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# taz.de -- Rauswurf aus der Geflüchtetenunterkunft: Über Nacht obdachlos
> In Hamburg werden Geflüchtete aus der Ukraine aus ihren Unterkünften
> geworfen, kritisieren Initiativen. Der Marokkaner Youssef L. ist einer
> von ihnen.
Bild: Asmara Habtezion vom Geflüchtetehilfeverein „Asmaras World“ spricht …
Hamburg taz | Vor über vier Jahren hat Youssef L.* Marokko verlassen, um in
der Ukraine Pharmazie zu studieren. Als Russland am 24. Februar dieses
Jahres die Ukraine angreift, flieht auch er vor den Gefahren des Kriegs.
Zunächst nach Frankreich und später nach Deutschland. In Hamburg will er
sein Studium fortsetzen, doch sein Antrag auf vorübergehenden Aufenthalt
wird abgelehnt.
Im Juli wird er über Nacht aus seiner Geflüchtetenunterkunft verwiesen und
in die Obdachlosigkeit entlassen. Nun muss der Student zurück nach Marokko.
Für ihn bedeutet dies das Ende seiner akademischen Laufbahn, denn in
Marokko hat er nicht die Möglichkeit, sein Studium fortzusetzen.
In der Ausreiseaufforderung, die Youssef L. von der Hamburger Innenbehörde
erhalten hat, wird die Ablehnung seines Aufenthaltsantrags unter anderem
damit begründet, dass er „kein Ausländer ist, der anlässlich des Kriegs in
der Ukraine von der Ukraine nach Deutschland reiste“, da er zunächst nach
Frankreich geflohen sei.
Der taz gegenüber berichtet Youssef L., dass ihm in Frankreich die
Ausweisung drohte, da er marokkanischer Staatsbürger sei und die
französischen Behörden Drittstaatsangehörigen keinen Aufenthalt gewähren
würden. Da er hörte, dass es in Deutschland bessere Chancen gebe, reiste er
nach Hamburg. Er hofft auf eine Möglichkeit, dort weiter Pharmazie
studieren zu können.
## Alle Anforderungen erfüllt
In der Begründung der Innenbehörde heißt es außerdem, dass Youssef L. keine
gültige Krankenversicherung habe und auch nicht über die nötigen
finanziellen Mittel verfüge, um in Deutschland bleiben zu können. Auch der
Widerspruch, den Youssef L. daraufhin einlegte, wurde abgelehnt.
Für Asmara Habtezion, Gründerin der [1][Hamburger Geflüchtetenhilfe
„Asmaras World“], ist das unverständlich. Sie berät Youssef L. und glaubt,
dass er alle Anforderungen erfüllt, um einen vorübergehenden Aufenthalt
über eine Fiktionsbescheinigung zu erhalten.
Seit April werden in Hamburg gemäß Paragraf 81 des Aufenthaltsgesetzes
[2][Fiktionsbescheinigungen an geflüchtete Personen aus Drittstaaten
ausgestellt]. Mit einer solchen Bescheinigung können diese auch nach dem
31. August zunächst sechs Monate in Deutschland bleiben. Der vorübergehende
Aufenthalt soll ihnen ermöglichen, persönliche Angelegenheiten zu klären.
Etwa um Deutschkurse zu besuchen, sich für einen Studienplatz in
Deutschland zu bewerben oder in Hamburg zu arbeiten.
Laut einem Sprecher der Hamburger Innenbehörde erhalten eine solche
Fiktionsbescheinigung auch „Studierende aus der Ukraine, die keine
ukrainische Staatsangehörigkeit haben“ für die Dauer von sechs Monaten.
Dennoch wurde Youssef L. keine Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Das
hindert ihn daran, an Integrations- und Deutschkursen teilzunehmen, um
später sein Studium fortsetzen zu können.
## Unverständliche Ablehnungsbescheide
Wie viele solcher Fälle es gibt, ist unsicher. „Die uns bekannten
Situationen lassen manche Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede im
Vorgehen erkennen. Diese Willkür macht eine Einordnung nicht leichter“,
sagt Pastorin Dietlind Jochims von [3][Hamburg Asyl], einer Initiative für
Geflüchtete.
Unverständliche Ablehnungsbescheide durch die Innenbehörde in Hamburg sind
nicht das Einzige, was Initiativen wie Asmaras World oder Hamburg Asyl
derzeit beunruhigt. „Uns liegen einige Fälle vor, in denen geflüchtete
Personen aus Drittstaaten einfach aus ihren Unterkünften rausgeschmissen
werden und das nur kurz nach dem Erhalt einer Ausweisungsverfügung.
Sie werden einfach in die Obdachlosigkeit entlassen“, sagt Asmara
Habtezion. Häufig fänden diese Rauswürfe spät in der Nacht statt. Konkret
seien ihr Fälle in den Unterkünfte am Bargkoppelweg und am Neuen Höltigbaum
im Stadtteil Rahlstedt bekannt.
## Keine Linie erkennbar
„Ein Verweis aus Unterkünften kommt regelmäßig nicht in Betracht“, schre…
dagegen ein Sprecher der Innenbehörde auf taz-Anfrage. Da
Drittstaatenangehörige aus der Ukraine ein Recht auf vorübergehenden
Aufenthalt hätten, sollten sie wie andere geflüchtete Personen in
öffentlichen Unterkünften untergebracht werden.
Fälle wie die von Youssef L. entsprechen dem augenscheinlich nicht. „Wann
Dokumente anerkannt werden oder nicht, wann welche Bescheinigungen
ausgestellt werden, wem eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgestellt wird,
wer gar der Unterkunft verwiesen wird – all das lässt keine Klarheit
erkennen“, sagt Dietlind Jochims von Hamburg Asyl.
Am kommenden Montagabend will ein breites Bündnis in Hamburg mit einer
Demonstration auf die Situation der Geflüchteten aus Drittstaaten
aufmerksam machen. Beginnen soll der Demozug um 18 Uhr am Jungfernstieg.
* Name geändert
19 Aug 2022
## LINKS
[1] https://asmaras-world.de/
[2] /!5859082/
[3] https://hamburgasyl.de/
## AUTOREN
Emma Philipp
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Ukraine
Sozialbehörde Hamburg
Aufenthaltsgenehmigung
Obdachlosigkeit in Hamburg
Ausländer
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Immobilien Hamburg
Ukraine
Abschiebung
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