# taz.de -- Ermittlungsverfahren bleiben in Akten: Einmal verdächtig, immer ve… | |
> Wegen eines Fehlers bei der Hamburger Staatsanwaltschaft stehen bis zu | |
> 80.000 Migrant*innen fälschlich unter Verdacht. | |
Bild: Sollten die Ermittlungen gegen Bakery Jatta je einstellt werden, dann ver… | |
Aus Fehlern lässt sich bekanntlich lernen. Während manche einen Fehler kein | |
zweites Mal machen würden, brauchen andere mehrere Anläufe. So zum Beispiel | |
die Hamburger Staatsanwaltschaft: Da gab es 80.000 Fälle, die sie darauf | |
hätten hinweisen können, dass es in ihrem Haus Übermittlungsschwierigkeiten | |
gibt. | |
Es gilt: Wann immer die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen eine Person ohne | |
deutsche Staatsangehörigkeit ein Strafverfahren einleitet, wird das | |
automatisch der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt. Schließlich sollen | |
alle möglichen Umstände in eine Aufenthaltsentscheidung einfließen. | |
Fair wäre nun, dass, wenn ein Verfahren eingestellt wird, die | |
Ausländerbehörde auch darüber eine Mitteilung bekäme. Andernfalls entstünde | |
fälschlicherweise der Eindruck, gegen die Person würde weiterhin ermittelt. | |
Und dieser Umstand kann ja durchaus einen negativen Einfluss auf den | |
Aufenthaltsentscheid haben. Doch bedauerlicherweise gibt es ein technisches | |
Problem in dem behördlichen Verwaltungssystem Mesta – schon seit Januar | |
2018. In sage und schreibe 80.000 Fällen hat daher die Information, dass | |
die Verfahren eingestellt wurden, die Ausländerbehörde nicht erreicht. | |
„Die Nichtmitteilung kommt einer Kriminalisierung von etwa 80.000 | |
Migrant*innen gleich“, findet Carola Ensslen, flüchtlingspolitische | |
Sprecherin der Hamburger Linksfraktion. Sie gehe davon aus, dass der Fehler | |
der Staatsanwaltschaft die Verfahren der Betroffenen durchaus beeinflusst | |
habe. Manche seien vielleicht sogar deshalb abgeschoben worden. | |
Gut, dass der Hamburger Senat auf eine Kleine Anfrage Ensslens Rede und | |
Antwort steht: Die Mitteilungen über Verfahrenseinstellungen seien | |
„versehentlich nicht nachgepflegt“ worden. Zweifellos habe es jedoch keine | |
„falschen Entscheidungen gegeben“ – schließlich hätten sich die jeweili… | |
Sachbearbeiter*innen stets und bei jedem Fall persönlich erkundigt, ob das | |
verhältnismäßig lang andauernde Verfahren noch laufe. Also 80.000-mal | |
nachgefragt, um explizit zu sein. | |
Das hält Carola Ensslen für „ausgeschlossen“. Sie fordert eine Überprüf… | |
aller vorliegenden Fälle, denn das sei an dieser Stelle aus | |
rechtsstaatlicher Perspektive geboten. Auf taz- Nachfrage, ob die | |
betreffenden Fälle erneut geprüft werden, kommt vom Hamburger Amt für | |
Migration ein entschiedenes „Nein“. Auch die Frage, wie viele dieser 80.000 | |
Fälle schließlich ausreisepflichtig wurden, bleibt unbeantwortet. | |
Und auch diese Frage müssten die beteiligten Behörden sich stellen: Musste | |
wirklich 80.000-mal das Gleiche passieren, um den Fehler im System zu | |
finden? | |
6 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Emma Philipp | |
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