Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tibetischer Premier Penpa Tsering: „Will China lebenslang Kopfsch…
> Der Premierminister der tibetischen Exilregierung, Penpa Tsering, warnt
> davor, dass es bald zwei konkurrierende Dalai Lamas geben könnte.
Bild: Tibets geistiges Oberhaupt, der Dalai Lama, spricht bei einer Veranstaltu…
taz: Herr Tsering, der 90. Geburtstag des religiösen Oberhaupts des
tibetischen Buddhismus, des Dalai Lamas (am 6. Juli) lenkt Aufmerksamkeit
auf die Exiltibeter. Wurden Ihre Anliegen angesichts globaler Krisen
übersehen?
Penpa Tsering: Der Fokus liegt derzeit zu sehr auf gewaltsamen Konflikten.
Gewaltfreie Bewegungen erhalten kaum Beachtung. Doch wir müssen beharrlich
bleiben. Unsere Stärke ist unsere Beständigkeit. Die Welt muss begreifen,
dass Probleme durch Gewaltlosigkeit gelöst werden, nicht durch das
Gegenteil. Die aktuelle Weltlage ist nur eine Phase, die nicht ewig dauern
wird.
taz: Vieles dreht sich um die Nachfolge des derzeitigen 14. Dalai Lamas.
Ist die Exilgemeinschaft darauf vorbereitet?
Penpa Tsering: Seine Heiligkeit bereitet uns schon seit Jahren darauf vor.
Er hat die Direktwahl der Spitze der Exilregierung angeregt und 2011 seine
politische Macht an diese gewählte Führung übergeben. Ich bin als zweiter
Sikyong (Regierungchef) das Ergebnis dieses Wandels. Der Dalai Lama ist ein
wahrer Demokrat und Visionär, der weiß, dass der tibetische Kampf auch ohne
ihn weitergehen muss und die Tibeter selbst Verantwortung tragen müssen.
taz: Sie unterstützen wie der Dalai Lama den „mittleren Weg“. Was bedeutet
das?
Penpa Tsering: Wir streben echte Autonomie durch gewaltfreie Mittel an. Der
mittlere Weg liegt zwischen zwei Extremen: dem historischen Status Tibets
als unabhängigem Staat und der aktuellen Unterdrückung durch China. Peking
nennt Tibet „autonom“, doch das ist es nicht.
taz: Wie könnte eine Lösung aussehen?
Penpa Tsering: Es gibt auf der Welt viele Autonomievereinbarungen, die wir
studiert haben. Modelle wie in Südtirol und Italien oder Schottland und
Großbritannien könnten auch für den sino-tibetischen-Konflikt eine
geeignete Lösung sein.
taz: Der Dalai Lama hat den Wunsch geäußert, noch einmal seinen Geburtsort
zu sehen. Wie realistisch ist das?
Penpa Tsering: Für einen Besuch Seiner Heiligkeit in China oder Tibet
stellt China die Bedingung, dass er dort bleiben soll. Seine Heiligkeit hat
immer gesagt: Wenn ich die Möglichkeit habe, nach China oder Tibet zu
gehen, werde ich gehen, aber ich werde dort nicht leben, da es dort keine
Freiheit gibt. Es liegt damit an Chinas Regierung.
taz: Die Regelung seiner Nachfolge sorgt für Spannungen. Sehen Sie die
Gefahr, dass Peking wie schon beim zweithöchsten religiösen Führer, dem
Panchen Lama, einen eigenen, von Peking kontrollierten Nachfolger stellen
könnte?
Penpa Tsering: Seine Heiligkeit hat klargestellt, dass sein Nachfolger in
einer freien Welt wiedergeboren wird, sollte Tibet zu dem Zeitpunkt, an dem
er diese Welt verlässt, nicht frei sein. Peking wird sicher einen eigenen
Dalai Lama als politisches Instrument ernennen, um Tibet zu kontrollieren.
Aber ich frage Chinas Regierung: Wollt ihr lebenslange Kopfschmerzen haben?
Zwei Dalai Lamas würden enorme Probleme schaffen. Xi Jinping wird nicht
mehr leben, um sie zu lösen. Schon bei der Identifizierung der
Reinkarnation des Panchen Lama hat Peking einen Fehler gemacht. Ihr
Vertreter wird von den Tibetern nicht anerkannt, nur der damals vom Dali
Lama anerkannte Junge (Gedhun Choekyi Nyima), der seit 30 Jahren
verschwunden ist. Peking hat nicht bewiesen, dass er noch lebt.
taz: Wie ist die Lage in Tibet derzeit?
Penpa Tsering: Sie verschlechtert sich, auch wenn aus Tibet nicht viele
Nachrichten kommen, da China dafür sorgt. Es gibt keinen politischen
Freiraum. Junge Menschen erleben dort Unterdrückung. Sie sind so
verzweifelt, dass sich 157 Personen, die meisten von ihnen zwischen 17 und
35 Jahren, selbst verbrannt haben, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen.
Gleichzeitig laufen staatliche Assimilationsprogramme. Kinder werden in
Internaten im Kolonialstil auf Chinesisch unterrichtet und müssen der
Kommunistischen Partei und ihrer Ideologie Treue schwören. Die tibetische
Identität soll ausgelöscht werden.
taz: Ist da ein Dialog mit China überhaupt möglich?
Penpa Tsering: Es kann keine Lösung geben, wenn wir nicht auf Chinas
Regierung zugehen. Aber wenn man sich die Politik unter Xi Jinping
anschaut, sieht es momentan nicht so aus, als ob es Raum für Verhandlungen
gäbe. Aber wir halten uns einen Kommunikationskanal offen.
taz: Die tibetische Diaspora verlässt zunehmend Indien und Nepal in
Richtung Westen. Ist das eine Stärke oder eine Herausforderung?
Penpa Tsering: Beides. Es ist eine Herausforderung, die Kultur in Indien
und Nepal zu bewahren. Aber es ist auch eine Chance: Tibeter leben in über
27 Ländern, sprechen die Sprachen dort und setzen sich für unsere Sache
ein. Wir versuchen, trotz physischer Distanz emotional eng verbunden zu
bleiben.
2 Jul 2025
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Tibet
Dalai Lama
China
GNS
China
Tibet
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Olympia 2022 – Dabei sein verboten (6): Der tibetische Intellektuelle
Der Mönch Go Sherab Gyatso hat sich für den Schutz der Kultur Tibets
ausgesprochen. Das reicht in China offenbar für eine langjährige
Haftstrafe.
Olympia 2022 – Dabei sein verboten (2): Er stößt auf taube Ohren
Der Filmemacher Dhondup Wangchen hat 2008 einen chinakritischen Film
gedreht und kam dafür ins Gefängnis. Nun fordert er einen Olympia-Boykott.
Chinas Staatschef zu Besuch in Tibet: Xis heikle Charmeoffensive
Chinas Führung zeichnet von Tibet ein Bild der wirtschaftlichen
Entwicklung. Dabei herrscht Peking in der Unruheregion mit eiserner Hand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.