| # taz.de -- Indische Lederindustrie: Pandemie erleichtert Ausbeutung | |
| > 2,6 Milliarden Paar Schuhe exportiert Indien jährlich. Wie die | |
| > hergestellt werden, weiß kaum jemand. Eine Studie beleuchtet die | |
| > Bedingungen. | |
| Bild: Leder-Färberei in Hazaribagh, Indien | |
| Berlin taz | Jeder zehnte Schuh weltweit wurde vor der Pandemie in Indien | |
| produziert: 2,6 Milliarden Paare pro Jahr. Durch [1][die wochenlange | |
| Schließung der Läden] brach der Absatz massiv ein, Aufträge wurden | |
| storniert – die indische Lederindustrie kalkulierte den Umsatzeinbruch im | |
| Frühjahr auf eine Milliarde US-Dollar. Die Entwicklungen stürzten einen | |
| Großteil der Beschäftigten in der indischen Schuhindustrie in absolute | |
| Armut, das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte [2][Studie von Südwind | |
| und Inkota]. | |
| Zwei indische Forschungsorganisationen hatten dafür 115 Arbeiter*innen aus | |
| Schuhfabriken und Gerbereien in den beiden indischen Bundesstaaten Tamil | |
| Nadu und Uttar Pradesh befragt. Mit Beginn der Ausgangssperre am 24. März | |
| waren landesweit alle Schuh- und Lederfabriken geschlossen worden. Ein | |
| Drittel der Beschäftigten erhielt bis Juni keinerlei Lohn, einige bekamen | |
| nicht einmal die ersten Märzwochen beglichen. | |
| Doch auch wer Ausfallgeld erhielt, konnte die notwendigsten Dinge oft nicht | |
| bezahlen. Ein Großteil der Interviewten berichtete, dass sie am Essen | |
| sparen mussten und die Reisausgabestellen des staatlichen Armensystems | |
| nutzten. Weil kaum jemand für Miete, Strom und Medizin auf Ersparnisse | |
| zurückgreifen konnte, verschuldeten sich mehr als die Hälfte der | |
| Arbeiter*innen bei Bekannten oder inoffiziellen Geldverleihern. | |
| Im Mai öffneten die ersten Fabriken wieder, in Juni lief die Produktion | |
| überall wieder an – mit 40 Prozent weniger Personal. Mehr als ein Fünftel | |
| der Übriggebliebenen muss sich heute mit noch weniger Lohn zufrieden geben | |
| als vor der Pandemie. Schon zuvor hatten viele nicht einmal den | |
| gesetzlichen Mindestlohn erhalten, der in Uttar Pradesh bei umgerechnet | |
| 112,90 Euro für angelernte Arbeitskräfte liegt. | |
| ## Deutsche Verantwortung | |
| In Uttar Pradesh nutzte die Regierung die Krise, um Arbeitsschutzgesetze | |
| für drei Jahre außer Kraft zu setzen. Das soll die Attraktivität des | |
| Standorts für internationale Firmen erhöhen. Indische Politiker hoffen, von | |
| den wachsenden internationalen Vorbehalten gegen China als Lieferland zu | |
| profitieren. | |
| Manche Schuhläden in Deutschland hätten im Frühjahr auch bereits | |
| verschiffte Ware nicht mehr bezahlt, berichtet Jiska Gojowczyk von Südwind, | |
| die die Studie verfasst hat. [3][„Gäbe es ein ausreichendes | |
| Lieferkettengesetz, hätten sie wohl anders gehandelt.“] Schließlich hätten | |
| sie dann riskiert, von indischen Firmen oder Arbeiter*innen verklagt zu | |
| werden. Doch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) blockiert die | |
| Verabschiedung dieses Gesetzes mit dem Hinweis, dass deutsche Unternehmen | |
| in der Pandemie nicht weiter belastet werden dürften. Ohne Gesetz sind | |
| immer die mit den schlechtesten Umweltstandards und Arbeitsbedingungen im | |
| Vorteil. | |
| 14 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gekuerzte-Gehaelter-in-Indien/!5738142 | |
| [2] https://www.suedwind-institut.de/files/Suedwind/Publikationen/2021/2021-01%… | |
| [3] /Oekonomin-ueber-Resilienz-in-Lieferketten/!5739084 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Jensen | |
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