# taz.de -- Hilfe in Corona-Zeiten: Tafeln wollen weitermachen | |
> Die ehrenamtlichen Tafeln und Lebensmittelausgabestellen müssen auch im | |
> Norden jetzt zwischen Prävention und Hilfe für Bedürftige abwägen. | |
Bild: Für Bedürftige eine wichtige Hilfe: Angebot einer Tafel | |
HAMBURG taz | Es ist eine schwierige Entscheidung: Sollen die Tafeln und | |
Lebensmittelausgaben jetzt aus Rücksicht auf die Gesundheit der | |
Ehrenamtlichen und KundInnen [1][schließen] – oder ist das Risiko | |
vertretbar und die Hilfe gerade nun, wo zumindest Teile der | |
Normalverdienenden sich zu Hamsterkäufen hinreißen lassen, umso wichtiger? | |
In Norddeutschland haben die Landesverbände der Tafeln in | |
Schleswig-Holstein und Hamburg sowie Niedersachsen und Bremen die | |
Entscheidung den einzelnen Ausgabestellen freigestellt. „Die Gesundheit der | |
Ehrenamtlichen und auch der Kunden hat oberste Priorität“, sagt Manfred | |
Jabs, Vorsitzender der Tafeln in Niedersachsen und Bremen. | |
Bislang haben sich 23 der 106 Ausgabestellen entschieden, zu schließen. In | |
Hamburg und Schleswig-Holstein sind 13 der insgesamt 57 Einrichtungen | |
inzwischen geschlossen. | |
Dazu gehört etwa die Lebensmittelausgabestelle Altona-Nord. „Wegen der | |
räumlichen Enge können wir keinen Sicherheitsabstand gewährleisten“, sagt | |
deren Leiterin Birgitt Eggert. Von den 15 ehrenamtlichen HelferInnen | |
gehörten neun wegen ihres Alters oder Vorerkrankungen zur Risikogruppe bei | |
einer Erkrankung mit dem Coronavirus. „Es ist eine bittere Situation“, sagt | |
Eggert. „Es wird viele hart treffen – auch wenn wir zum Glück in einem | |
Sozialsystem leben, wo keiner verhungern muss“. Und dennoch: „Viele | |
brauchen es auch“. | |
## Keine Tafel wie die andere | |
„Die Tafeln haben sehr unterschiedliche Bedingungen“, sagt Frank | |
Hildebrandt, der Vorsitzende des Landesverbandes der Hamburger und | |
Schleswig-Holsteinischen Tafeln, sowohl was die Mitarbeitenden als auch die | |
KundInnen anbelangt. Während es etwa für die Ausgabestelle in Altona-Nord | |
wenig sinnvoll erscheint, fertige Pakete mit Konserven vor die Tür zu | |
stellen, weil viele der Haushalte Großfamilien sind, die frisch kochen, | |
kann das an anderen Stellen eine gangbare Alternative sein. | |
Die große [2][Hamburger Tafel] hat, als Reaktion auf die Ausbreitung des | |
Coronavirus, ihre Logistik umgestellt: Statt bei teilnehmenden | |
Supermärkten und anderen Sponsoren Lebensmittelspenden abzuholen, greift | |
sie auf Vorräte aus ihrem Lager und frische Ware von einigen wenigen | |
Partnern zurück. | |
Außerdem schränkt sie den Einsatz ehrenamtlicher HelferInnen auf ein | |
Mindestmaß ein, Ehrenamtliche, die Risikogruppen angehören, werden | |
freigestellt. Die Hamburger Tafel ist allerdings ein Sonderfall: Sie hat | |
keine eigenen Ausgabestellen, sondern beliefert soziale Hilfseinrichtungen. | |
Viele Tafeln suchen jetzt nach Wegen, um den Kontakt zwischen HelferInnen | |
und KundInnen möglichst einzuschränken. So wird die Ausgabe etwa nach | |
draußen verlegt oder die KundInnen geben Taschen in die Ausgabestelle | |
hinein und erhalten sie gefüllt zurück. | |
Wie gut gefüllt, das ist inzwischen fraglich: Durch die Hamsterkäufe steht | |
das Spendenaufkommen in Frage – denn gespendet werden ja nicht-verkaufte | |
Waren. Auch die Aufenthaltszeit der Kundschaft wird möglichst begrenzt und | |
damit fällt eine sozusagen beiläufige Funktion der Tafeln weg: die als | |
sozialer Treffpunkt. „Armut führt zu Vereinsamung“, sagt Tafelvorsitzender | |
Frank Hildebrandt. „Wenn wir um 15 Uhr öffnen, kommen die ersten um elf | |
Uhr“. Das sei aber in Zeiten von Versammlungsverboten nicht mehr möglich. | |
Traditionell sind viele der Ehrenamtlichen, die sich bei den Tafeln | |
engagieren, RuheständlerInnen, „die der Gesellschaft etwas zurückgeben | |
wollen und Zeit haben“, so beschreibt es Frank Hildebrandt. Genau das macht | |
für viele Einrichtungen das Weiterarbeiten schwierig. | |
Doch einige Tafeln haben in den vergangenen Jahren versucht, Nachwuchs zu | |
gewinnen. So etwa in Göttingen, wo man gezielt Studierende angesprochen | |
hat. Dort gehören von den rund 120 Ehrenamtlichen etwa 30 zur „Jungen | |
Tafel“. „Unbesorgt ist niemand“, sagt der Geschäftsleiter der Göttinger | |
Tafel, Moritz Wiethaup. Einige der älteren Ehrenamtlichen blieben | |
vorsichtshalber zu Hause, doch die Studierenden kämen weitgehend. | |
„Die Tafel leistet einen Beitrag zur Versorgung von Bevölkerungsteilen, die | |
sich nicht ohne Weiteres an den Hamsterkäufen beteiligen können“, sagt | |
Wiethaup. In Göttingen bliebe „auf absehbare Zeit“ die Zentrale und drei | |
der Tafel-Außenstellen geöffnet, eine müsse man aus organisatorischen | |
Gründen schließen. | |
Auch bei der Tafel in Nordhorn hat man seit einigen Jahren mit Erfolg nach | |
Nachwuchs gesucht. „Wir haben viele junge Leute bei uns“, sagt ihr | |
Vorsitzender Wolfgang Vox. „Deswegen sind wir auch nicht auf den Gedanken | |
gekommen, zuzumachen“. Mehr noch: Die Tafel überlegt sogar, den bereits | |
bestehenden Bringdienst für Ältere und Kranke auszuweiten. Wolfgang Vox | |
hat deshalb auf Facebook einen Aufruf gestartet – und ist „sehr | |
optimistisch“, dass sich genügend junge HelferInnen melden. | |
17 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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