Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Chinas Staatschef zu Besuch in Tibet: Xis heikle Charmeoffensive
> Chinas Führung zeichnet von Tibet ein Bild der wirtschaftlichen
> Entwicklung. Dabei herrscht Peking in der Unruheregion mit eiserner Hand.
Bild: Szenen, die an nordkoreanische Propaganda erinnern: Chinas Führer Xi Jin…
Peking taz | Der [1][Besuch] war derart heikel, dass die Ankunft Xi
Jinpings erst zwei Tage später von den Staatsmedien publiziert wurde. Am
Freitag schließlich verbreitete die Nachrichtenagentur Xinhua Videos von
Chinas Staatspräsidenten in Tibet, am Flughafen von Nyingchi: Xi wird dort
von erratisch jubelnden Massen in traditioneller Volkstracht begrüßt. Die
Szenen erinnern auf befremdliche Weise an nordkoreanische Propaganda.
Historisch ist die Visite in die Unruheregion allemal: Seit 1990 ist kein
chinesischer Staatschef mehr nach Tibet gereist. Der Zeitpunkt ist kein
Zufall: Vor 70 Jahren hat die chinesische Volksbefreiungsarmee Tibet
„friedlich befreit“, wie es in der offiziellen Geschichtsschreibung des
Landes heißt.
Damals unterschrieb der junge Dalai Lama das sogenannte 17-Punkte-Abkommen,
in dem China die Souveränität der Region im Austausch für Autonomie
zugesichert wurde. Doch genau wie der Übergabevertrag der einst britischen
Kronkolonie Hongkongs hatte Chinas Staatsführung auch das
Autonomieversprechen an Tibet schon bald gebrochen.
1959 schlug die Armee den ersten Volksaufstand blutig nieder und
verschärfte seither seine Präsenz. Immer wieder machen Mönche mit
Selbstverbrennungen auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam,
Exilorganisationen prangern Verhaftungswellen an. Bis heute ist die Region
für ausländische Journalisten nicht zugänglich.
Das ist die eine Seite der Medaille. Zhang Yun, einer der führenden
Tibetologen Chinas, hält die letzten Jahrzehnte in Tibet dagegen für ein
erfolgreiches Beispiel wirtschaftlicher Entwicklung: Die Partei führte
erstmals ein flächendeckendes Gesundheitssystem ein, Schulen, moderne
Infrastruktur und Behausungen. Die ökonomischen Errungenschaften haben auch
die Staatsmedien beim jetzigen Besuch Xi Jinpings propagiert, allen voran
die erste Schnellbahnstrecke in die Provinzhauptstadt Lhasa.
Die Schattenseiten werden im offiziellen Narrativ verschwiegen. So wurde
wenig Rücksicht auf kulturelle Befindlichkeiten und Bedürfnisse des
Individuums genommen. Ganze Bergdörfer wurden in tiefer gelegene Städte
umgesiedelt, auch gegen Widerstand. „Wir wollen nur, dass sie neue
Möglichkeiten bekommen, reich zu werden“, sagt Zhang – und wiederholt
mantraartig: Reich werden, darum ginge es den Leuten.
## Überall prangt in Tibet das Konterfei Xi Jinpings
Daran zeigt sich die marxistische Weltsicht der chinesischen Staatsführung,
auch wenn ihr staatlich gelenkter Kapitalismus mittlerweile nur mehr wenig
mit dem Kommunismus des ideologischen Gründervaters zu tun hat. Doch sie
sieht den Menschen vornehmlich durch seine ökonomischen Verhältnisse
determiniert, während die ethnische und kulturelle Identität geradezu
negiert wird. Die Leute sollen wohlhabend werden – und wenn die Religion
dabei hinderlich ist, wird sie für rückständig erklärt und mit Repressalien
belegt.
Die Ziele der [2][Unterdrückungsmaßnahmen]: absolute Loyalität zur
Volksrepublik unter der KP herzustellen und die Kultur und Religion
weitestgehend chinesisch zu formen. Sprich: Der tibetische Buddhismus wird
auf dem Papier geduldet, doch ist wenig mehr als eine folkloristische
Fassade.
Zhang sagt in seiner euphemistischen Sprache: „Es ist wichtig, mit der Zeit
zu gehen. Der Buddhismus wurde lokal integriert und an das System
angepasst: China ist ein sozialistisches System. Manche Aspekte des
Buddhismus passen nicht in das sozialistische System.“
Wie dies ausschaut, zeigte sich bei einer jüngst von der Regierung
organisierten Pressereise. Überall prangt in Tibet nun das Konterfei Xi
Jinpings auf Plakaten und Propagandabannern: in den Klassenzimmern, über
religiösen Stätten und selbst im Schlafzimmer eines tibetischen Mönchs.
Gegenüber einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters sagte damals ein
Mönch: „Xi Jinping ist mein spiritueller Führer.“
28 Jul 2021
## LINKS
[1] /Hochwasserkatastrophe-in-Henan/!5787142
[2] /Studie-ueber-Zwangsarbeit-in-Tibet/!5711777
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Tibet
Xi Jinping
Kommunistische Partei
Dalai Lama
China
China
Schwerpunkt Coronavirus
USA
Kolumne Stadtgespräch
KP China
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Chinas Beziehung zu den USA: Xi prangert „Unterdrückung“ an
Ungewohnt scharfe Worte von Chinas Präsident: Die westlichen Länder hätten
das Land unter US-Führung „rundum abgeschottet“ und „eingekreist“, bek…
er.
Olympia 2022 – Dabei sein verboten (6): Der tibetische Intellektuelle
Der Mönch Go Sherab Gyatso hat sich für den Schutz der Kultur Tibets
ausgesprochen. Das reicht in China offenbar für eine langjährige
Haftstrafe.
Deltavariante in China: Die Bewährungsprobe
China kämpft mit dem schwersten Infektionscluster seit dem Ausbruch der
Pandemie in Wuhan. Millionen Bewohner werden durchgetestet.
Neuer chinesischer Botschafter in USA: Harter Knochen
Chinas neuer Botschafter in den USA, Qin Gang, sagt nach seiner Landung
Versöhnliches. Doch die Konflikte zwischen den Ländern bergen große
Aufgaben.
Hochwasserkatastrophe in Henan: Zehntausende bauen Hilfsliste auf
Online finden Flutbetroffene in China Unterkünfte und Notfallnummern.
Gleichzeitig werden kritische Nachrichten aus dem Netz gelöscht.
Volkskongress in China: Kurbeln an der Kriegsmaschinerie
Beim Volkskongress hat Peking den Verteidigungsetat um 6,8 Prozent erhöht.
Bis 2035 könnte China die Militärmacht USA einholen.
Studie über Zwangsarbeit in Tibet: Tibeter müssen in Lagern arbeiten
China betreibt auch in Tibet Lager, wie sie in Xinjiang zur Zwangsarbeit
benutzt werden. Offiziell dienen sie der Ausbildung und
Wirtschaftsförderung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.