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# taz.de -- Lieferkettengesetz mit Lücken: Viel zu wenig Kontrolleure
> Der Entwurf für das geplante Lieferkettengesetz liegt vor.
> Menschenrechtsorganisationen erhalten damit neue Klagemöglichkeiten.
Bild: VW-Produktion in einer Fabrik in Schanghai
Berlin taz | An einem wichtigen Punkt des geplanten Lieferkettengesetzes
findet sich momentan noch eine Leerstelle. Die Bußgelder für Unternehmen,
die gegen die Menschenrechte verstoßen, sind mit „Y“ und „Z“ angegeben.
Hier wird die Auseinandersetzung zwischen Bundesarbeitsminister Hubertus
Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in den kommenden
Wochen weitergehen. Und auch die Bundestagsfraktion der Union dürfte noch
versuchen, den Gesetzentwurf in ihrem Sinne zu verändern.
[1][Nach langen internen Verhandlungen] hat Heil den fast fertigen Entwurf
nun aber den anderen Ministerien zur Abstimmung zugeschickt. Der Text liegt
der taz vor. Der Einigung zwischen Arbeits-, Wirtschafts- und
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am vergangenen Freitag ging ein
jahrelanger Konflikt voraus. Heil und Müller plädierten für das
Lieferketten- oder Sorgfaltspflichtengesetz, um hiesige Firmen anzuhalten,
die Menschenrechte der Beschäftigten in ihren ausländischen
Zulieferfabriken zu schützen. Altmaier versuchte, das Vorhaben zu verzögern
und zu entschärfen. Nun soll in Kürze das Kabinett einen vorläufigen Haken
hinter die Sache setzen.
„Den Bußgeldrahmen sollte das Gesetz regeln“, sagte Hermann Gröhe (CDU).
„Die Festsetzung einzelner Bußgelder wäre dann Aufgabe der zuständigen
Behörde“, so der Unionsfraktionsvize für Arbeit und Soziales im Bundestag.
Insgesamt sei „die Einigung der drei Minister eine gute Lösung“, erklärte
Gröhe. Über „Änderungsbedarf“ werde man jedoch „im Lichte der
parlamentarischen Beratungen und einer Anhörung entscheiden“.
Konsumgüter, die hiesige Geschäfte verkaufen, werden im Ausland nicht
selten unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen produziert. Deshalb
listet der Entwurf nun auf, welche Menschenrechte die Zulieferer deutscher
Firmen nicht verletzen dürfen. Dazu gehören unter anderem die Rechte der
Beschäftigten auf Leben, Gesundheit, „angemessenen Lohn“ und
„Lebensunterhalt“, Freiheit von Zwangs- und Kinderarbeit, sowie die
„Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen“. Letzteres
bedeutet, dass die Arbeiter:innen Gewerkschaften oder ähnlichen
Organisationen beitreten dürfen, um ihre Interessen durchzusetzen. Außerdem
beinhaltet das Gesetz einige „umweltbezogene Pflichten“. So muss das
Personal vor Emissionen von Quecksilber und organischen Schadstoffen
geschützt werden.
## Wie das Gesetz wirkt, ist unklar
Das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa) in Eschborn soll kontrollieren, ob die
Firmen diese Regeln einhalten. Tun sie es nicht, können Bußgelder verhängt
werden. Dafür bekommt die Behörde laut Entwurf 65 zusätzliche
Vollzeitstellen, die jährlich rund 5 Millionen Euro kosten. Die
Mitarbeiter:innen müssen schließlich rund 3.000 einheimische
Unternehmen plus ihre weltweiten Zulieferer überprüfen. Über zu wenig
Arbeit werden sich die Expert:innen nicht beschweren können.
Eine Frage ist, was das Gesetz für bekannte Konflikte im Welthandel
bedeutet. So gilt die Vereinigungsfreiheit in China nicht, freie
Gewerkschaften verbietet die Kommunistische Partei. Und beispielsweise aus
Westafrika kommen immer wieder Berichte über Kinderarbeit im Kakaoanbau,
der Lieferkette der Schokoladenproduzenten. Wie genau muss man sich die
Umsetzung der neuen Regeln also vorstellen?
[2][Beispielsweise der deutsche Autobauer Volkswagen wird für seine
Fabriken in China] sogenannte Risikoberichte verfassen und analysieren, ob
es dort zu Verstößen gegen die Menschenrechte kommt. Vermutlich stellt sich
der Konzern dann auf den Standpunkt, dass es dort zwar keine unabhängige
Gewerkschaft gibt, wohl aber Komitees, welche die Interessen der
Arbeiter:innen vertreten. Zu Vorwürfen der Unterdrückung der Uiguren in
Westchina könnte VWs zu erwartende Verteidigung lauten, dass diese in
seinem dortigen Werk keine Rolle spielt. „Möglich wäre es für uns dann,
eine Beschwerde beim Bafa einzureichen“, sagte Miriam Saage-Maaß von der
juristischen Bürgerrechtsorganisation ECCHR in Berlin. „Wir müssten konkret
belegen, dass der Bericht von VW falsch oder unvollständig ist.“
Der zweite Weg laut Gesetzentwurf: „Wenn sich geschädigte Beschäftigte an
uns wenden, könnten wir vor hiesigen Gerichten klagen“, so Saage-Maaß. Dass
einheimische Organisationen im Namen von Geschädigten deren Rechte
durchsetzen können, ist neu. Die Richter:innen würden dann darüber
befinden, ob die Firmen Schadensersatz zahlen müssen. Auf dieser Basis
dürfte es künftig einige interessante Prozesse geben.
## Greenpeace kritisiert Altmaier
Die Umweltorganisation Greenpeace bezeichnete den Gesetzentwurf trotzdem
als „Schwindel“. Dieser Schriftzug wurde am Dienstagmorgen mit
Scheinwerfern auf das Bundeskanzleramt projiziert. Die Öko-Aktivist:innen
meinen, Wirtschaftsminister Altmaier habe die geplanten Regeln ausgehöhlt.
Der Bundesverband der Bauindustrie hingegen beklagte sich, Firmen dürften
vorübergehend auch von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, wenn
sie gegen das Gesetz verstoßen.
16 Feb 2021
## LINKS
[1] /Unternehmen-sollen-in-die-Pflicht/!5743478
[2] /VW-Werk-in-China/!5747095
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Konsum
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Menschenrechte
Landwirtschaft
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