# taz.de -- Bundestag debattiert Entwurf: Lieferkettengesetz fast fertig | |
> Acht Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza gibt es | |
> Konsequenzen: Ein Gesetz verpflichtet hiesige Firmen zum Schutz der | |
> Menschenrechte. | |
Bild: Wo kommt die Baumwolle her? Im Bild ist sie fair gehandelt und kommt aus … | |
BERLIN taz | Dass dieses Gesetz jemals in den Bundestag kommt, hätte vor | |
Jahren kaum jemand gedacht. Am Donnerstagmittag war es jedoch soweit: Die | |
Abgeordneten debattierten zum ersten Mal über das [1][Lieferkettengesetz]. | |
Noch vor der Sommerpause wird es wohl beschlossen. Das Vorhaben ist eine | |
späte Konsequenz aus den katastrophalen Fabrikunfällen in Pakistan und | |
Bangladesch 2012 und 2013, bei denen mehrere tausend Arbeiter:innen | |
starben und verletzt wurden. | |
Darum geht es: [2][Mittlere und große deutsche Unternehmen müssen | |
spätestens ab 2024 die Menschenrechte der Beschäftigten ihrer wichtigsten | |
Zulieferfirma in aller Welt schützen]. Tun sie es nicht, drohen ihnen | |
Bußgeldzahlungen und Schadensersatzklagen vor hiesigen Gerichten. Hiesige | |
Auftraggeber müssen sich dann beispielsweise darum kümmern, dass | |
Fabrikgebäude im Ausland sicher gebaut sind, die Beschäftigten den | |
Mindestlohn erhalten, einer Gewerkschaft beitreten können, und keine Kinder | |
unter 15 Jahren arbeiten. | |
„Wir gedenken heute der toten Frauen von Rana Plaza“, sagte | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der das Gesetz maßgeblich | |
vorangetrieben hat. Rana Plaza war die Fabrik, die 2013 in Bangladesch | |
einstürzte. Menschenrechte in der Wirtschaft bezeichnete Müller als „die | |
soziale Frage des 21. Jahrhunderts“. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil | |
erklärte: „Wer global Gewinne macht, muss auch global Verantwortung | |
übernehmen.“ | |
Zahlreiche Wirtschaftsorganisationen wie der Bundesverband der Deutschen | |
Industrie (BDI), der Arbeitgeberverband (BDA) und der Handelsverband (HDE) | |
haben das Gesetz jahrelang bekämpft und die ursprünglich geplanten | |
Regelungen entschärft. Nun fordern sie, dass während der Beratung in den | |
Ausschüssen des Bundestages weitere Bestimmungen herausgenommen werden. So | |
wenden sich die Verbände unter anderem dagegen, dass hiesige Gewerkschaften | |
im Namen von geschädigten ausländischen Arbeiter:innen vor deutschen | |
Gerichten klagen können. | |
Inwieweit die Union auf diese Forderungen eingehen will, ließ Fraktionsvize | |
Hermann Gröhe in seiner Rede nicht erkennen. Allerdings deutete er an, dass | |
möglicherweise ausländische Markenunternehmen, die Textilien in Deutschland | |
verkaufen, in das Gesetz einbezogen werden könnten, selbst wenn sie | |
hierzulande keine Tochterfirmen haben. | |
Der grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz kritisierte, dass die | |
Regierungskoalition „die Umweltverantwortung der Unternehmen nur | |
halbherzig“ ins Gesetz aufgenommen habe. Firmen sind zwar verpflichtet, die | |
Vergiftung von Beschäftigten am Arbeitsplatz zu verhindern. Eine | |
klimafreundliche Produktion wird aber nicht angestrebt. | |
Die Initiative Lieferkettengesetz, in der sich rund 120 | |
zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen haben, darunter | |
der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), veranstaltete am Donnerstagmorgen | |
eine Protestaktion vor dem Bundestag. Die Initiative bemängelte, zu wenige | |
Unternehmen würden vom Gesetz erfasst. Laut Regierungsentwurf sollen die | |
Regeln ab 2023 für hiesige Firmen gelten, die mehr als 3.000 Leute | |
beschäftigen, ab 2024 auch für solche mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen. | |
Kleinere Betriebe werden nicht erfasst. | |
Außerdem regelt das Gesetz vornehmlich, wie sich deutsche Auftraggeber um | |
ihre Hauptzulieferer kümmern müssen. Die Initiative fordert, die komplette | |
Produktionskette einzubeziehen, also auch der Anbau der Baumwolle in der | |
Textilproduktion. Ähnliche Kritik üben ein Zusammenschluss von 50 Firmen, | |
darunter Symrise, Tchibo und der Bundesverband der Verbraucherzentralen | |
(vzbv). | |
22 Apr 2021 | |
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Hannes Koch | |
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