohnehin schon [2][leer gefegten Fachkräftemarkts]. Mehrere
SchulleiterInnenverbände hatten erst vergangene Woche eindringlich vor
einem sich verschärfenden Personaldefizit in den Schulen gewarnt und die
Wiedereinführung der Verbeamtung gefordert. Berlin ist das einzige
Bundesland, dass seine PädagogInnen seit 2004 nicht mehr verbeamtet.
Albers betonte, die [3][Verbeamtung sei „kein Allheilmittel“]. Das habe
auch eine Umfrage zu Jahresbeginn unter mehr als 2.000 Berliner Lehrkräften
ergeben: „Nur wenige wünschten sich die Verbeamtung.“ Vielmehr müssten die
Arbeitsbedingungen im Schuldienst attraktiver werden. Und da träfe eine
Verkleinerung der Klassen „den Nagel auf den Kopf“, sagt Albers. Bei der
Frage, was sie entlasten könne, hätten 90 Prozent zugestimmt, dass kleinere
Klassen eine wesentlicher Faktor seien.
Davon würden dann auch die SchülerInnen profitieren, legt die Umfrage nahe:
Es bleibe mehr Zeit für Beziehungsarbeit und individuelle Förderung, der
Unterricht könne viel differenzierter gestaltet werden, gaben die
LehrerInnen zu Protokoll.
Spätestens nach den Sommerferien erwarte man nun eine Antwort aus den
zuständigen Senatsverwaltungen, hieß es am Montag von Udo Mertens,
gemeinsam mit Albers zuständig für den Bereich Tarifpolitik. Zum Schuljahr
2022/23 könne es dann, nach Vorstellung der GEW, einen „Einstieg in den
Systemwechsel“ geben – das also die Gewerkschaften künftig bei der
Steuerung des Lehrkräftebedarfs ein Wörtchen mitzureden hätten, statt sich
auf Kritik am Defizit beschränken zu müssen. Die Bildungsverwaltung äußerte
sich auf taz-Anfrage zunächst nicht.
Aus der Bildungsverwaltung hieß es auf taz-Anfrage knapp, es sei „nicht
verwunderlich“, dass eine Gewerkschaft sich mehr Personal wünsche.
Allerdings halte man den Weg für „nicht zielführend“. Es gebe zudem berei…
die Möglichkeit, kleinere Klassen einzurichten – etwa an Schulen mit vielen
Kindern, die nicht-deutscher Herkunft sind oder Fördebedarf hätten.
21 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Klöpper
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