| # taz.de -- Corona-Infos bei „Big Brother“: Emotionen in Großaufnahme | |
| > Die bis jetzt von der Welt abgekapselten Kandidat*innen wurden über das | |
| > Coronavirus aufgeklärt. Zynischer hätte man es nicht machen können. | |
| Bild: Bei „Big Brother“ spielt Social Distancing eine ganz andere Rolle | |
| Nehmen Sie sich kurz einen Moment Zeit und denken Sie nach: Welche | |
| Veränderungen hat der [1][Ausbruch des Coronavirus] in den vergangenen | |
| Wochen mit sich gebracht? Egal an welche Veränderung Sie gerade denken, es | |
| ist eine gravierende. Ausgangssperren, Quarantäne, geschlossene Grenzen. | |
| Permanent lesen wir aktuelle Entwicklungen nach, studieren Graphen und | |
| Statistiken. Corona beschäftigt jede*n im Alltag, es scheint unmöglich, | |
| sich davor zu verstecken. | |
| Doch 14 Menschen sind zu diesem fragwürdigen Glück gekommen: Die | |
| Teilnehmer*innen der Sat.1-Fernsehshow [2][„Big Brother Germany]“. Denn das | |
| Konzept der Sendung beinhaltet seit 13 Staffeln, dass eine Gruppe von | |
| Menschen teils Monate lang in einem Container zusammen wohnt, ohne Kontakt | |
| zur Außenwelt – wer ihn zuletzt verlässt, hat gewonnen. | |
| Seit dem 12. Februar leben die Kandidat:innen nun also schon abgeschottet | |
| vom Rest der Welt in den Studios der Reality-Show. Es kommen zwar auch neue | |
| Kandidaten*innen ins Haus, doch die dürfen kein Wort über die Außenwelt | |
| verlieren. Man kann sich vorstellen, wie diese beispielsweise von anderen | |
| Bewohner*innen gedrängt werden, ihnen zu verraten, wie denn gerade der FC | |
| Bayern spielt. Und die müssen dann darüber schweigen, dass gar kein Fußball | |
| mehr gespielt wird. | |
| Dem Sender nach sollte die Politik der Isolation eigentlich auch so | |
| weitergehen. Es ist ja auch ein Teil des Charmes. Doch nun entschied sich | |
| Sat.1 doch dazu, die Teilnehmer zu informieren. Aus Fürsorge oder für die | |
| Qute? Wer weiß das schon. Denn um die Teilnehmer*innen über Corona zu | |
| informieren, gab es am Dienstagabend eine Sondersendung, um alle Emotionen | |
| in Nahaufnahme einzufangen. | |
| ## Keine Panik, oder? | |
| So sitzen also der Moderator der Show, Jochen Schropp, und der hauseigene | |
| Big-Brother Arzt, Andreas Kaniewski, vor den Kandidaten. Getrennt durch | |
| eine Glasscheibe. Schropp beginnt seine Ansprache mit den Worten: „Erst mal | |
| keine Panik, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen.“ Daraufhin zählt Arzt | |
| Kaniewski etwa 20 Minuten lang Gründe auf, wieso sie sich doch Sorgen | |
| machen sollten. | |
| Er erklärt in fast schon aggressiv nüchterner Manier, wie sich das Virus | |
| übertrage, [3][welches Symptome es gebe] und wie die Situation in | |
| Deutschland aussehe. All diese Informationen, die die Menschen innerhalb | |
| von mehreren Wochen stückchenweise zum Verarbeiten gekriegt hat, wurde den | |
| Teilnehmer*innen in einem einzigen großen Brocken innerhalb von wenigen | |
| Minuten vorgelegt. | |
| Das ist natürlich eine Menge: Die Teilnehmer*innen wirken verunsichert, | |
| manche beunruhigt. Bei einer Kandidatin fließen Tränen, ihre Mutter habe | |
| eine Lungenerkrankung. Der Moderator versichert sie, dass es der Mutter gut | |
| gehe. Michelle, so heißt die junge Frau, ist erst mal beruhigt. Dann | |
| erkundigt sie sich nach Altenheimen. Was denn da los sei, ob die Heime | |
| bereits unter Quarantäne seien oder ob es schon richtig schlimm wäre. Ein | |
| anderer Kandidat fragt, was die Ärzte gegen das Virus überhaupt machen | |
| können. Ein anderer fragt, wie viele Menschen bereits gestorben sind. Etwa | |
| 20, sagt der Arzt, das seien noch nicht ganz so viele, das lasse sich | |
| derzeit ganz gut handeln. | |
| Die bitterernste Realität trifft auf trashige Unterhaltungsshow. Das wirkt | |
| so absurd und zynisch, dass man sich fragt, ob es nicht tausend andere Wege | |
| gegeben hätte, die Kandidat*innen zu informieren. | |
| Das Fragesegment ist vorbei, es geht zum nächsten Punkt des Programms: Die | |
| Personen, die den Kandidaten nahestehen, seien es Freunde, Familie oder | |
| Partner, haben eine kurze Grußbotschaft für sie aufgenommen. Ein paar | |
| Sekunden lang kriegen die Teilnehmer*innen einen Eindruck von der Welt | |
| außerhalb des Hauses und von unserer jetzigen Situation mit dem Virus. | |
| Schließlich verlässt der Moderator mit einem Witz über Hamsterkäufe das | |
| Haus. Sie haben ihre Arbeit gemacht und die Teilnehmer*innen aufgeklärt. Es | |
| ist schwer sich vorzustellen, wie die Kandidat*innen mit der Flut an neuen | |
| Informationen umgehen. Doch auch das werden wir in den nächsten Wochen auf | |
| dem Bildschirm verfolgen können. Denn „Big Brother“ geht weiter – trotz | |
| Corona. | |
| 18 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/ | |
| [2] /Neue-Big-Brother-Staffel-bei-RTL2/!5188955 | |
| [3] /Sich-auf-Corona-testen-lassen/!5671714 | |
| ## AUTOREN | |
| Matej Snethlage | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Reality-Show | |
| Sat.1 | |
| Fernsehen | |
| Klub-WM | |
| Tafel | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Faszinosum Reality-TV: Mehr als nur Abschalten | |
| Warum gucken Menschen sogenannte Trash-Formate? Um eigene Kränkungen und | |
| die Zumutungen des Lebens kurz zu vergessen. | |
| Abgesagte Fußball-EM: Die Hackordnung | |
| Corona hin oder her: Wenn die Männer für ihre EM einen neuen Termin suchen, | |
| haben die Fußballkonzerne Vortritt. | |
| Hilfe in Corona-Zeiten: Tafeln wollen weitermachen | |
| Die ehrenamtlichen Tafeln und Lebensmittelausgabestellen müssen auch im | |
| Norden jetzt zwischen Prävention und Hilfe für Bedürftige abwägen. | |
| Corona und die Lage von Geflüchteten: Kein Asyl und keine Infos | |
| Geflüchtete würden schlecht informiert über die Coronakrise, klagen | |
| Flüchtlingsorganisationen. Ausländerbehörde zeigt sich kulant. |