# taz.de -- Gesetz zur Lieferkettenkontrolle: Kosten vor Recht | |
> Mehr Schutz für Umwelt und Menschenrechte soll es geben. Doch vorläufig | |
> sollen nur Großunternehmen in der Pflicht stehen. Und das auch erst ab | |
> 2023. | |
Bild: Sollte vom neuen Lieferkettengesetz profitieren: Näherin in Bangladesch | |
Die [1][Menschenrechte] sind universell, sie gelten für alle, weltweit. | |
Nicht selten allerdings stehen sie nur auf dem Papier. In der Wirtschaft | |
werden sie oft nicht durchgesetzt, weil die Firmen im Zuge der | |
Globalisierung aus dem nationalen Rechtsrahmen ausbrachen und ihre | |
Produktion weltweit verteilten. Das Lieferkettengesetz, auf das sich die | |
Bundesregierung nun grundsätzlich geeinigt hat, ist ein Schritt zur | |
nachholenden juristischen Globalisierung und Durchsetzung eben dieser | |
Rechte. | |
Nach den Fabrik-Katastrophen in [2][Pakistan] und [3][Bangladesch] 2012 und | |
2013, bei denen über tausend Beschäftigte starben, hat sich aus | |
christlicher Überzeugung vor allem CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller für | |
das Gesetz stark gemacht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) holte er auf | |
seine Seite. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wehrte sich | |
jahrelang, weil viele Wirtschaftsverbände und Unternehmen protestierten. | |
Sie stöhnen zurecht. | |
Denn der wirksamste Hebel im Gesetz ist das bessere Klagerecht für | |
Bürgerrechtsorganisationen und Gewerkschaften, die ausländische | |
Arbeiterinnen und Arbeiter künftig vor deutschen Gerichten vertreten | |
dürfen. Diese Möglichkeit werden Misereor, Brot für die Welt oder | |
[4][Germanwatch] zu nutzen wissen. Jeder Prozess vermehrt nicht nur den | |
Druck auf die Firmen, sondern verspricht Öffentlichkeit und | |
Spendeneinnahmen. | |
Auch dass mit dem Bundesamt für Wirtschaft eine Behörde für die Kontrolle | |
des Gesetzes zuständig ist, dürfte seine Wirksamkeit erhöhen – wenngleich | |
dies von den Ressourcen und dem Willen der Institution abhängt. Trotzdem | |
brauchen die Firmen sich nicht zu beschweren. Altmaier hat viele | |
Kompromisse herausgeholt, die ihnen das Leben mit dem Gesetz erleichtern. | |
So müssen sie es erst in ein paar Jahren umsetzen, es gilt nur für die rund | |
3.000 größten Unternehmen und ihre wichtigsten Zulieferer. | |
Dass der mittelständische Maschinenbauer aus Heidenheim an der Brenz | |
persönlich nach Brasilien reisen muss, um der Förderung seines Eisenerzes | |
nachzuspüren, ist ein Märchen, mit dem er nur seine kleinen Erben | |
erschrecken kann. Die meisten Firmen sind geschützt. Hier gilt das Prinzip | |
„Kosten vor Recht“. Einen wesentlichen Fortschritt im Sinne der | |
vernünftigen globalen Rechtsordnung stellt das Lieferkettengesetz trotzdem | |
dar. Die EU-Kommission wird einige Passagen daraus für ihre geplante | |
Regulierung übernehmen. | |
12 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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