# taz.de -- Drittstaatler aus der Ukraine: Bleiberecht bleibt Science-Fiction | |
> Ukraine-Geflüchtete, die eigentlich aus Drittstaaten stammen, haben in | |
> Deutschland keine Bleibeperspektive. Nun ist ihr Aufenthalt offiziell | |
> illegal. | |
Bild: So einfach, wie auf dem Banner gefordert, sei das mit dem Aufenthalt nich… | |
HAMBURG taz | Es ist der 1. September 2022 und die Ukraine ist noch immer | |
Kriegsschauplatz. Doch mit dem heutigen Tag endet für viele Geflüchtete der | |
legale Aufenthalt in Deutschland – und damit auch ihr Anspruch auf | |
Versorgung und Obdach. Eine neue Verordnung des Bundesinnenministeriums | |
lässt dabei kaum Hoffnung für Menschen, die aus Drittstaaten stammen, aber | |
aus der Ukraine geflohen sind. | |
Anders als ukrainische Staatsangehörige müssten Drittstaatler*innen in | |
Deutschland „von Anfang an um ihren Aufenthalt kämpfen“, sagt Carola | |
Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration der Linksfraktion in der | |
Hamburgischen Bürgerschaft. Geflüchtete Ukrainer*innen hingegen erhalten | |
mit ihrer Ankunft in Deutschland im Regelfall eine zweijährige | |
Aufenthaltsgenehmigung. | |
Drittstaatenangehörige hatten zunächst ein Aufenthaltsrecht bis zum 31. | |
August. Ein darüber hinaus gehender Aufenthalt musste individuell beantragt | |
werden. Das geht aus einer seit dem 26. April geltenden Übergangsverordnung | |
des Bundesinnenministeriums hervor. Sie konnten dann eine sogenannte | |
Fiktionsbescheinigung bekommen, eine Art provisorischen Aufenthaltstitel. | |
„Dieser Prozess ist jedoch undurchschaubar und lässt keinerlei System | |
vermuten“, sagt Ensslen. Der Hamburger Senat habe ihr mitgeteilt, dass | |
„grundsätzlich alle Drittstaatler*innen eine Fiktionsbescheinigung | |
erhalten sollen“. Es gebe jedoch eine große Dunkelziffer von geflüchteten | |
Drittstaatenangehörigen in Hamburg, denen keine Fiktionsbescheinigung | |
ausgestellt wurde. Das widerspreche den Angaben des Senats. | |
## Neue Bundesverordnung, keine Klarheit | |
Darüber hinaus hat die Innenbehörde Ausreiseaufforderungen an | |
Drittstaatler*innen ausgestellt, die vor den 31. August datiert waren | |
(taz berichtete). In der Antwort auf eine Kleine Anfrage Ensslens führt der | |
Senat das auf Fehler bei der Interpretation der [1][„Ukraine | |
Aufenthalts-Übergangsverordnung] von der Sachbearbeitung“ zurück. | |
Heute tritt nun eine neue Bundesverordnung in Kraft, die einen Aufenthalt | |
bis Ende November ermöglicht – aber nur für neu eingereiste | |
Drittstaatenangehörige. Wer sich länger als 90 Tage in Deutschland aufhält | |
und keine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung durch eine | |
Fiktionsbescheinigung erhalten hat, bleibt weiterhin ausreisepflichtig. | |
„Diese Menschen halten sich nun illegal in Deutschland auf und | |
[2][verlieren jeglichen Anspruch auf Versorgung]“, bemängelt Katherine | |
Braun von Hamburg Asyl, einer Initiative für Geflüchtete. Die Zahl der | |
Betroffenen sei sehr groß und könne aufgrund mangelnder Dokumentation durch | |
die Behörden nicht genau benannt werden. In Hamburg seien ihr durch | |
verschiedene Beratungsstellen weit über hundert Fälle von Geflüchteten | |
Drittstaatler*innen ohne Fiktionsbescheinigung bekannt. | |
Braun ist besorgt, da es [3][für diese Gruppe von Geflüchteten] keine neuen | |
Regelungen gebe. „Wenn sie einmal den Status des illegalen Aufenthalts | |
haben, wird es für sie schwer, den Weg zurück in den legalen Aufenthalt zu | |
finden“, sagt Braun. Das liege daran, dass Menschen, die sich illegal in | |
Deutschland aufhalten, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Deutschkursen | |
hätten. Somit gebe es kaum eine Möglichkeit, durch den Nachweis eines | |
Studiums oder eines Jobs einen legalen Aufenthalt zu beantragen. | |
Eine Lösung ist nicht in Sicht. „Ein generelles Bleiberecht kann für diese | |
Personengruppe nicht einfach ausgesprochen werden“, sagt Sören Schumacher, | |
innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Hamburg. Dies gebe die | |
Rechtslage nicht her. | |
Die Linkenpolitikerin Carola Ensslen findet das unfair, denn es gebe eine | |
„krasse Ungleichbehandlung von Drittstaatler*innen im Vergleich zu | |
ukrainischen Staatsangehörigen“. Für ukrainische Geflüchtete sei es | |
schließlich auch möglich, einen längeren Aufenthalt zu beantragen. | |
4 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Aufenthaltsrecht/!5871849 | |
[2] /Rauswurf-aus-der-Gefluechtetenunterkunft/!5872082 | |
[3] /Protest-fuer-Gefluechtete-aus-Drittstaaten/!5875993 | |
## AUTOREN | |
Emma Philipp | |
## TAGS | |
Bleiberecht | |
Asylpolitik | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Sicherer Drittstaat | |
Schwerpunkt Flucht | |
Geflüchtete | |
Ausländer | |
Abschiebung | |
Serie Flucht aus der Ukraine | |
Gerichtsprozess | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ukraineflüchtlinge in Not: Zwei Jahre im Ungewissen | |
Viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit anderer Staatsbürgerschaft | |
haben bis heute keinen sicheren Aufenthalt. Das macht ihnen zu schaffen. | |
Ukrainische Geflüchtete in Berlin: Bis hierhin – und jetzt weiter | |
Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine leben provisorisch bei | |
Gastgeber*innen, in Hostels und Heimen. Wo sie bleiben können, weiß | |
niemand. | |
Ermittlungsverfahren bleiben in Akten: Einmal verdächtig, immer verdächtig | |
Wegen eines Fehlers bei der Hamburger Staatsanwaltschaft stehen bis zu | |
80.000 Migrant*innen fälschlich unter Verdacht. | |
Drohende Abschiebung in Sachsen: 66.000 unterstützen Familie Son | |
Sächsische Behörden wollen den vietnamesischen Gastarbeiter Pham Phi Son | |
mit seiner Familie abschieben. Eine Onlinepetition macht nun Druck dagegen. | |
Protest für Geflüchtete aus Drittstaaten: Besetzer*innen kapern Grünen-Büro | |
In Hamburg hat eine Gruppe die Grünenfraktion besetzt. Sie will auf | |
Menschen aufmerksam machen, die ohne ukrainischen Pass vor dem Krieg | |
flohen. | |
Prozess in Frankfurt: Homosexualität als Asylgrund? | |
Vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt kämpft ein Algerier um Anerkennung als | |
Flüchtling. Er fühlt sich bedroht, weil er offen schwul lebt. |