| # taz.de -- Polizeieinsatz gegen Geflüchtete in Suhl: „Absolut chaotische Si… | |
| > Eine ganze Flüchtlingsunterkunft in Suhl steht unter Corona-Quarantäne – | |
| > dann rückt die Polizei an. Auch andernorts gibt es infizierte | |
| > Geflüchtete. | |
| Bild: Beamte in weißen Schutzanzügen: Einsatz in der Flüchtlingsunterkunft i… | |
| SUHL/BERLIN taz | Adelino Massuvira Joao geht am Mittwoch erstmal | |
| einkaufen: Spielzeug und Lebensmittel. Am Nachmittag wollte der | |
| Sozialarbeiter damit zur Geflüchtetenunterkunft in Suhl fahren und seine | |
| Einkäufe dort abgeben – so das möglich ist. „Ein bisschen moralische | |
| Unterstützung.“ | |
| Massuvira Joao bietet in der Erstaufnahmestelle normalerweise eine | |
| Asylberatung für die 533 BewohnerInnen an, organisiert vom evangelischen | |
| Kirchenkreis. Seit Samstag aber ist damit Schluss: [1][Seither steht die | |
| Unterkunft komplett unter Quarantäne]. Wegen eines Corona-Infizierten und | |
| aktuell vier Verdachtsfällen. Es ist ein Ausnahmezustand, der in der | |
| abgelegenen Unterkunft zu erheblicher Unruhe führte – und am Dienstagabend | |
| auch zu einem Polizeigroßeinsatz. | |
| Rund 150 Beamte, teils in weißen Ganzkörperschutzanzügen, gingen in die | |
| Unterkunft, Wasserwerfer fuhren vor. Die Polizisten führten 22 Geflüchtete | |
| ab, die sie als „Störer“ ausmachten. Sie sollen zuvor mit | |
| „Unmutsbekundungen“ über die Einschränkungen und „versuchten | |
| Quarantänebrüchen“ aufgefallen sein, so die Polizei. Es soll Versuche | |
| gegeben haben, über die Zäune zu klettern und andere BewohnerInnen | |
| aufzuwiegeln. Auf den Polizeieinsatz hätten die Geflüchteten laut Polizei | |
| „ohne größeren Zwischenfälle“ reagiert. Die 22 Abgeführten wurden in die | |
| leerstehende Jugendarrestanstalt nach Arnsdorf gebracht, wo sie die | |
| Quarantäne fortsetzen sollen. | |
| Am Mittwoch habe sich die Lage in der Suhler Unterkunft und der | |
| Arrestanstalt in Arnsdorf wieder beruhigt, hieß es von der Polizei und dem | |
| Thüringer Migrationsministerium. Auch Massuvira Joao berichtet nach einem | |
| Telefonat mit einem Bewohner von einer ruhigeren Lage. Aber der | |
| Polizeieinsatz hinterlässt Fragen – und eine Grundanspannung in der | |
| Unterkunft bleibt. | |
| ## „Hätte bessere Informationspolitik gebraucht“ | |
| „Wir sind sehr irritiert über den Polizeieinsatz“, sagt Ellen Könneker vom | |
| Thüringer Flüchtlingsrat. „Es hätte wohl eher eine bessere | |
| Informationspolitik im Vorfeld gebraucht.“ Könneker berichtet von einer | |
| „absolut chaotischen Situation“, in der sich die BewohnerInnen seit der | |
| verhängten Quarantäne befänden. „Sie hatten kaum Informationen und wussten | |
| nicht, was mit ihnen passiert.“ Zudem gebe es viele Vorerkrankte, es fehle | |
| an Desinfektionsmitteln und Beschäftigungsmöglichkeiten, um sich in der | |
| Isolation abzulenken. Gerade für Geflüchtete, die Erfahrungen mit | |
| Inhaftierungen hätten, sei dies eine extreme Belastung. Der Polizeieinsatz | |
| sei für viele umso beängstigender gewesen. | |
| Auch Massuvira Joao berichtet, dass die BewohnerInnen schlecht informiert | |
| waren. „Viele wussten nicht, was die Quarantäne bedeutet.“ Deshalb wollte | |
| der Helfer am Mittwoch auch mehrsprachiges Informationsmaterial über die | |
| Corona-Pandemie in die Unterkunft bringen. „Wichtig sind jetzt | |
| Informationen. Und das Zeichen: Wir sind für euch da.“ | |
| Die Polizei berichtet dagegen von Dolmetschern, die zuletzt in die | |
| Unterkunft geschickt wurden. Übriges Personal habe es dort aber kaum noch | |
| gegeben, denn auch fünfzehn Mitarbeiter stehen unter Quarantäne. Polizisten | |
| hätten daher bereits mit in die Versorgung einsteigen müssen. Auch am | |
| Mittwoch waren noch 20 Polizisten in der Suhler Unterkunft. Der | |
| Corona-Infizierte wurde weiter isoliert. | |
| ## 13 infizierte Geflüchtete | |
| Die Unterkunft in Suhl ist indes kein Einzelfall mehr. Das | |
| Bundesinnenministerium berichtet von bundesweit 22 Corona-infizierten | |
| Geflüchteten an 8 Standorten, verteilt auf 6 Bundesländer. Dazu kommen 18 | |
| Verdachtsfälle. Auch für Asylbewerber habe man das Ziel, „die Ausbreitung | |
| des Virus einzudämmen und weitere Infektionsketten zu verhindern“, sagte | |
| ein Sprecher. | |
| Neu ankommende Geflüchtete würden bei der medizinischen Untersuchung nun | |
| auch auf den Virus getestet, damit Infizierte erst gar nicht in die | |
| Erstaufnahmeeinrichtungen gelangen. Bei Erkrankungen in den Unterkünften | |
| griffen die Pandemiepläne der Länder. Innerhalb der Länder würden | |
| Asylsuchende nur noch nach einem negativen Corona-Test oder einer | |
| 14-tägigen Quarantäne weiterverteilt. | |
| [2][Die Flüchtlingsräte mehrerer Bundesländer forderten inzwischen], wegen | |
| der [3][Corona-Pandemie Abschiebungen auszusetzen], [4][Duldungen zu | |
| verlängern] und Asylsuchende besser und mehrsprachig über die Lage zu | |
| informieren. Zudem müssten möglichst viele Menschen dezentral untergebracht | |
| werden. „Unterbringungen auf engstem Raum sind so schon belastend“, | |
| bekräftigte die Thüringerin Ellen Könneker. „Bei einer Pandemie aber wird | |
| es zum extremen Risiko.“ | |
| (Mitarbeit: Dinah Riese) | |
| 18 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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