# taz.de -- Coronaschutz im Nahverkehr: Redeverbot in Bus und Bahn? | |
> Bund und Länder beraten über Coronaschutz im ÖPNV. Verkehrsbetriebe | |
> halten ein Sprechverbot für sinnvoll, um die Aerosolausbreitung zu | |
> verringern. | |
Bild: Berliner U-Bahn zu Stoßzeiten: Immer noch sehr, sehr voll | |
Berlin taz | Ein „Sprechverbot“ in Bussen und Bahnen, um die Ausbreitung | |
des Coronavirus zu verringern – das schlägt der Verband Deutscher | |
Verkehrsunternehmen (VDV) vor. Der Einführung einer FFP2-Maskenpflicht | |
steht der Verband, in dem 600 Unternehmen aus dem öffentlichen Personen- | |
und Schienengüterverkehr organisiert sind, dagegen kritisch gegenüber. | |
Bei der Runde der Ministerpräsident:innen und der Bundeskanzlerin am | |
Dienstag stehen neben der Frage einer nächtlichen Ausgangssperre zur | |
Eindämmung der Coronapandemie unter anderem weitere bundesweit einheitliche | |
Vorgaben für den Einzelhandel und den öffentlichen Verkehr auf der | |
Tagesordnung. Meldungen über eine Schließung des ÖPNV hat die | |
Bundesregierung bereits klar dementiert. | |
[1][Vorbild für neue Regeln dürfte Bayern sein.] Dort gilt im Einzelhandel | |
für Kund:innen und in Bussen und Bahnen die Pflicht zum Tragen einer | |
FFP2-Maske. Diese Masken bieten weitaus mehr Schutz als eine einfache | |
Bedeckung. Beschäftigte im Handel müssen – außer hinter Plexiglas sitzende | |
Kassierer:innen – einen [2][Mund-Nasen-Schutz] tragen, aber keine | |
FFP2-Maske. In Berlin dagegen müssen Beschäftigte in Supermärkten bislang | |
keinerlei Maske tragen. | |
Im Nahverkehr liegt die Zahl der Fahrgäste nach Angaben des VDV bundesweit | |
zurzeit bei 30 bis 40 Prozent des üblichen Aufkommens. Das entspricht rund | |
14 Millionen Fahrten täglich. Im Berufsverkehr sind überfüllte Busse und | |
Bahnen weiterhin keine Seltenheit. Zwar ist in öffentlichen Verkehrsmitteln | |
[3][das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung obligatorisch], aber die Qualität | |
ist nicht vorgeschrieben. | |
## In Spanien gbt es das Schweigegebot schon | |
Eine FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen hält der VDV nicht für den | |
richtigen Schritt. Zum einen sei nicht kontrollierbar, ob Fahrgäste die | |
richtige Maske hätten. Außerdem würde der Schutz möglicherweise in anderen | |
Bereichen fehlen. Nach Berechnungen des VDV würden im Monat mehr als 100 | |
Millionen FFP2-Masken gebraucht, wenn die bayerische Regel bundesweit | |
ausgedehnt würde. Wie die Versorgungslage in Deutschland ist, ist unklar. | |
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) | |
etwa fürchtet Engpässe, während Apotheker:innen eher Entwarnung geben. | |
Für sinnvoller als eine FFP2-Maskenpflicht hält der VDV das Verbot für | |
Fahrgäste in Bussen und Bahnen, sich zu unterhalten oder zu telefonieren. | |
„Die Vermeidung von Gesprächen miteinander und per Telefon wäre eine | |
weitere Möglichkeit, um die Aerosolausbreitung zu verringern“, so | |
VDV-Präsident Ingo Wortmann. In Spanien gab es bereits im Herbst die | |
Empfehlung der Regierung, in Bussen und Bahnen zu schweigen. Die | |
Regionalregierung der Balearen hat mittlerweile das Reden in Bussen und | |
Bahnen auf Mallorca untersagt. | |
Der Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält eine | |
FFP2-Maskenpflicht für den ÖPNV für weitaus wichtiger als ein | |
„Sprechverbot“. „Wichtig ist, die FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen | |
Verkehr einzuführen“, sagte er der taz. Lauterbach fordert, dass Ärmere | |
Gratismasken bekommen. Dass in Bussen und Bahnen weniger gesprochen wird, | |
hält er für sinnvoll, weil beim Sprechen sehr viel mehr Aerosole | |
ausgestoßen werden als beim einfachen Atmen. Seiner Auffassung nach würde | |
es reichen, in Bussen und Bahnen Schilder aufzuhängen mit einem | |
entsprechenden Hinweis und der Bitte, nicht zu sprechen. | |
## Obergrenze für Fahrgäste | |
Gesundheitsexperte Lauterbach plädiert dafür, eine Obergrenze für die | |
Anzahl von Fahrgästen in Bussen und Bahnen einzuführen, um den Virus weiter | |
einzudämmen. Festlegen müssten diese Grenze Verkehrsexperten, sagte er. Der | |
VDV lehnt die Einführung so einer Obergrenze ab. „Damit würde das System | |
nicht mehr funktionieren“, sagte VDV-Sprecher Lars Wagner. Busse zum | |
Beispiel müssten bei Erreichen der Obergrenze an Haltestellen vorbeifahren | |
oder könnten bei einer Überschreitung erst starten, wenn Fahrgäste | |
ausgestiegen seien. So seien Fahrpläne nicht einzuhalten. | |
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht eine Obergrenze im ÖPNV | |
kritisch. „Wir sind auf die Beschäftigten der systemrelevanten Branchen | |
angewiesen, es muss sichergestellt werden, dass vorrangig sie ihren | |
Arbeitsplatz erreichen“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende | |
Christine Behle. Sollte sich die Bund-Länder-Runde am Dienstag dafür | |
entscheiden, seien flankierende Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören nach | |
Auffassung von ver.di ein Vorrang für Beschäftigte der systemrelevanten | |
Berufe bei Fahrten mit Bussen und Bahnen in den Hauptverkehrszeiten. | |
Außerdem müsse zusätzliches Geld für die Einstellung des benötigten | |
Personals bereitgestellt werden. | |
18 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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