# taz.de -- Deutsch-amerikanische Philosophie: Wie Persönlichkeit erfunden wur… | |
> Historische Beziehungen: Das Pingpong der Ideen, die über den Atlantik | |
> hin und her reisten, kann uns helfen, die Gegenwart zu verstehen. | |
Bild: Was aus Kants Begriff des „Transzendentalen“ in Neuengland wurde, ist… | |
In seinem Meisterwerk „A Fine Disregard“ vergleicht Kirk Varnedoe, der | |
tragisch früh verstorbene Kurator des New Yorker Museum of Modern Art, die | |
ästhetische Moderne mit einem Bumerang. „Diese Art des | |
Import/Export-Austauschs geht so vor sich, dass man eine Tradition in die | |
Fremde hinausschickt, die zu Hause vielleicht schon in Vergessenheit | |
geraten ist und nicht mehr recht geschätzt wird und die dann zu einem | |
zurückkommt – ein bisschen missverstanden zwar, aber wiederbelebt und | |
fruchtbar (man lässt ein paar alte 45-rpm-Platten mit Rhythm and Blues | |
hinausgehen, von Muddy Waters, John Lee Hooker und Bo Didley, und bekommt | |
ein paar Jahre später Mick Jagger und John Lennon zurück).“ | |
Eine ähnliche, aber weniger bekannte transatlantische Pingpongpartie ist im | |
19. Jahrhundert zwischen Deutschland und den USA ausgetragen worden und hat | |
die amerikanische Philosophie hervorgebracht. Nämlich den „New England | |
Transcendentalism“ und den „American Pragmatism“ – ausgedehnte und viel… | |
miteinander verflochtene Zusammenhänge von Ideen, Haltungen, Metaphern und | |
Wahrnehmungsweisen, die um 1850 in Massachusetts als enthusiastisches | |
Missverständnis der damals weltweit bewunderten deutschen Kultur | |
entstanden. | |
Auch Transzendentalismus und Pragmatism erwiesen sich in der Folge als | |
Bumerangs. Denn sie sind 1945 nach einer jahrzehntelang rein amerikanischen | |
Ausdifferenzierungsgeschichte mit der siegreichen US-amerikanischen Armee | |
wieder über den Ozean gereist, um nun ihrerseits in Deutschland (wo man | |
ihre Ursprünge schon fast ganz vergessen hatte) als revolutionäre | |
Überraschung aufzutreten. Seit Kriegsende haben die transzendentalistischen | |
und pragmatistischen Anregungen dann (neben der ebenfalls aus Amerika | |
zurückgekehrten „Frankfurter Schule“) entscheidend dabei geholfen, dem | |
deutschen Kulturpessimismus, den „Ideen von 1914“, dem Nationalsozialismus, | |
dem Marxismus-Leninismus und einigem anderen abgewirtschafteten | |
Gedankengerümpel den Garaus zu machen. Sie haben mitgearbeitet an dem Land, | |
in dem wir heute leben. Manchmal hat man den Eindruck, die Ideengeschichte | |
ist eine Sammlung von practical jokes, die sich der Weltgeist mit uns | |
erlaubt. | |
## Das Bewusstsein als leeres Blatt Papier | |
Machen wir, um zu erklären, wovon die Rede ist, eine Zeitreise in die USA | |
des späten Thomas Jefferson. Fast alles, was in den ersten Jahrzehnten des | |
vorletzten Jahrhunderts auf amerikanischen Kanzeln und Rednertribünen | |
verkündet oder in Zeitungen, Büchern und Pamphleten veröffentlicht wurde, | |
war geprägt vom sensualistischen Empirizismus der „Harvard Divinity School“ | |
und der unitarischen Kirche. Deren philosophischer Gewährsmann war John | |
Locke gewesen, der im 17. Jahrhundert davon ausging, dass das menschliche | |
Bewusstsein so etwas sei wie ein leeres Blatt Papier, das von den sinnlich | |
gewonnenen Eindrücken im Lauf eines Lebens vollgeschrieben werde. Nihil est | |
in intellectu, quod non sit prius in sensu lautet die Maxime des | |
Sensualismus: der menschliche Geist besteht nur daraus, was zuvor sinnlich | |
wahrgenommen worden ist (nicht also zum Beispiel aus Göttern, Gespenstern | |
und anderen Illusionen). Mit dieser realistischen erkenntnistheoretischen | |
Maxime hatte sich Lockes Einfluss in der Abwehr religiös orthodoxer und | |
politisch autoritärer Traditionen als geistige Grundlage einer | |
demokratischen Republik bewährt. | |
Aber auch in einer Weise verfestigt, die den inneren Bedürfnissen der | |
Gegenwart spätestens um 1830 nicht mehr gerecht wurde. Die Enkel der | |
Revolutionäre von 1776 sehnten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach | |
einer emotionaleren intellektuellen Atmosphäre. Ihr innerer Bewegungsdrang, | |
ihre Selbständigkeitsregungen, ihr Bedürfnis nach eigenem Ausdruck und | |
„Persönlichkeit“ dürsteten nach Inspiration und Begründung. Die verstaub… | |
Hörsäle von Harvard und die vernünftig moderaten Predigten der | |
neuenglischen Geistlichkeit ließen eine romantisch infizierte Generation | |
amerikanischer Intellektueller mit ihren Träumen, Ansprüchen und inneren | |
Erlebnissen allein. Ein Perspektivwechsel wurde notwendig. Die Gründerväter | |
waren intellektuell noch tief im schottischen 18. Jahrhundert zu Hause | |
gewesen. Sie hatten philosophisch, jakobinisch, rationalistisch, | |
sittenstreng gedacht. Die Enkelgeneration wollte poetisch, emotional, | |
libertär fühlen – und in dieser intensiven und romantischen Weise vor allem | |
ihr Leben führen. | |
Philosophische performances | |
Ralph Waldo Emerson, der zum Sprecher und einflussreichsten public | |
intellectual des nachrevolutionären Amerika werden sollte, kam 1803 in | |
einem unitarischen Pfarrhaus in Boston zur Welt. Schon seine | |
Universitätszeit war unorthodox. Von daheim her war nicht allzu viel Geld | |
da. Er verdiente deshalb schon als Student seinen Unterhalt und machte | |
dabei die verschiedensten sozialen Erfahrungen. Er verbrachte Jahre in | |
Florida, wo er sich mit einem Neffen Napoleons anfreundete. Er heiratete, | |
studierte Theologie, wurde unitarischer Prediger in Boston. Aber nach dem | |
Tod seiner ersten Frau wurde unübersehbar, dass ihm auch die liberalen | |
theologischen Maximen und kirchlichen Rituale der neuenglischen Sekten zu | |
eng, zu trocken, zu spießig geworden waren. Er verließ den kirchlichen | |
Dienst, reiste nach Europa, lernte den großen britischen Liberalen John | |
Stuart Mill, die romantischen Dichter Wordsworth, Coleridge und den | |
Historiker Thomas Carlyle kennen (diese Briten waren große Leser Goethes | |
und der deutschen Romantik), ließ sich schließlich in Concord bei Boston | |
nieder und wurde zum Star-Redner des „Lyceum Movements“, einer Art | |
neuenglischen Volkshochschulbewegung. | |
Seine wichtigen Texte – „Nature“, „The American Scholar“, The Over-So… | |
„Self-Reliance“ – sind die nachträgliche schriftliche Ausarbeitung von | |
Vorträgen vor bildungswilligen Zuhörern aller Schichten in den größten | |
Sälen der USA. Diese philosophischen performances glichen weltlichen | |
Predigten und machten Emerson in wenigen Jahren zu einem berühmten und | |
hochbezahlten Weltweisen. Die Natur, die Freiheit, das Individuum, das | |
Leben, die Demokratie, das Vertrauen der oder des Einzelnen auf sich | |
selbst, eine unorthodoxe, pantheistische Frömmigkeit, die auch | |
hinduistische Einflüsse und sogar okkultistische Anregungen nicht | |
verschmähte – all das wurde in Amerika durch Emerson zum Ausgangspunkt | |
eines neuen, modernen Denkens. Und es blieb nicht beim Denken. Die | |
transcendentalists waren praktische und gesellige Leute. In Concord | |
entstand jetzt die erste amerikanische Intellektuellenkolonie. Der Dichter | |
Nathaniel Hawthorne zog her. Der Pädagoge Amos Bronson Alcott ließ sich von | |
Emerson zu demokratischen Erziehungsexperimenten inspirieren. Seine Tochter | |
Louisa schrieb die ersten amerikanischen Kinderbücher. Andere | |
transcendentalists gründeten utopische Kommunen. Der transzendentalistische | |
Anarchist Henry David Thoreau setzte Emersons Naturreligion in ein | |
lebenspraktisches Experiment um, indem er ein Jahr lang in einer Hütte im | |
Wald lebte. | |
## In Deutschland will man fugenlos ableiten | |
So einflussreich Emersons Werk und sein persönliches Beispiel für die | |
gesamte moderne Bewusstseinsgeschichte bis heute sind, so wenig bekannt ist | |
er außerhalb der USA. In Deutschland wird er, nach einer kurzen und | |
flüchtigen Rezeptionsperiode nach dem Krieg, inzwischen so gut wie | |
überhaupt nicht mehr gelesen. Vielleicht hat dieses Missverhältnis zwischen | |
Ruhm und Wirkung gerade bei uns etwas mit dem dezidiert antisystematischen, | |
undogmatischen Freistil zu tun, den Emerson mit seinen öffentlichen | |
Denkexerzitien erfunden und ausgearbeitet hat. In Deutschland will man ja | |
immer alles ganz genau wissen und fugenlos ableiten. Emerson dagegen war | |
nie der Sklave irgendwelcher Prinzipien, seiner eigenen schon gar nicht. | |
Seine Theorien sind so konstruiert, dass sie vor allem einem guten Leben | |
dienen. Sie behaupten – um den Titel eines Aufsatzes des Neopragmatisten | |
Richard Rorty zu zitieren – the priority of democracy to philosophy, also | |
den Vorrang der Demokratie vor der Philosophie. | |
Denn richtiges Leben hat mit folgerichtigem Denken weniger zu tun, als man | |
jahrhundertelang angenommen hat (und hier weiterhin annimmt): das ist die | |
revolutionäre Einsicht des New England Transcendentalism. Wenn eine | |
folgerichtige Idee dem richtigen Leben im Weg steht, fand Emerson, sollte | |
man sie über Bord werfen. In Russland und in Deutschland, wo man im | |
vergangenen Jahrhundert nie mit der Wimper gezuckt hat, Ideen zur | |
Begründung von Massenmorden und Weltkriegen heranzuziehen, ist diese | |
Einsicht erstaunlich, fast provozierend. | |
Und Emerson war in dieser Hinsicht wirklich radikal. | |
Selbstwidersprüchlichkeit ist für ihn geradezu der Ausweis von menschlicher | |
und politischer Größe. „Eine unvernünftige Konsequenz ist der Plagegeist | |
und das Schreckgespenst aller kleinen Geister, angebetet von den kleinen | |
Staatsmännern, Philosophen und Geistlichen. Mit Konsequenz hat eine große | |
Seele einfach nichts zu tun. Ebenso wichtig wäre es, sich um seinen | |
Schatten an der Wand zu kümmern. Sprich, was du heute denkst, in harten | |
Worten, und morgen sprich, was du morgen denkst, wieder in harten Worten, | |
und wenn du jedes Wort des heut Gesprochenen widerrufen müsstest. – ‚Ja, | |
aber dann wirst du sicherlich missverstanden werden.‘ – Ist es denn so | |
schlimm, missverstanden zu werden? Pythagoras wurde missverstanden und | |
Sokrates und Jesus und Luther und Kopernikus und Galileo und Newton und | |
jeder reine und weise Geist, der hienieden jemals zu Fleisch ward. Groß | |
sein heißt missverstanden werden.“ | |
## Setzten auf die Selbsttätigkeit des Individuums | |
Tatsächlich ist sogar der Name der revolutionären Denkbewegung, die von | |
Concord ihren Ausgang nahm, das Dokument eines produktiven | |
Missverständnisses. Der Begriff „transzendental“ stammt aus der Philosophie | |
Immanuel Kants, der im Gegensatz zu dem bereits erwähnten Sensualismus | |
annahm, dass es Erkenntnis gebe, die gerade nicht in sensu gewesen sein | |
kann. Er postulierte, dass Kategorien wie Raum, Zeit, Kausalität, | |
Möglichkeit und Notwendigkeit, Qualität und Quantität, die sogenannten | |
Fundamentalkategorien, angeborene – oder eben, wie er es nannte, | |
„transzendentale“ – Denkformen seien. Dieses erkenntnistheoretische Motiv | |
missverstanden Emerson und seine Freunde, die sich zu Beginn der dreißiger | |
Jahre des 19. Jahrhunderts in einem „Transcendentalist Club“ | |
zusammengeschlossen hatten, in romantischer inconsistency als Ermutigung | |
der intellektuellen und lebenspraktischen Selbsttätigkeit des Individuums, | |
auf die es ihnen ankam und die sie der Philosophie der Gründerperiode | |
entgegensetzten. | |
Was aus Kants Begriff des „Transzendentalen“ in Neuengland wurde, ist ein | |
klassisches Varnedoe’sches Missverständnis. Aber das macht ja nichts. Es | |
kommt ja auf die Resultate an. Eine auf Emerson folgende Generation von | |
Philosophen, Psychologen, Pädagogen, Juristen und Politologen organisierte | |
sich in Boston um William James (den Bruder des Romanciers Henry James), | |
den späteren Verfassungsrichter Oliver Wendell Holmes und den Mathematiker | |
Charles Sanders Peirce (den Bertrand Russell für den größten amerikanischen | |
Denker hielt) in einem „Metaphysical Club“. Sie entwickelten die | |
transzendentalistische Denkbewegung weiter und brachten den amerikanischen | |
Denkstil des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts hervor, den „American | |
Pragmatism“. Wie Emerson bedienten sich die „Pragmatists“ für ihre Proje… | |
und Gedankengebäude im Arsenal der europäischen Tradition wie in einem | |
philosophischen Baumarkt, statt sich von den großen europäischen Figuren | |
und Büchern einschüchtern zu lassen. Dieses lässige und gelegentlich | |
hemdsärmelige Denken nimmt nicht abstrakte Prinzipien, sondern konkretes | |
Leben zum Ausgangspunkt. Ursprung und Ziel des Denkens wurde in Amerika ab | |
jetzt endgültig „the infinitude of the private man“ (die Formulierung | |
stammt von Emerson), also eben nicht mehr die Unendlichkeit Gottes oder des | |
Universums, sondern des eigenen Lebens. | |
Und auch diese revolutionäre „Kehre“ ist ursprünglich deutschen Ursprungs. | |
Sie inspirierte sich nämlich am Werk und an der Figur Johann Wolfgang von | |
Goethes, auf den sich schon Ralph Waldo Emerson und seine Nachfolger | |
durchgehend bezogen haben. Goethe ist ja für die deutsche Tradition | |
insofern völlig untypisch gewesen, als er zwar ein Zeitgenosse der | |
klassischen deutschen Philosophie und ihres lückenlosen Ableitungsfurors | |
gewesen ist, das alles aber nie so recht ernst nehmen mochte. „Propheten | |
rechts, Propheten links, das Weltkind in der Mitten“ – so konnte er seine | |
Stellung in den intellektuellen Debatten der Zeit beschrieben. | |
Schiller war im späteren 19. Jahrhundert unter anderem deshalb der viel | |
glaubwürdigere Kandidat für die Planstelle des Nationaldichters, weil er | |
als typischer und eifriger fellow traveller der deutschen Philosophie mit | |
seinen kunstphilosophischen Schriften zu den fiebrigen und esoterischen | |
deutschen Denkbewegungen der Zeit prominent beigetragen hat. Goethe hat | |
gegenüber all dem eine individualistische, undogmatische, pantheistische, | |
naturreligiöse, unpolitische – eben dem Leben zugewandte – Position | |
bezogen. Übrigens (und damit zusammenhängend) hielt er auch geflissentlich | |
Abstand von der nationalrevolutionären Bewegung, die sich – etwa bei Johann | |
Gottlieb Fichte – mit der klassischen deutschen Philosophie eng verbündet | |
hatte. „Höchstes Glück der Erdenkinder“, schrieb er stattdessen, „ist d… | |
die Persönlichkeit“. Dieses Zitat könnte („the infinitude of the private | |
man“) von Emerson sein. | |
## Eine Art amerikanisches Weimar | |
Später freilich wurde in Deutschland dann auch der Dichter Goethe als | |
nationaler Führer bestellt. Und während dieser pantheistische Individualist | |
in der Nazizeit gegen alle seine Intentionen der inneren Wehrertüchtigung | |
dienen musste, verwirklichte sich in Amerika mit dem Werk des Pragmatisten | |
John Dewey eine experimentelle, demokratische, undogmatisch dem Leben, dem | |
Individuum und der Welt zugewandte Weiterentwicklung der | |
klassisch-romantischen deutschen Kunstperiode, die im „Black Mountain | |
College“ ein praktisches Versuchsfeld fand und mit der die Generation | |
unserer Eltern nach dem Krieg, verblüfft und befreit, eine Weile lang | |
folgenreiche Bekanntschaften gemacht hat. | |
The rest is history, nämlich unsere. Man muss im Grunde auch gar keine | |
philosophiegeschichtlich aufwendige Zeitreise unternehmen, um ein konkretes | |
Gefühl für das Langstrecken-Frisbee hin und her über den Atlantik zu | |
bekommen, das im 19. Jahrhundert zwischen Deutschland und Amerika gespielt | |
worden ist. Ein Flugticket reicht. Wer sich dann in Boston ein Auto mietet | |
und eine Stunde nach Nordwesten fährt, kommt in eine Art amerikanisches | |
Weimar, nach Concord/Massachusetts. Man kann dort in Ralph Waldo Emersons | |
Studierzimmer stehen und an Goethes Haus am Weimarer Frauenplan denken. | |
Der Hausstand des amerikanischen Goethe ist viel bescheidener, die | |
Behausung einer fast studentisch-wohngemeinschaftsartigen | |
Patchwork-Familie. Man kann um den in Herbstfarben leuchtenden oder | |
frühlingsgrünen Walden-Pond wandern, wo die Hütte Henry David Thoreaus | |
stand, des amerikanischen Werthers. Man wird erstaunt darüber sein, wie nah | |
Thoreaus angebliche Wildnis bei Concord liegt, nicht weiter als einen | |
Spaziergang vom Stadtzentrum entfernt. Und man wird geradezu geschockt sein | |
zu erfahren, dass die Bahnlinie, die hundert Meter entfernt vom ehemaligen | |
Standort der Hütte Thoreaus durch den Wald fährt, schon damals in Betrieb | |
war. | |
## Die amerikanischen Goethe-Fans in Concord | |
Thoreaus und Emerson Anbetung der ungezähmten Natur, das sieht man in | |
Concord mit eigenen Augen, hatte etwas Spielerisches und Ironisches. Fast, | |
als hätten sich die beiden mit uns Deutschen und unserem geliebten Werther | |
einen Jux gemacht. Passen würde es zu ihnen. Dann steht man in der Küche | |
des Pfarrhauses, das erst Emerson gehörte und das Nathaniel Hawthorne | |
später gemietet hat. Hawthorne war der Christoph Martin Wieland von | |
Concord. Emerson und er haben später kaum mehr ein Wort miteinander | |
gewechselt. Man geht durch die Kinderzimmer der Alcotts, wo Louisa Alcotts | |
Jugendbücher „Little Women“ und „Little Men“ spielen und wo ihr Vater,… | |
große Philosoph, Pädagoge und Utopist, nach den Kindern schaute. | |
Hier in Concord hatte sich eine Gruppe von amerikanischen Goethe-Fans im | |
frühen 19. Jahrhundert vorgenommen, eine nationale Kultur zu schaffen, die | |
sich um den Begriff der Persönlichkeit und der Demokratie kristallisieren | |
sollte. Eigentlich ist Amerika hier in Concord erfunden worden. Man kann | |
das Land ohne die Anregungen aus Deutschland nicht verstehen. Concord, der | |
Neuenglische Transzendentalismus und der American Pragmatism stellen | |
seither ein gemeinsames Kulturerbe dar, das wir mit Amerika, so sehr es uns | |
politisch und kulturell manchmal ärgert, unwiderruflich und für immer | |
teilen. | |
Wir haben um 1830 herum eine Tradition in die Fremde hinausgeschickt, die | |
zu Hause schon in Vergessenheit geraten war und nicht mehr recht geschätzt | |
wurde und die jetzt manchmal zu uns zurückkommt – ein bisschen | |
missverstanden zwar, aber wiederbelebt und fruchtbar. Die germanophilen | |
amerikanischen Revolutionäre Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau, Amos | |
Bronson Alcott, William James und James Dewey sind in Deutschland immer | |
noch zu entdecken. | |
3 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Stephan Wackwitz | |
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