# taz.de -- Corona in Flüchtlingsheimen: Man macht es, weil man es kann | |
> Das würde man Einheimischen nie zumuten: eine komplette | |
> Flüchtlingsunterkunft unter Quarantäne wegen eines Corona-Falles. Ein | |
> Wochenkommentar. | |
Bild: Im Gang des Berliner Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) | |
Man kann wohl dieser Tage nicht alles verstehen, was behördlicherseits | |
entschieden wird. Vieles wirkt erratisch, etwa die Entscheidung des | |
Gesundheitsamtes, eine ganze Flüchtlingsunterkunft unter Quarantäne zu | |
stellen, weil es dort einen Corona-Fall gibt. Seit dem 12. März sitzen 132 | |
Menschen in einem ehemaligen Hotel fest. Die Meldung war zunächst fast | |
untergegangen zwischen den vielen Corona-Schlagzeilen der letzten Tage. | |
Dann kam am Freitag die Nachricht, dass eine zweite Berliner Unterkunft | |
seit Dienstag unter Quarantäne steht, diesmal sind 216 Personen betroffen. | |
Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass im thüringischen Suhl Menschen | |
in einer Flüchtlingsunterkunft revoltierten, weil dort über 500 in | |
Quarantäne sind. Und man fragt sich: Muss das sein, hunderte Menschen | |
einzupferchen wegen eines Falls? | |
Die steile These: Man macht es, weil man es kann. Bei Flüchtlingen traut | |
sich die „Obrigkeit“ – altmodisches Wort, aber hier passt es ganz gut – | |
Maßnahmen zu ergreifen, die sie Einheimischen nie zumuten würde. Oder wäre | |
es denkbar, dass ein ganzes normales Wohnhaus unter Quarantäne gestellt | |
wird, weil eine* Bewohner*in Corona hat? Das hunderte Menschen nicht mal | |
mehr einkaufen dürfen und stattdessen unter Polizeischutz mit Fertigessen | |
versorgt werden? | |
## Dass es anders geht zeigen Heidelberg und Karlsruhe | |
Bei Flüchtlingen ist man mit solch drastischen Maßnahmen ganz offenbar | |
schneller zur Hand. Vielleicht weil man sie ja ohnehin kaum als Individuen, | |
vielmehr als Gruppenangehörige ansieht und entsprechend als Gefahr | |
begreift, für „unsere“ Kultur, „unseren“ Wohlstand, „unsere“ Gesun… | |
Dass es anders geht zeigen die Beispiele Heidelberg und Karlsruhe. In den | |
dortigen Erstaufnahmen gab es laut Medienberichten ebenfalls erste positive | |
Corona-Fälle. Aber es seien nur die Betreffenden isoliert worden, nicht | |
alle Bewohner*innen. | |
Die Quarantäne in deutschen Heimen ist gerade sicher nicht das Schlimmste, | |
was Flüchtlingen in Europa und an deren Grenzen derzeit zustößt. Aber sie | |
ist erneut ein Zeichen dafür, dass uns ihr Wohlergehen deutlich weniger am | |
Herzen liegt als unser eigenes – aller Menschenrechtsrhetorik unserer | |
Spitzenpolitiker*innen zum Trotz. Apropos: Gab es da nicht das Versprechen, | |
wenigstens 1.500 Kinder und Jugendliche von den Inseln zu holen? Ach, nein, | |
wir haben ja gerade eigene, viel dringendere Sorgen. | |
21 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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