# taz.de -- Corona und die Meinungsfreiheit: Pingeliges Demo-Verbot | |
> Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat eine Demo verboten, obwohl das | |
> Verwaltungsgericht sie zunächst zuließ. Aktivist*innen wollen nicht | |
> aufgeben. | |
Bild: Hier darf nur mit ausdrücklicher Genehmigung demonstriert werden: Hambur… | |
HAMBURG taz | Die Freude über die Entscheidung des Hamburger | |
Verwaltungsgerichts, dass eine Demonstration von Verwaltungsrechtler*innen | |
stattfinden kann, währte nur kurz. Als die etwa 35 Demonstrierenden sich | |
kurz vor 18 Uhr vor dem Rathaus bereits mit Sicherheitsabständen, Plakaten | |
und Mundschutz versammelt hatten, verbot das Oberverwaltungsgericht die | |
Versammlung in letzter Minute. Die Polizei räumte daraufhin den | |
Rathausmarkt und sprach Platzverweise aus. | |
Eine Stunde nachdem der geplante Protest gegen die Einschränkung von | |
Grundrechten hätte beginnen sollen, ist der Platz vor dem Rathaus bis auf | |
etwa drei Dutzend Polizist*innen leer. Einzelne Demonstrierende stehen noch | |
abseits, doch viele sind bereits mit großer Enttäuschung gegangen. | |
[1][Ähnliche Szenen] waren in der Hansestadt in den vergangenen Wochen | |
überall zu beobachten, wo es zu unangemeldeten Protesten kam. | |
Aktivist*innen versuchten erfolglos Demonstrationen bei der | |
Versammlungsbehörde der Polizei anzumelden. Obwohl die | |
Corona-Eindämmungsverordnung Versammlungen „[2][in besonders gelagerten | |
Einzelfällen]“ erlaubt, bestätigte das Verwaltungsgericht die Verbote. | |
Auch die geplante Demonstration „Abstand statt Notstand – | |
Verwaltungsrechtler*innen gegen die faktische Aussetzung der | |
Versammlungsfreiheit“ wurde von der Versammlungsbehörde trotz Vorstellung | |
eines Schutzkonzepts zunächst untersagt. Doch dann folgte die überraschende | |
Entscheidung des Verwaltungsgerichts, in der die | |
Corona-Eindämmungsverordnung in Frage gestellt wurde. | |
## Eindämmungsverordnung verfassungswidrig? | |
In dem Beschluss des Gerichts heißt es, dass die Verordnung „mit hoher | |
Wahrscheinlichkeit mit den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an | |
eine Beschränkung des Grundrechts unvereinbar“ sei und deshalb „keine | |
taugliche Grundlage“ darstelle, um den Antrag abzulehnen. Doch nur wenige | |
Stunden nach der Bekanntgabe legte der Senat beim Oberverwaltungsgericht | |
Einspruch ein und bekam Recht. Der Grund: der Bannkreis. Denn vor dem | |
Rathaus darf sich nur mit ausdrücklicher Genehmigung versammelt werden. | |
Johannes Franke, ein Sprecher der Gruppe nennt die Entscheidung | |
„fadenscheinig“. Er argumentiert, dass die Genehmigung für eine | |
Demonstration innerhalb der Bannmeile möglich sei, wenn keine | |
Bürgerschaftssitzung stattfinde. Dies sei nicht der Fall gewesen. Auch sei | |
die Versammlungsbehörde zuständig dafür, einen entsprechenden Antrag bei | |
der Stadt zu stellen. Dies sei geschehen, die Erlaubnis sei jedoch nicht | |
rechtzeitig erteilt worden. | |
„Es entsteht der Eindruck, dass mit aller Macht versucht wird, | |
Versammlungen zu verbieten.“, sagt Franke. Die Gruppe berate nun über | |
weitere Schritte und hoffe, dass sich das Verwaltungsgericht nicht | |
entmutigen lässt. | |
Weitere Aktivist*innen und Jurist*innen kündigten ebenfalls an, die Straße | |
als Raum des öffentlichen Protests zurückerobern zu wollen. Am Samstag | |
planen das Café Exil und die Seebrücke Hamburg voneinander unabhängige | |
Proteste, um auf die prekäre Situation von Geflüchteten und Wohnungslosen | |
während der Corona-Krise hinzuweisen. Nachdem auch hier die | |
Versammlungsbehörde Verbote ausgesprochen hat, stehen die Entscheidungen | |
vor dem Verwaltungsgericht noch aus. | |
Polizeisprecherin Nina Kaluza teilte der taz mit, dass der „Eingriff in die | |
Freiheit und das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger“ derzeit „die einzi… | |
Möglichkeit“ sei, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. | |
## Klage als Exempel | |
Julius Bockhold, Rechtsanwalt und juristischer Vertreter des Café Exil, | |
einer Beratungsstelle für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund, | |
kritisiert die Einschränkung der Grundrechte stark. Sie hätten mehrere | |
Konzepte vorgelegt, um bei der geplanten Demonstration das Infektionsrisiko | |
einzudämmen. | |
Die Klage vor dem Verwaltungsgericht solle nicht nur die geplante | |
Demonstration ermöglichen, sondern auch ein Exempel statuieren, wie Protest | |
in Zeiten von Kontaktverboten weiterhin möglich sein kann. Sie seien | |
bereit, zur Not auch vor höhere Instanzen zu ziehen, bekräftigt Bockhold. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall eines Versammlungsverbotes in | |
Hessen [3][entschieden], dass ein allgemeines Versammlungsverbot trotz des | |
Infektionsschutzes nicht zulässig sei. Statt Kundgebungen einfach zu | |
verbieten, müssten Versammlungsbehörden individuelle Auflagen machen. Das | |
macht Aktivist*innen nun Hoffnung. | |
17 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Zaheer | |
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