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# taz.de -- Ende des Clubs Watergate: An Silvester ist Schluss
> Mit dem Watergate muss einer der bekanntesten Clubs der Stadt schließen.
> Neue Räume sind dagegen rar. Noch aber ließe sich dem Clubsterben
> begegnen.
Bild: Exponierte Lage: das Watergate an der Oberbaumbrücke
Berlin taz | Es war die Zeit, in der in Berlin auch ohne viel Kapital noch
fast alles möglich war. 1991, [1][in der Quasi-Anarchie Ostberlins], wurde
der ehemalige Sitz der Besteckfirma WMF besetzt; im Keller des
heruntergekommenen Gebäudes an der Ecke Leipziger-/Mauerstraße entstand der
gleichnamige Techno-Club. Die Macher:innen hatten zuvor bereits Partys
in einer Toilettenanlage direkt unter den Bruchstücken der gefallen Mauer
gleich nebenan veranstaltet. Mit der offiziellen [2][Gründung des WMF]
entstand einer der prägenden Clubs jener Zeit, in der sich aus der Symbiose
aus Mauerfall und Techno jene Clubkultur entwickelte, die die Stadt seither
prägt.
Als 2002 das Watergate an der Oberbaumbrücke eröffnete, jene Institution
des Berliner Nachtlebens, die am Dienstag ihr Aus zum Jahresende
verkündete, war das WMF gerade in seine sechste Location von insgesamt
acht, damals im Café Moskau, gezogen. Da mit jedem – erzwungenen –
Ortswechsel auch eine Neuausrichtung des Clubs einherging, verabschiedeten
sich dabei die Veranstalter:innen einer Drum’n’Bass-Partyreihe – und
gründeten das Watergate, das sie bis heute betreiben. Der Tipp für das
Kreuzberger Bürogebäude an der Spree kam ausgerechnet von einem
Location-Scout des WMF, wie die Gründer in einem Interview mit der
Szenezeitschrift Groove erzählten.
22 Jahre später muss also das Watergate seine Türen schließen; nicht
irgendein Club, wie Marcel Weber, Vorstandsvorsitzender des Club-Verbandes
Clubcommission, im Gespräch mit der taz betont, sondern „einer der
bekanntesten Clubs der Welt, fast ein Wahrzeichen Berlins“.
Seinen Abschied verkündet das Watergate ohne Aussicht darauf, an anderer
Stelle wieder neu eröffnen zu können. Die Betreiber begründen ihren Schritt
den Vertrag mit dem Immobilienhai Gijora Padovicz nicht zu verlängern mit
dem „Kostendruck“. Sie schreiben: „Die Zeiten eines Berlins, das sich vor
clubaffinen Besuchern kaum retten kann, sind erst mal vorbei, und eine
Szene kämpft ums Überleben.“ Zum Verhängnis wurde dem Club auch sein
Erfolg, der dazu beitrug, dass aus dem einst armen Kreuzberger Quartier
eines der angesagtesten und teuersten der Stadt wurde.
## Umzüge waren normal
Dass Clubs ihre Orte, die sie häufig nur als Zwischennutzung bespielen,
verlassen müssen, ist dabei nichts Neues und für eine Kultur, die auf
ständige Erneuerung angewiesen ist, nichts Dramatisches. [3][Im digitalen
Museum der Berliner Club-Geschichte als Teil der Berlin History App] sind
allein 80 ehemalige Spielstätten der letzten Jahrzehnte ausgewiesen;
tatsächlich sind es einige mehr.
Die Liste legendärer Feierstätten, die über die Jahrzehnte verschwanden,
reicht vom E-Werk über Bunker, Turbine, Magnet, 90 Grad bis zum Ostgut. Da
wo Letzterer einst zu Hause war, ist heute einer der wohl seelenlosesten
Ort Berlins, das Quartier rings um die Mehrzweckhalle am Ostbahnhof. Doch
das Ostgut konnte noch in der Nähe weitermachen: als Berghain.
Im durchkapitalisierten Berlin, das auch die letzte Brache in Wert setzt,
finden sich anders als in den 1990er Jahren, zumindest innerhalb des Rings,
keine neuen Orte mehr, an denen verdrängte Clubs wiedereröffnen können. Wer
nicht ganz aufgeben muss, wie die Rummels Bucht oder das [4][Mensch Meier],
muss an den Stadtrand, so wie die Griessmühle, die von der Sonnenallee nach
Schöneweide zog und dort als Revier Südost weitermacht. Ob es eine ähnliche
Möglichkeit für [5][die Renate gibt, die Ende des nächsten Jahren ihr Haus
an der Elsenbrücke verlassen muss], steht in den Sternen. Weber spricht von
einer „Dynamik, die dazu führt, dass Clubs verschwinden und nichts Neues
nachkommt“.
## Kostendruck für Clubs und Besucher
Gentrifizierungsprozesse, Inflation, Energiekrise und die weiterhin
anhaltenden Nachwirkungen von Corona haben die Handlungsmöglichkeiten der
Clubs eingeschränkt und [6][verstärken den Druck in Richtung
Kommerzialisierung]; gleichzeitig leiden die Gäste unter Preissteigerungen
im alltäglichen Leben und an den Clubtüren. Die Hoch-Zeiten mit dem Boom
der Billigflieger seit der Jahrtausendwende sind vorbei, wie
Watergate-Gründer Ulrich Wombacher in einem Interview mit der [7][Berliner
Zeitung] beschreibt. „Im Grunde hat sich die Situation jetzt normalisiert,
nur dass wir jetzt ganz viele Clubs haben, die alle über die Covid-Zeit
erhalten wurden und jetzt den kleinen Kuchen teilen müssen.“
Will Berlin die Clubkultur als Markenkern, als Anziehungspunkt für Gäste
und anzuwerbende Fachkräfte erhalten, muss etwas passieren. Die politischen
Akteure bis hin zur CDU erkennen inzwischen, anders als in der Anfangszeit,
den kulturell und wirtschaftlich zentralen Wert der Clubkultur an. Doch
noch immer fehlt es an substanziellen Maßnahmen, die einem Clubsterben
entgegenwirken oder dazu beitragen könnten, neue Räume zu schaffen; etwa
einem Gewerbemietrecht, das vor Kündigungen und Mietexplosionen schützt,
oder eine Förderung für die Nutzung leerstehender Büroflächen.
Als Lobbyorganisation der Clubs setzt sich die Clubcommission derzeit auf
Bundesebene dafür ein, dass Clubs im Zuge der Novellierung des
Baugesetzbuches als Kulturstätten Theatern, Museen und Opern gleichgestellt
werden. Sie könnten dann von Förderinstrumenten profitieren, vor allem aber
auch im städtebaulichen Planungsrecht bedacht werden. Das würde einen
besseren Schutz vor Verdrängung und die Ausweisung von Flächen auch in
Wohn- und Mischgebieten bedeuten.
So sei, wie Weber sagt, die Ausweisung eines Bereichs für clubkulturelle
Nutzung, etwa in der geplanten [8][Siemensstadt] mit Tausenden neuen
Angestellten, essenziell: „Was sollen die Leute dort machen, die werden ja
sonst vor Langeweile sterben?“
Ob sich die Haltung der Clubs durchsetzen wird, ist unklar. Für Weber steht
dabei noch mehr auf dem Spiel: „Die Funktion von Clubs für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt“, als Orte von „Solidarität und
Gemeinschaft“, an denen man „dem grausamen Alltag entfliehen kann“.
17 Sep 2024
## LINKS
[1] /Berlin-Serie-Capital-B/!5959745
[2] /Geschichte-der-Berliner-Clubkultur/!5066854
[3] /Clubkultur-in-Berlin/!5850369
[4] /Berlins-Clubszene/!5977618
[5] /Clubkultur-in-Berlin/!6030475
[6] /Kommerzialisierung-der-Technoszene/!6005510
[7] https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/berliner-technoclub-water…
[8] /Tegel-als-Spielfeld-fuer-Zukunft/!5786711
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Clubs
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