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# taz.de -- Christian Lindner beim FDP-Parteitag: Für ein nicht-linkes Deutsch…
> Christian Lindner ist mit 88 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden.
> Der Letzten Generation wirft er physische Gewalt vor.
Bild: FDP-Bundesvorsitzender und Finanzminister Christian Lindner beim Bundespa…
Berlin taz | Es war eine lange, eine sehr lange Rede von Christian Lindner.
Anderthalb Stunden redete der FDP-Chef beim diesjährigen Bundesparteitag in
Berlin, über alles und nichts, über die Freiheit, über Solidarität für die
Ukraine, den Haushalt, [1][E-Fuels], den VW-Passat und Klimakleber. Aber es
ist dieser eine Satz ziemlich am Ende, der wohl den künftigen Kurs der
Liberalen bestimmen wird. „Wir kämpfen für ein modernes, nicht-linkes
Deutschland. Der Auftrag ist eben noch nicht erfüllt“, sagte Lindner, bevor
er minutenlangen Applaus bekommt. Der Satz „Machen, was wichtig ist“ prangt
magentafarben auf der Leinwand hinter ihm.
Die Delegierten stehen auf und beklatschen den Mann, der die FDP nun schon
seit 10 Jahren führt. Neben ihnen auf dem Boden, es ist nur ein kleines
Detail am Rande, stehen weiße Geschenktütchen vom Deutschen
Apothekerverband. Die FDP ringt um den richtigen Kurs in der Regierung und
sie will offensichtlich zurück zu ihrem Markenkern. Zu dem, was sie „solide
Haushaltspolitik“ nennen: Schuldenbremse, mehr Markt, weniger Staat. Nichts
Überraschendes.
Und Christian Lindner hat immer noch ausreichend Rückenwind. Mit 88 Prozent
der Stimmen wurde er am Freitagabend als FDP-Chef wiedergewählt. 511
Delegierte stimmten für ihn, 51 gegen ihn, 17 enthielten sich. Bei seiner
Wahl 2021 hatte er 93 Prozent erreicht. Auch Wolfgang Kubicki wurde mit 72
Prozent der Stimmen erneut zum Vize-Chef gewählt. Die
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger wurde mit 86 Prozent zur
Vize-Chefin gewählt. Und Johannes Vogel wurde mit 71 Prozent als Vize
bestätigt.
Es ist der zweite Parteitag der FDP, seit sie Teil der Ampelregierung sind.
Und seitdem muss sie ihrer Wählerschaft erklären, warum. Denn viele in der
Basis fremdeln mit der Koalition gemeinsam mit SPD und Grünen, in der die
FDP zwar viel verhindern, aber auch nur wenig gestalten kann. Doch im Ton
blieb Lindner zahm gegenüber den Koalitionspartnern, auch wenn er sie zu
mehr Sparsamkeit aufforderte. Mehr als eine Billion Euro habe man
voraussichtlich im nächsten Jahr an Steuereinnahmen. Dennoch reiche das
Geld nicht, um bestehende gesetzliche Verpflichtungen zu finanzieren. „Die
Politik muss neu lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und
Bürger ihr zur Verfügung stellen“, sagte Lindner.
Spitzen verteilte er eher in Richtung CDU. Man habe in der Vergangenheit zu
viele neue Leistungen beschlossen, die nicht nachhaltig finanziert gewesen
seien, kritisierte Lindner. „Jetzt kommt der Bumerang der unsoliden
CDU-Finanzpolitik zurück.“ Die CDU kritisierte er auch für [2][die jüngsten
Überlegungen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen] und die Erbschaftsteuer zu
reformieren. Ein No-Go für die FDP.
## Keine Passatfahrer in Umverteilungsfantasien
Dennoch war Lindner stets bemüht, die FDP als die Partei darzustellen, die
die Interessen „der hart arbeitenden Mitte im Blick hat.“ Am
Dienstwagenprivileg will er unbedingt festhalten. „Wir werden weiter dafür
sorgen, dass nicht die Passatfahrer ins Zentrum der Umverteilungsfantasien
von anderen kommen“, versicherte er.
Richtig scharfe Worte fand Lindner, als er auf [3][die
Klimaaktivist*innen der Letzten Generation] zu sprechen kam. Besorgt
sei er, sagte er. Das Blockieren von Straßen und Autobahnen sei nichts
anderes „als physische Gewalt“. Gewalt ist für Lindner offenbar, wenn das
Auto nicht vorankommt. Zudem warf er den Aktivist*innen in Bezug auf
die Forderungen Tempolimit und 9-Euro-Ticket vor: „Das sind ganz kleine
Ideen – und dafür der große Ärger. Umgekehrt wäre besser.“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nahm er ausdrücklich in Schutz.
„Volker Wissing macht konkret mehr für den Klimaschutz als die Forderungen
der Letzten Generation und der Klimakleber.“ Nur was genau verriet er
nicht. Er lobte aber, dass nun die Sektorenziele beim Klimaschutz
aufgeweicht werden, weil das mehr Marktwirtschaft beim Klimaschutz
ermögliche.
Lindner scheute auch nicht die Streitthemen der Koalition. Stichwort
Heizungsaustausch. Am vergangenen Mittwoch [4][hatte das Kabinett dem
Gebäudeenergiegesetz zum Austausch von fossilen Heizungen] zugestimmt. Der
Entwurf sei „noch nicht das, was am Ende vom Bundestag beschlossen werden
sollte“, sagte Lindner nun auf dem Parteitag. Er hatte dies in ähnlicher
Weise auch in einer Protokollnotiz formuliert. Es ist der Versuch,
Regierungsdisziplin zu wahren und gleichzeitig das liberale Profil zu
schärfen.
## Lindner will in Bildungschancen investieren
Etwas selbstmitleidig klang Lindner, als er auf die
[5][Kindergrundsicherung zu sprechen kam]. Zu Unrecht werde er in der
Debatte als „kaltherzig“ oder als „Kinderhasser“ diskreditiert, beklagte
er. Schließlich habe die Regierung bereits das Kindergeld und den
Kinderzuschlag erhöht. Die Liberalen möchten dafür sorgen, dass die
bestehenden Leistungen auch ankommen, aber diese nicht erhöhen. Stattdessen
wolle er in Bildungschancen investieren.
Lindners Rede war eher zäh, als temporeich. Nur in den letzten Minuten nahm
der Parteichef Fahrt auf. Es sei „nicht schlimm, wenn die FDP angegriffen
wird für das, wofür sie steht. Schlimm ist nur, wenn die FDP angegriffen
wird, weil sie für nichts steht.“ Und genau davon muss er die Basis
überzeugen. Die letzten Landtagswahlen gingen nicht gut aus für die FDP.
Dreimal scheiterten sie an der 5-Prozenthürde – im Saarland, in
Niedersachsen und zuletzt in Berlin. Zwei mal verloren sie ihre
Regierungsbeteiligung. In den Umfragen im Bund stehen die Liberalen derzeit
bei rund sieben Prozent.
21 Apr 2023
## LINKS
[1] /FDP-Kampf-fuer-synthetische-Kraftstoffe/!5921663
[2] /Union-will-Spitzensteuersatz-erhoehen/!5929275
[3] /Protest-der-Letzten-Generation-in-Berlin/!5926390
[4] /Foerderung-fuer-Heizungsaustausch/!5926229
[5] /Lisa-Paus-zur-Kindergrundsicherung/!5928142
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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FDP
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