| # taz.de -- Clubs in Berlin: A 100 wegbassen | |
| > Die Clubs haben einen neuen Gegner. Sollte der 17. Abschnitt der Autobahn | |
| > 100 wirklich gebaut werden, müssten viele Kulturorte rund um das Ostkreuz | |
| > weichen. | |
| Bild: Das neue Gelände des Club „Zukunft am Ostkreuz“ | |
| Leer und traurig sieht es aus. Auf dem Boden gammelt ein Pappschild vor | |
| sich hin, das von vergeblichen Kämpfen gegen die Schließung zeugt und auf | |
| dem steht: „Zukunft am Ostkreuz muss bleiben!“ So wie hier könnte es bald | |
| überall in der Umgebung aussehen. Das ist die Message einer Pressetour, zu | |
| der die Berliner Clubcommission unlängst geladen hatte, und die auch in die | |
| Räumlichkeiten der Kulturstätte „Zukunft“ am Ostkreuz führt, die eben er… | |
| schließen musste. | |
| Dabei musste die „Zukunft“ gar nicht mal dem unheimlichen Gegner weichen, | |
| gegen den die Clubcommission aktuell mobilisiert, sondern wurde bloß Opfer | |
| der üblichen Interessen des Eigentümers des Grundstücks, auf dem sie sich | |
| niedergelassen hatte. Am Ende konnte sie sogar gerettet werden und hat ein | |
| paar hundert Meter weiter eine neue Bleibe gefunden. Allerdings | |
| ausgerechnet dort, wo ihr dasselbe noch einmal passieren könnte wie eben, | |
| nämlich inmitten des [1][17. Abschnitts der Autobahn A 100]. | |
| Der ist nun der neue Hauptfeind der „Zukunft“, und wenn mit dessen Bau | |
| tatsächlich begonnen werden sollte, müsste auch die neue „Zukunft“ wieder | |
| verschwinden. Und, so gibt die Clubcommission an, gleich um die 20 weitere | |
| Clubs und Kulturorte, die sich rund um das Ostkreuz angesiedelt haben, mit | |
| dazu. | |
| Dass der Weiterbau der A 100 drohen könnte, ist schon lange bekannt. Eli | |
| vom Kollektiv des ebenfalls bedrohten Clubs About Blank, die im Rahmen der | |
| Pressetour Fragen beantwortet, sagt, als man vor 13 Jahren einen | |
| Mietvertrag unterschrieb, kam in diesen bereits eine | |
| Sonderkündigungsklausel, die besagt: Wird die A 100 verlängert, müsst ihr | |
| weg. | |
| ## Der Weiterbau schleppte sich | |
| Lange wurde immer eher vereinzelt und temporär gemurrt über diese | |
| Bedrohung. Der Weiterbau schleppte sich so hin, und der rot-rot-grüne | |
| Senat, der bis vor Kurzem noch das Sagen in Berlin hatte, sprach sich gegen | |
| ihn aus. | |
| Doch jetzt drängt die Zeit vielleicht doch. Im nächsten Jahr soll der Bau | |
| des 16. Abschnitts der A100 fertig gestellt sein, [2][die Vorbereitungen | |
| für den Bau des 17. laufen bereit]s. Und den aktuellen Berliner Senat führt | |
| nun mit der CDU eine Partei an, die sich klar für diesen ausspricht. Dazu | |
| kommt noch, dass das eigentliche Sagen in der ganzen Angelegenheit sowieso | |
| der [3][Bundesverkehrsminister Volker Wissing] von der FDP hat. Und der hat | |
| ja fast schon ein libidinöses Verhältnis zu Autobahnen und hält bislang | |
| auch eisern an den Plänen für die A 100 fest. | |
| Und so kommt es nun dazu, dass an diesem Samstag endlich eine wirklich | |
| große Demo gegen genau diese statt finden wird, bei der bis zu 20.000 | |
| Teilnehmende erwartet werden. Die Club- und Kulturszene schließt sich dafür | |
| mit der Umweltbewegung zusammen, mit Fridays für Future und Co. So kann | |
| noch besser vermittelt werden, wie befremdlich es nicht nur ist, eine | |
| gewachsene Kulturlandschaft am Ostkreuz Straßenasphalt zu opfern, sondern | |
| wie wenig sich das auch mit den Idealen von Umweltschutz und Nachhaltigkeit | |
| verträgt. | |
| Raver und Klimakleber vereint, die A 100 hat ziemlich sicher Symbolkraft | |
| genug, dass sich im Widerstand gegen diese eine richtig starke neue | |
| Berliner Protestbewegung entwickeln könnte. Die nächsten Aktionen, ein | |
| „Spektakel auf der Autobahn“, bei dem vom 9. bis zum 24. September eine | |
| Brache am Ostkreuz bespielt werden soll, ist bereits geplant. | |
| Die Zeit wäre wohl reif für eine große Stoppt-die-A-100-Bewegung. Damit | |
| sich in der Sache endlich mal wirklich etwas bewegt und nicht jeder weitere | |
| Meter der A100 und jede weitere Probebohrung für den Abschnitt 17 | |
| irgendwann einfach Tatsachen schaffen. Auch der rot-rot-grüne Senat hat ja | |
| letztlich nicht viel mehr getan, als Bekenntnisse abzusondern, anstatt mal | |
| klar gegen den Bund zu opponieren. Und der neue hält weitgehend die Füße | |
| still und versucht das Problem stillzuschweigen. | |
| ## Unlösbarer Streitpunkt | |
| Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wurde die Thematik ausgespart, weil | |
| sie als bislang unlösbarer Streitpunkt gilt. Die CDU will den Weiterbau, | |
| die SPD tendenziell nicht. Auch Tamara Lüdke, die Clubkultur-Sprecherin der | |
| SPD, ist da ganz klar. Von Joe Chialo, dem immer noch halbwegs neuen | |
| Kultursenator von der CDU, hört man dagegen dazu kaum etwas. Außer, dass er | |
| einmal meinte, er könne sich mit dem Plan seiner Partei anfreunden, die A | |
| 100 zu untertunneln und darüber weiter Kulturorte ansiedeln zu lassen. | |
| „Klimaautobahn“ würde sich das dann nennen, ganz so, als wäre der Begriff | |
| kein Oxymoron. | |
| Die Clubcommission und Tamara Lüdke von der SPD halten das für eine | |
| Schnapsidee. Die Clubs etwa müssten wegen der Bauarbeiten dennoch wohl für | |
| Jahre schließen, auf andere Standorte ausweichen oder wären nur bedingt | |
| bespielbar. Christian Goiny, der Clubbeauftragte der CDU, hält im Gespräch | |
| mit der taz dagegen und sagt: „Standorte zu wechseln ist möglich, Clubs | |
| sind in Berlin immer wieder umgezogen, beispielsweise das Yaaam, und es | |
| gibt sie immer noch.“ | |
| Man wolle „Zwischenlösungen“ für die Clubs finden, diese unterstützen und | |
| sei „klar dafür, dass sie erhalten bleiben,“ sagt Goiny. Er weist auch | |
| darauf hin, dass es die Kulturorte rund um das Ostkreuz letztlich nur gebe | |
| wegen den Planungen für die A 100. Als Zwischennutzer. „Das glaubt doch | |
| niemand, dass die ohne diese Pläne heute noch da wären.“ Würde die Autobahn | |
| nun nicht weiter gebaut werden, sagt er, würden rund um die Clubs ganz | |
| schnell Wohnungen entstehen, „und das ist für Clubkultur tödlich“. | |
| Goinys Fazit: „Keine A 100 bedeutet für die Clubs auch keine Rettung.“ | |
| 1 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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