# taz.de -- Degrowth-Ökonom über Transformation: „Auf Welt ohne Wachstum ei… | |
> Deutschland braucht ein anderes Wohlstandsdenken, fordert Niko Paech. Die | |
> Industrie einfach auf erneuerbare Energien umzustellen sei keine Lösung. | |
Bild: Viel Wind um Wachstum: Für seine grüne Transformation benötigt Deutsch… | |
taz: Herr Paech, die Bundesregierung hat im Jahreswirtschaftsbericht ihre | |
Prognose gesenkt. Demnach wird [1][die deutsche Wirtschaft dieses Jahr nur | |
um 0,2 Prozent wachsen]. Wie schlecht ist die Lage? | |
Niko Paech: Will man das aktuelle Wohlstandsmodell mit der Brechstange | |
retten, dann ist es natürlich eine schlechte Nachricht, wenn die Wirtschaft | |
nicht so schnell wächst. | |
Das klingt so, als ob Sie eine Konjunkturflaute für weniger schlimm halten | |
als die meisten Wirtschaftskommentatoren. | |
Wenn die Erde für künftige Generationen erhalten werden soll, ist Wachstum | |
keine Option, zumal es der Natur den letzten Rest gibt. Die Gesellschaft | |
sollte sich schrittweise auf eine Welt ohne Wachstum einstellen. | |
Forderungen nach Steuersenkungen für die Wirtschaft, wie sie zum Beispiel | |
Finanzminister Christian Lindner mit der Abschaffung des Soli ins Spiel | |
gebracht hat, lehnen Sie dann vermutlich auch ab? | |
Unternehmen haben jahrzehntelang nicht für ihren ökologischen Verbrauch | |
zahlen müssen. Sie nun [2][obendrein mit Steuervergünstigungen zu pampern] | |
ist nicht zu rechtfertigen. Stattdessen sollten Maßnahmen ergriffen werden, | |
die eine Verkleinerung des Industrie- und Verkehrsbereichs sozial abfedern. | |
Warum ist Wirtschaftswachstum Ihrer Meinung nach schlecht? | |
Alle Versuche, Wachstum von ökologischen Schäden abzukoppeln, sind nicht | |
nur gescheitert, sondern schlagen inzwischen sogar ins Gegenteil um. Sich | |
um eine Reduktionsstrategie herumdrücken zu wollen entspricht einer | |
Konkursverschleppung. | |
In der aktuellen Diskussion geht es auch um die Frage, wie die | |
sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Sind Sie auch gegen | |
Maßnahmen, die Unternehmen befähigen, klimaneutral zu produzieren? | |
Natürlich nicht, aber es geht nicht allein um Klimaziele, sondern auch um | |
Artenvielfalt, Naturgüter und Flächenverbrauch. Deshalb reicht es nicht | |
aus, die Industrie einfach nur auf Erneuerbare umzustellen, sie muss auch | |
graduell zurückgebaut werden. | |
Ist es nicht besser, [3][wenn ThyssenKrupp mit grünem Wasserstoff statt mit | |
fossilen Energieträgern Stahl produziert]? | |
Wo die Flächen und der Wind herkommen sollen, um das aktuelle | |
Industriesystem auf Wasserstoff umzustellen, kann niemand beantworten. | |
Deshalb läuft diese Strategie auf eine Brechstange hinaus, mit der gegen | |
den Rest an Natur und Landschaften angegangen wird, gemäß dem Motto „Der | |
Zweck heiligt die Mittel“. Überdies soll der motorisierte | |
Individualverkehr, der Güterverkehr, die Beheizung der Häuser | |
elektrifiziert werden. Daneben mausert sich die Digitalisierung ungebremst | |
zu einem der größten Stromverbraucher. | |
Und ein Rückbau der Industrie wäre Ihrer Meinung nach die Lösung? | |
Zunächst gilt es, den Lebensstil unabhängiger von Industrieproduktion | |
werden zu lassen, nämlich durch eine partielle Selbstversorgung in Form von | |
Reparatur, Instandhaltung, achtsame Verwendung, Gemeinschaftsnutzung und, | |
wo immer möglich, durch eine Mitwirkung an der Produktion wie bei Solawis. | |
Das spart nicht nur Energie, Ressourcen und Abfall, sondern hat den | |
indirekten Effekt, Verkehre zu reduzieren. Eine Verdopplung der | |
Nutzungsdauer halbiert den Güterverkehr. Derzeit scheinen die Straßen fest | |
in der Hand von DHL, GLS, DPD, Amazon und Hermes zu sein. Klimaschutz geht | |
anders. | |
Eine Verkleinerung der Industrie würde aber gutbezahlte Jobs kosten. | |
Der Bedarf an Einkommen würde sinken, wenn die Versorgung weniger von Geld | |
als eigenen und in Netzwerken organisierten Leistungen abhängt. Folglich | |
müsste weniger gearbeitet werden, sodass Vollbeschäftigung auf Basis | |
verkürzter Arbeitszeiten auch in einer kleineren Ökonomie möglich wäre. Es | |
kommt also zuvorderst auf die Nachfrageseite an. | |
Können Sie das weiter präzisieren? | |
Eine Verringerung der Reiseaktivitäten und des Konsums hat nicht nur den | |
Zweck, die ökologische Belastung zu mildern, sondern schlicht weniger Geld | |
zu benötigen. Die Pointe besteht darin, nicht das Wachstum von Ressourcen | |
zu entkoppeln, was schlicht unmöglich ist, sondern ein gutes Leben vom | |
Geld, folglich vom Wachstum zu entkoppeln. | |
[4][Reiche haben einen größeren ökologischen Fußabdruck als arme | |
Haushalte]. Geht es da nicht auch um eine andere Verteilung des | |
gesellschaftlichen Reichtums? | |
Über eine Verkürzung und Umverteilung der Arbeitszeit kann vieles | |
aufgefangen werden. Gleichzeitig wäre eine Vermögensteuer ratsam und eine | |
konsequente Einschränkung jener Aktivitäten, die ökologisch ruinös sind und | |
vor allem von höheren Einkommensklassen praktiziert werden. | |
Welche Maßnahmen könnten schon heute umgesetzt werden? | |
Sinnvoll wäre ein Förderprogramm für Architekten, die, statt neue Häuser zu | |
bauen, die Haushalte nach Energieeinsparpotenzialen durchkämmen. Weiterhin | |
bräuchte es in jeder Kommune ein Postwachstumsmanagement, um Lernorte, | |
Subsistenzprojekte und vor allem Ressourcenzentren zu unterstützen. Dort | |
können Menschen Versorgungspraktiken erproben, die sie mit weniger Geld | |
auskommen lassen. | |
22 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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