| # taz.de -- Investitionen in Erneuerbare: Schuldenbremse hilft Klimaschutz | |
| > Weil sie klimaschädliche Investitionen verhindert, unterstützt die | |
| > Schuldenbremse den Klimaschutz. Gelder gäbe es genug, sie müssten nur | |
| > klüger ausgegeben werden. | |
| Bild: Solange der Flug billiger ist als die Bahnfahrt, werden der Bahn Kunden f… | |
| Dass konservative Ökonomen die Auflösung der Schuldenbremse verlangen, | |
| verwundert nicht: Sie wollen einfach so weitermachen wie bisher. Der Staat | |
| soll mit seiner Investitionstätigkeit der schwächelnden Wirtschaft auf die | |
| Beine helfen und Wirtschaftswachstum generieren. Michael Hüther, Chef des | |
| konzernfreundlichen Instituts der deutschen Wirtschaft, begründete das in | |
| der taz mit der „Dekarbonisierung“: „Rund 200 Millionen veranschlagen wir | |
| für öffentliche Investitionen in den Klimaschutz“. | |
| Überraschenderweise fordern linke Ökonomen das Gleiche: Für mehr | |
| Klimaschutz müsse die Schuldenbremse aufgehoben werden, so der Linke Rudolf | |
| Hickel. „Die aktuellen Herausforderungen – aufgrund der Klimanotlage, aber | |
| auch der anderen Krisen – lassen sich unter dem Regime der Schuldenbremse | |
| fiskalisch nicht bewältigen.“ Was ist da los? | |
| Klimaschutz bedeutet weniger: weniger Treibhausgase. Weniger Zersiedelung, | |
| weil unbebauter Boden Kohlendioxid speichert, der frei wird, wenn dort ein | |
| Parkplatz entsteht. Weniger landwirtschaftlich genutzte Fläche, weil beim | |
| Umbruch der Bodenkrume Treibhausgas emittiert wird. | |
| Weniger Fleisch, weniger Tempo auf der Autobahn, weniger Flüge, weniger | |
| Energieverbrauch, weniger Konsum, vor allem weniger Ressourceneinsatz. Nur | |
| wenn wir weniger von allem nutzen, besteht die Chance, die gefährlichen | |
| Kippelemente im Weltklimasystem stabil zu halten. | |
| ## Mehr ist Weniger? | |
| Stellt sich die Frage: Können wir dieses „Weniger“ durch den Einsatz von | |
| mehr Geld erreichen? Natürlich könnte der Staat einen staatseigenen | |
| Energiekonzern gründen, der massiv in die Erneuerbaren investiert. Genau | |
| solch einen Konzern hat die Ampel schließlich bereits gegründet, um die | |
| Infrastruktur für verflüssigtes Erdgas aufzubauen: Die bundeseigene | |
| Deutsche Energy Terminal GmbH betreibt Terminals in Stade, Brunsbüttel und | |
| Wilhelmshaven, damit die Fossilkonzerne weiter Gewinne machen können. | |
| Sollte man also die Schuldenbremse auflösen, damit der Staat massiv in | |
| Windkraft, Speichertechnologie, Stromnetze oder die energetische Sanierung | |
| von bundeseigenen Immobilien investiert? Mit der FDP ist das zwar aktuell | |
| nicht machbar, zweifelsfrei dennoch ein verlockender Gedanke. Denn zum | |
| Klimaschutz gehören auch einige „Mehr“. | |
| Also auch mehr Geld für den emissionsfreien Umbau der Wirtschaft? Hier | |
| sollten Ökonomen stutzen. Denn solche Programme sind sinnlos, solange die | |
| politischen Rahmenbedingungen die gleichen bleiben. Vattenfall hat am | |
| Standort Schwarze Pumpe genau so lange in die Erforschung der Abscheidung | |
| von Treibhausgasen investiert, wie es dafür Fördermittel gab. Die Deutsche | |
| Post hat genau so lange in E-Autos investiert, wie der Steuerzahler | |
| blechte. Solange fossiler Stahl vom Gesetzgeber nicht teurer als grüner | |
| Stahl gemacht wird, endet mit dem letzten Förder-Euro seine | |
| klimafreundliche Entwicklung. | |
| Es sind die Rahmenbedingungen, die Klimaschutz voranbringen: Solange es ein | |
| Dienstwagenprivileg gibt, wird es im Verkehr nicht vorangehen. Solange | |
| der Flug billiger ist als die Bahnfahrt, werden der Bahn Kunden fehlen. | |
| Wenn die deutsche Fleischindustrie [1][mit Milliarden subventioniert wird], | |
| darf man sich nicht wundern, wenn die Landwirtschaft keine | |
| klimaverträglichen Alternativen entwickelt. | |
| ## 457 Milliarden sollten reichen | |
| Braucht es mehr Geld für Förderprogramme, damit die private Transformation | |
| gelingt? Natürlich ist das hilfreich, um den deutschen Sparfuchs zu | |
| animieren, die Heizung klimafreundlich umzurüsten, ein Balkonkraftwerk | |
| anzuschaffen, den Umstieg auf Elektroautos zu beschleunigen. Aber brauchen | |
| wir dafür eine Auflösung der Schuldenbremse? | |
| Mehr als 457 Milliarden Euro hat der Bund in diesem Jahr verplant, seit dem | |
| Covid-Jahr 2021 und dem Angriff auf die Ukraine sind die Ausgaben auf einem | |
| Rekordniveau. Laut Erhebung des Instituts für Weltwirtschaft ist [2][fast | |
| jeder vierte Euro eine Subvention], ein Großteil davon ist nach | |
| Einschätzung des Umweltbundesamtes [3][klimaschädlich]. Geld für | |
| Klimaschutz wäre also da: Eine linke Position kann daher nicht sein, immer | |
| mehr auszugeben, sondern eine Umverteilung zu organisieren – sozial und | |
| klimagerecht. | |
| Sicherlich ist es nicht ratsam, jede klimaschädliche Subvention sofort | |
| abzuschaffen. Beispielsweise ist die Förderung des sozialen Wohnungsbaus | |
| extrem klimaschädlich, solange dieser noch mit Beton und Ziegeln arbeitet. | |
| Die Wohnungsnot ist in vielen Großstädten ein akuteres Problem als die | |
| langsam einsetzenden Klimaschäden. Dass es genügend Geld im bundesdeutschen | |
| Finanzsystem gibt, um auch den Baubereich zukunftstauglich zu machen – | |
| beispielsweise durch Holz als Baustoff –, zeigt ein Blick auf den Klima- | |
| und Transformationsfonds der Bundesregierung: 2023 wurden laut | |
| Bundesrechnungshof nur 56 Prozent der dort veranschlagten Mittel | |
| ausgegeben, fast 16 Milliarden Euro sind noch übrig. | |
| ## Spielraum für die Zukunft erhalten | |
| Wer jetzt die Schuldenbremse für den Klimaschutz aufheben will, der will | |
| keinen Klimaschutz! Denn für eine nachhaltige Politik müssen verfügbare | |
| Ressourcen nach Klimagesichtspunkten klüger ausgegeben werden. | |
| Deutschlandticket und Tankrabatt, E-Auto-Prämie und Dieselprivileg, | |
| Förderung des Balkonkraftwerks und Subvention des Braunkohlebergbaus: | |
| Derlei Politik bringt nichts auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft – | |
| außer, dass wir den kommenden Generationen ihren Spielraum verkleinern, | |
| sich an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können. | |
| Im Gegenteil: Wir müssen jetzt die Schuldenbremse jedes Jahr um 1 Prozent | |
| anziehen, damit unsere Kinder und Enkel genug Finanzmittel zur Verfügung | |
| haben, um sich einst an den steigenden Meeresspiegel, die Hitze- und | |
| Dürrewellen, neue Krankheiten und notwendige neue Siedlungsstrukturen, den | |
| Verlust der Wirtschaftskraft und Produktivität, die Missernten und die Flut | |
| an Jahrhundertfluten anpassen zu können. | |
| 9 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/24116-rtkl-billiges-fleisch-studie-… | |
| [2] https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-impo… | |
| [3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen… | |
| ## AUTOREN | |
| Nick Reimer | |
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