| # taz.de -- EU-Impfstoffdeal mit Pfizer: Impfschaden in Brüssel | |
| > Die EU-Kommission hat 2021 einen fragwürdigen Milliarden-Auftrag für | |
| > Corona-Impfstoffe an Pfizer vergeben. Jetzt stockt die Aufarbeitung. | |
| Bild: Soll vor einem Sonderausschuss zum Geschäft mit Pfizer aussagen: Präsid… | |
| Brüssel taz | Nachfragen zwecklos, Ursula von der Leyen antwortet nicht. | |
| Wenn es um den größten Impfstoff-Deal aller Zeiten geht, den die | |
| Präsidentin der EU-Kommission im Frühjahr 2021 mit dem [1][US-Pharmakonzern | |
| Pfizer] abgeschlossen hat, dann gibt sich die Brüsseler Behörde zugeknöpft. | |
| Was von der Leyen per SMS-Kurznachricht von ihrem Handy mit Pfizer-Chef | |
| Albert Bourla abgesprochen haben mag, wird wie eine geheime Verschlusssache | |
| behandelt. Auch die milliardenschweren Verträge, die die CDU-Politikerin im | |
| Namen der EU abgeschlossen hat, bleiben tabu – nicht einmal das | |
| Europaparlament erhält volle Einsicht. | |
| Die New York Times biss bei ihren Nachfragen ebenso auf Granit wie die | |
| Europäische Staatsanwaltschaft, die EU-Bürgerbeauftragte oder der | |
| Rechnungshof. Auch die taz hat nachgefragt: Was die Kommission denn zu der | |
| jüngsten strafrechtlichen Klage einer Privatperson aus Belgien und zu den | |
| Vorwürfen gegen von der Leyen sage, wollten wir wissen. „No comment“, kein | |
| Kommentar, antwortete von der Leyens Chefsprecher Eric Mamer – nicht | |
| einmal, sondern mehrfach. | |
| Gemeinsam haben die 27 Mitgliedstaaten Ende 2020 begonnen, den dringend | |
| benötigten Impfstoff bei Pfizer und anderen Pharmakonzernen zu bestellen. | |
| Weil die Zeit drängte, nahm man es mit den Konditionen und der Kontrolle | |
| nicht so genau. Pfizer bekam mehrfach den Zuschlag – nicht zuletzt, weil | |
| deren Impfstoff beim deutschen Unternehmen BionTech hergestellt wird. Das | |
| sichere Arbeitsplätze und Know-how in Europa, sagte von der Leyen. | |
| Doch nun bröckelt die Einheit. Das EU-Parlament, das sich für die | |
| [2][Europawahl im Juni 2024] warmläuft, fordert Rechenschaft über die | |
| Verträge, die von der Leyen damals ausgehandelt hat – und die die EU auch | |
| jetzt noch zur Abnahme des nicht mehr benötigten Impfstoffs verpflichten. | |
| Einige EU-Staaten wollen die milliardenschweren Deals sogar nachverhandeln. | |
| ## Groll im Europäischen Parlament | |
| Gefährlich werden könnte von der Leyen vor allem das Parlament. Denn dort | |
| geht der Groll über ihre Geheimniskrämerei quer durch alle Fraktionen – bis | |
| hin zur Spitze. So fordert die Vizepräsidentin der EU-Volksvertretung, | |
| Katarina Barley (SPD), eine öffentliche Anhörung der CDU-Politikerin. | |
| Es sei „selbstverständlich“, dass sich von der Leyen dem Parlament stelle, | |
| sagte sie dem Magazin Focus: „Ich erwarte das auch.“ Zwar habe der | |
| Sonderausschuss, den das Europaparlament zur Aufarbeitung der Coronakrise | |
| eingesetzt hat, nicht die gleichen Kompetenzen wie etwa ein | |
| Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die EU-Abgeordneten können die | |
| Kommissionschefin zum Beispiel nicht einfach vorladen. | |
| Es sei jedoch Aufgabe des Parlaments, die Kommission zu kontrollieren, so | |
| Barley, die von der Leyen noch aus der gemeinsamen Arbeit in der | |
| Bundesregierung kennt. Sie dürfe sich nicht verweigern. Schließlich gehe es | |
| um „sehr viel Steuergeld“. | |
| ## Offizielle Angaben fehlen | |
| Die Rede ist von 35 Milliarden Euro – so viel soll die Bestellung wert | |
| sein, die von der Leyen Anfang 2021 bei Pfizer aufgab. Davon sollen noch | |
| bis zu 10 Milliarden Euro ausstehen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte | |
| im Januar berichtet, dass die Zahlungsverpflichtung der EU aus diesem | |
| Vertrag in einer Größenordnung zwischen 7,8 und 9,75 Milliarden Euro liege. | |
| Offizielle Angaben fehlen – denn die Verträge sind geheim, nicht einmal die | |
| EU-Abgeordneten bekommen die kritischen Klauseln zu sehen. Einige grüne | |
| Parlamentarier haben dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Doch | |
| obwohl sie bereits im Januar eine Anhörung beantragt haben, warten sie bis | |
| heute auf einen Termin. | |
| „Die EU-Kommission weigert sich immer noch, die Verträge mit den | |
| Pharmaherstellern komplett offenzulegen“, berichtet die Abgeordnete Tilly | |
| Metz aus Luxemburg, die an der Klage beteiligt ist. „Für mich ist das | |
| unverständlich, denn die Impfstoff-Beschaffung liegt nun schon einige Zeit | |
| zurück, und wir müssen uns auf die nächsten Krisen vorbereiten.“ | |
| ## Von der Leyen arbeitet eifrig am Schlussbericht | |
| Dies gehe aber nicht ohne das nötige öffentliche Vertrauen – und das könne | |
| nur durch Transparenz und Kontrolle gesichert werden. „Für mich ist das | |
| eine Frage des Prinzips: Das Europaparlament muss die Arbeit der Kommission | |
| kontrollieren. Das ist meine Aufgabe, das bin ich meinen Wählern und | |
| Wählerinnen schuldig.“ | |
| Metz glaubt zwar nicht mehr, dass von der Leyen noch vor der Europawahl den | |
| Pfizer-Deal offenlegen wird. Umso eifriger arbeitet sie mit anderen | |
| Abgeordneten am Schlussbericht des Corona-Sonderausschusses, der im Sommer | |
| vorgelegt werden soll. Eine Lehre steht für sie jetzt schon fest: In der | |
| Coronakrise saß die Industrie am längeren Hebel. | |
| „Die EU-Kommission hat in dieser Ausnahmesituation ihr Bestes gegeben“, so | |
| Metz. „Aber die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie war für sie neu, und | |
| rückblickend hätte man einige Probleme vermeiden können.“ So habe sich die | |
| Kommission beim Ankauf von Corona-Impfstoffen auf das „Commercial Secret“ | |
| eingelassen. Das sei aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, der die EU | |
| teuer zu stehen komme. Auch die beteiligten Länder müssten das aufarbeiten. | |
| Polen und einige andere Mitgliedstaaten haben sich bereits daran versucht – | |
| mit wenig Erfolg. In einem Brief forderte Gesundheitsminister Adam | |
| Niedzielski den Pfizer-Konzern auf, den umstrittenen Vertrag nachträglich | |
| zu ändern, um „die finanzielle Last zu mindern“. Zudem müsse verhindert | |
| werden, dass von den bis zu 1,8 Milliarden bestellten Impfdosen allzu viel | |
| im Mülleimer lande. | |
| ## Pfizer will noch gute Geschäfte machen | |
| Pfizer scheint zwar zu Kompromissen bereit, will aber selbst dabei noch | |
| gute Geschäfte machen. Nach Darstellung der Financial Times ist der Konzern | |
| bereit, die im laufenden Jahr abzunehmende Impfstoffmenge von 500 Millionen | |
| Dosen auf 280 Millionen zu reduzieren. Dafür soll die EU allerdings eine | |
| „Stornogebühr“ zahlen – und noch einige Jahre länger als geplant bei Pf… | |
| einkaufen. | |
| Wird also ein schlechter Deal durch einen weiteren schlechten Deal ersetzt, | |
| muss die EU gar noch bis 2026 Impfdosen von Pfizer abnehmen? Auf Nachfrage | |
| der taz erklärte ein Sprecher der EU-Kommission, dass die Gespräche mit | |
| Pfizer und den Mitgliedsstaaten noch liefen. Zu den Details könne man | |
| leider nichts sagen. | |
| „Diese Diskussionen finden, wie es immer der Fall war, gemeinsam mit den | |
| Mitgliedstaaten statt“, betont der Sprecher. Anders gesagt: Die Kommission | |
| trägt nicht allein die Verantwortung. Wenn es Fehler gab, will von der | |
| Leyen nicht allein schuld gewesen sein – Deutschland und die anderen | |
| EU-Staaten hängen mit drin in der nicht enden wollenden Pfizer-Affäre. | |
| 23 May 2023 | |
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| Eric Bonse | |
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