| # taz.de -- Corona und die Lage von Geflüchteten: Kein Asyl und keine Infos | |
| > Geflüchtete würden schlecht informiert über die Coronakrise, klagen | |
| > Flüchtlingsorganisationen. Ausländerbehörde zeigt sich kulant. | |
| Bild: Wegen der Coronakrise kommen immer weniger Flüchtlinge nach Berlin | |
| Berlin taz | Wegen der Coronakrise kommen immer weniger Flüchtlinge nach | |
| Berlin. Nach Auskunft des Sprechers des Landesamts für | |
| Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) waren es am vergangenen Wochenende, als | |
| die ersten EU-Länder bereits ihre Grenzen geschlossen hatten, nur 16 | |
| Personen, in der Woche vom 7. bis 13. März seien es noch 170 gewesen. | |
| Umgekehrt werden Abschiebungen in andere EU-Länder vorerst ausgesetzt, wie | |
| Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im Innenausschuss ankündigte. | |
| Gewalttäter würden aber weiter abgeschoben. | |
| Seit Dienstag ist in Deutschland auch das Recht eingeschränkt, einen | |
| Asylantrag zu stellen. Schutzsuchende dürfen das nur noch dann, wenn sie | |
| negativ auf das Virus getestet wurden oder eine 14-tägige Quarantäne | |
| nachweisen können, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am | |
| Dienstag. Das Gleiche gelte für Anhörungen im Asylverfahren. | |
| Die Berliner Rechtsanwältin Berenice Böhlo fordert, das Bundesamt für | |
| Migration und Flüchtlinge (Bamf), das über Asylanträge entscheidet, solle | |
| vorerst auch keine Ablehnungsbescheide mehr verschicken, „erst recht keine, | |
| die kurzfristige Rechtsmittelfristen von einer Woche enthalten“, wie sie | |
| der taz sagte. Diese seien in der aktuellen Situation „unzumutbar, da die | |
| Beratungsstellen überwiegend geschlossen sind und die Betroffenen keine | |
| Beratung und auch keine Übersetzung finden“. | |
| Aktuell gibt es weiterhin einen bestätigten Coronafall in einem | |
| Flüchtlingsheim in Charlottenburg. Das ganze Haus mit 135 Bewohner*innen | |
| steht deshalb seit dem 12. März unter Quarantäne. Da es sich um eine | |
| Erstaufnahmeeinrichtung handelt, werden die Menschen ohnehin in | |
| Vollverpflegung versorgt. | |
| ## Kritik an mangelhafter Informationspolitik | |
| Der Flüchtlingsrat kritisiert unterdessen die aus seiner Sicht mangelhafte | |
| Informationspolitik des LAF in Sachen Corona. „Wir bekommen zahlreiche | |
| Anfragen von Geflüchteten, ob es die Sprechstunde beim LAF weiterhin gibt, | |
| ob sie hingehen müssen, um etwa ihren Berlinpass oder die Kostenübernahme | |
| fürs Heim zu verlängern oder nicht“, sagte Georg Classen vom Flüchtlingsrat | |
| der taz. | |
| Das Amt müsse besser informieren, wie es mit seinen Kund*innen und | |
| Leistungen während der Coronakrise umgehe – etwa mehrsprachig auf seiner | |
| Webseite. Zudem sollte, um die Vorsprachefrequenz und damit die | |
| Ansteckungsgefahr zu verringern, mehr schriftlich oder im Onlineverkehr | |
| möglich sein, so Classen. Es sei nicht nötig, dass Leistungsberechtigte | |
| allein wegen eines Bescheids oder einer Kostenübernahme zum Amt gehen | |
| müssten. | |
| Der Sprecher des LAF sagte auf taz-Anfrage, die Sprechstunde für | |
| Leistungsbezieher*innen finde vorläufig weiter statt. Man achte auf weniger | |
| Publikumsverkehr und die Einhaltung von Abstand. Zur Informationspolitik | |
| erklärte er: Auf der Webseite des LAF gebe es Informationen zu Corona und | |
| Quarantäne in sechs Sprachen, diese seien auch in den Unterkünften verteilt | |
| worden. | |
| Für alle übrigen Informationen könnten sich Geflüchtete an die Betreiber | |
| ihrer Unterkunft wenden, mit denen das Amt in enger Abstimmung stehe. | |
| „Sollten sich Abläufe ändern, ist die Kommunikation mit diesen ein | |
| bewährter Weg für die Information der Geflüchteten“, so der Sprecher. | |
| ## Falschinformationen im Umlauf | |
| Darüber hinaus fordert der Flüchtlingsrat grundsätzlich bessere und | |
| mehrsprachige Informationen zu Corona. „Bei Geflüchteten besteht ein | |
| riesiges Informationsdefizit, es herrscht große Verunsicherung“, so | |
| Classen. Fast alle behördlichen Informationen stünden bislang lediglich auf | |
| Deutsch zur Verfügung. Dadurch seien schon Falschinformationen im Umlauf, | |
| etwa in Form von Kettenbriefen über WhatsApp. | |
| Ähnliches meldete am Montag aus Brandenburg die Flüchtlingsorganisation | |
| Women in Exile: „Es gab bis heute an die Flüchtlinge keine Information | |
| durch die Behörden zum Umgang mit Covid-19 in den Lagern.“ Diese seien | |
| daher auf soziale Medien oder Freund*innen angewiesen, um sich zu | |
| informieren. | |
| Positiv hebt der Flüchtlingsrat die Informationspolitik der | |
| Ausländerbehörde hervor. Sie hat in Deutsch und Englisch auf der Webseite | |
| erklärt, das nur noch Terminkunden in die Behörde kommen können. Für alle | |
| anderen gelte: Duldungen und befristete Aufenthaltstitel werden derzeit von | |
| der Behörde „als fortbestehend gewertet“. | |
| Auch die Jobcenter informieren auf ihren Webseiten, dass sie für | |
| Kundenbesuche nur in Notfällen (wie drohende Obdachlosigkeit, Neuantrag | |
| etc.) erreichbar sind. „Trotz der zeitweisen Schließung ist sichergestellt, | |
| dass alle Leistungen inklusive Leistungsauszahlungen gewährleistet werden“, | |
| heißt es aber etwa beim Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg. | |
| Den Trägern von Integrationskursen des Bamf, etwa Sprachschulen, hat das | |
| Amt in einem Rundschreiben „dringend empfohlen“, die Kurse für zunächst 14 | |
| Tage auszusetzen und neue entsprechend zu verschieben. Falls die Kurse | |
| dennoch stattfinden, müssten die Teilnehmer*innen bei Fehlstunden kein | |
| Attest vorlegen, heißt es in dem Schreiben. Die Kurse sind für | |
| Asylbewerber*innen und teils auch für Hartz-IV-Empfänger*innen | |
| verpflichtend, bei unentschuldigtem Fehlen kann der Leistungsbezug gekürzt | |
| werden. | |
| 17 Mar 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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