| # taz.de -- DIW-Ökonom über Vermögensteuer: „Bis zu 17 Milliarden Euro“ | |
| > Mit einer Steuer auf Vermögen könnten viele Haushaltslöcher gestopft | |
| > werden – selbst wenn sie nur für Superreiche gilt, sagt Experte Stefan | |
| > Bach. | |
| Bild: Vermögen könnten mit Marktwert besteuert werden: Teure Immobilien auf S… | |
| taz: Herr Bach, die Ampel streitet wieder über den Haushalt. Laut | |
| Finanzminister Christian Lindner fehlen immer noch 5 Milliarden Euro. | |
| Gleichzeitig wird national wie auch international wieder vermehrt über eine | |
| stärkere Besteuerung großer Vermögen diskutiert. SPD-Fraktionschef Rolf | |
| Mützenich brachte die Vermögensteuer jüngst als Wahlkampfthema ins | |
| Gespräch, Brasiliens Präsident Lula schlug beim [1][G20-Gipfel eine globale | |
| Besteuerung von Superreichen] vor. Wie realistisch sind solche Pläne? | |
| Stefan Bach: Dazu müssten Deutschland und die Vereinigten Staaten ihren | |
| Widerstand gegenüber diesen Plänen aufgeben. Wenn die USA und die EU sich | |
| einig sind, dann können sie genug Druck auf andere Staaten aufbauen, dabei | |
| mitzumachen. Die Fortschritte beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und bei | |
| der internationalen Unternehmensbesteuerung zeigen, dass auch eine globale | |
| Mindeststeuer für Superreiche durchaus möglich ist. Sicher nicht in den | |
| nächsten Jahren, aber vielleicht in 10 bis 20 Jahren. | |
| taz: Was müsste sich ändern, damit in Deutschland wieder eine | |
| Vermögensteuer erhoben wird? | |
| Bach: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vermögensteuer 1995 für | |
| verfassungswidrig erklärt, weil Immobilienbesitz viel besser gestellt wurde | |
| als andere Vermögensarten. Die damalige Regierung unter Helmut Kohl tat | |
| nichts und ließ die Steuer einfach auslaufen, weil sie die sowieso | |
| abschaffen wollte. Die Vermögen müssten einfach nur konsequent mit ihrem | |
| Marktwert bewertet werden. Die Reform der Erbschaftsteuer von 2009 zeigt, | |
| dass das möglich ist. Diese Bewertungsregeln kann man leicht für die | |
| Vermögensteuer übernehmen. | |
| taz: Die FDP behauptet, dass eine Wiedererhebung der Vermögensteuer sich | |
| nicht lohnt, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen würde. | |
| Bach: Das ist ein alter Steuer-Mythos, der schon bei der alten | |
| Vermögensteuer nicht stimmte. Man will ja nur reiche Haushalte besteuern | |
| und Normalvermögen von der Steuer ausnehmen. Dann liegt der geschätzte | |
| Verwaltungsaufwand je nach Ausgestaltung bei 3 bis 8 Prozent der Einnahmen. | |
| Das ist ungefähr dieselbe Größenordnung wie bei der Einkommens- oder | |
| Körperschaftsteuer. | |
| taz: Das Netzwerk Steuergerechtigkeit und die Organisation Oxfam haben | |
| kürzlich berechnet, dass die Aussetzung der Vermögenssteuer den Fiskus | |
| [2][rund 380 Milliarden Euro] gekostet hat. Halten Sie diese Summe für | |
| realistisch? | |
| Bach: Auch das hängt von der genauen Ausgestaltung ab. Die alte | |
| Vermögensteuer erzielte 1996 ein Aufkommen von 0,24 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts. Hätte man nur dieses Niveau weiter geführt, wären | |
| seitdem 190 Milliarden eingenommen worden. Aber die Vermögen sind stärker | |
| gestiegen als die Einkommen. Und hätte man Steuerbegünstigungen und | |
| Freibeträge nicht zu hoch angesetzt, wäre mit einem Steuersatz von 1 | |
| Prozent sicher ein höheres Aufkommen entstanden. | |
| taz: Wie würde eine zeitgemäße Ausgestaltung der Vermögensteuer aussehen? | |
| Bach: Man sollte mindestens einen persönlichen Freibetrag von einer Million | |
| Euro einziehen. Dann wären auch gehobene Privatvermögen selbst bei | |
| Eigenheimen in Ballungszentren von der Steuer befreit. Es würde nur das | |
| reichste eine Prozent besteuert, also gut 400.000 Haushalte in Deutschland. | |
| Bei einem Steuersatz von 1 Prozent könnte der Fiskus jährlich bis zu 35 | |
| Milliarden Euro einnehmen. | |
| taz: Und wenn nur die absolut Superreichen besteuert werden sollen? | |
| Bach: Denen wollen die Brasilianer jährlich 2 Prozent des Vermögens | |
| abknöpfen, wenn sie keine Einkommensteuer auf ihre Vermögenserträge zahlen, | |
| was sie ja zumeist nicht tun. Die durchaus nachvollziehbare Idee dabei ist, | |
| dass auch Superreiche auf ihre Riesen-Vermögenserträge einen Steuersatz | |
| mindestens in der Höhe zahlen sollen wie Besserverdienende auf ihre | |
| Arbeitseinkommen. Von den sogenannten Centimillionären in Deutschland, also | |
| Menschen mit mehr als 100 Millionen Euro, könnte man damit potenziell bis | |
| zu 17 Milliarden Euro im Jahr einnehmen. | |
| taz: 17 Milliarden Euro – so groß war anfangs das Haushaltsloch für | |
| nächstes Jahr, das die Ampel gestopft hat. Nun fehlen laut Lindner doch | |
| wieder 5 Milliarden Euro. Gleichzeitig streitet sich die Koalition über die | |
| Schuldenbremse. SPD und Grüne wollen sie aufweichen, die FDP ist vehement | |
| dagegen. Wenn die Wiedereinführung der Vermögensteuer so viel Geld bringt, | |
| macht sie das nicht wahrscheinlicher als die Reform der Schuldenbremse? | |
| Bach: Nein. Die nächste Bundesregierung wird die Schuldenbremse für | |
| sogenannte Zukunftsinvestitionen moderat aufweichen, egal ob Schwarz-Rot | |
| oder Schwarz-Grün. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, denn auch | |
| in der Union mehren sich die Forderungen danach. | |
| taz: Warum ist die Wiedererhebung der Vermögensteuer nicht | |
| wahrscheinlicher? | |
| Bach: Die Vermögensteuer ist ein rotes Tuch für Konservative und | |
| Neoliberale. Die Wirtschaftsverbände malen den Untergang des | |
| Wirtschaftsstandorts Deutschland an die Wand. Das ist lobbyistisch | |
| überzeichnet, aber Gefahren für Investitionen und Beschäftigung im Inland | |
| sind nicht von der Hand zu weisen. Daher muss man die Vermögensteuer | |
| international koordinieren, wie es die Brasilianer vorschlagen. | |
| taz: Anders als bei der Wiedererhebung der Vermögensteuer bräuchte es bei | |
| der [3][Aufweichung der Schuldenbremse] aber eine Zweidrittelmehrheit, da | |
| sie im Grundgesetz steht. | |
| Bach: Für die Wiedererhebung der Vermögensteuer braucht man Mehrheiten in | |
| Bundestag wie auch im Bundesrat, weil den Ländern die Einnahmen zustehen. | |
| Das geht auf absehbare Zeit nur mit der Union. Die Vermögensteuer | |
| abzulehnen, steckt inzwischen tief in deren steuerpolitischer DNA. Einer | |
| Erhöhung der Vermögensteuer hat sie zuletzt vor über 50 Jahren im Bundesrat | |
| zugestimmt, da war Willy Brandt Bundeskanzler. | |
| 5 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simon Poelchau | |
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