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# taz.de -- EU-Parlament berät Lieferkettengesetz: Fairness für Produzierende
> Der Gesetzesvorschlag geht weit über den deutschen Entwurf hinaus. Viele
> kleinere Unternehmen müssten ihre Lieferanten kontrollieren.
Bild: Kakaoernte in der indonesischen Provinz Südsulawesi
Berlin taz | Mühevoll hat sich die [1][Bundesregierung auf das
Lieferkettengesetz geeinigt]. Dabei setzte die Union durch, dass nur
größere Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten die Einhaltung der
Menschenrechte in ihren ausländischen Zulieferfabriken kontrollieren
müssen. Doch der vorläufig gelöste Konflikt könnte über den Umweg aus
Brüssel nochmal auf die deutsche Tagesordnung kommen. Denn das Europäische
Parlament beschließt in diesen Tagen einen Gesetzentwurf, der auch kleine
Firmen auf die Menschenrechte verpflichtet.
Bis heute verkaufen hiesige Händler Textilien, Smartphones, Schokolade und
andere Produkte, die oft unter schlechten sozialen und ökologischen
Bedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern gefertigt wurden. Immer
wieder gibt es Berichte über Kinderarbeit, zu niedrige Löhne, Landraub oder
Repression. [2][Lieferkettengesetze auf nationaler und europäischer Ebene]
sollen solche Missstände zumindest teilweise beheben.
So berät das EU-Parlament (EP) von Montag bis Mittwoch dieser Woche seinen
Bericht für ein [3][EU-Lieferkettengesetz], den die niederländische
Sozialdemokratin Lara Wolters federführend vorbereitet hat. Kommt das
Vorhaben durch, sind die Mitgliedstaaten, auch Deutschland, daran gebunden.
„Das Europaparlament fordert ein ehrgeiziges Lieferkettengesetz, das die
Haftung der Unternehmen für ihre gesamte Wertschöpfungskette mit
einschließt und somit viel weiter geht als der deutsche Vorschlag“, sagte
die Grünen-EP-Abgeordnete Anna Cavazzini.
Ein heikler Punkt ist dabei, dass im Artikel 2 des EP-Vorschlags nicht nur
große, sondern auch „alle börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen
sowie kleine und mittlere Unternehmen mit hohem Risiko“ aufgeführt sind.
Als „Hochrisikosektor“ verstehen die Abgeordneten beispielsweise auch die
Textilbranche. In diesem Sinne müssten dann Importeure und Produzenten mit
vielleicht 50 hiesigen Beschäftigten ihre Lieferanten in aller Welt
kontrollieren. Allerdings sollen sie laut Gesetzentwurf „möglicherweise
weniger umfangreiche und formalisierte Sorgfaltspflichtverfahren“ anwenden.
## Gesamte Wertschöpfungskette erfassen
Ob es wirklich so kommt, ist noch nicht klar. Mehrere Abgeordnete der
Europäischen Volkspartei, der auch die Union angehört, haben
Änderungsanträge eingebracht. Einer, den unter anderem die CSU-Abgeordneten
Marlene Mortler und Markus Ferber unterstützen, plädiert dafür, kleine
Firmen auszunehmen. Das würde Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten
entlasten.
Außerdem enthält der Vorschlag mehrere weitere Regelungen, die ebenfalls
über den hiesigen Gesetzentwurf von Union und SPD hinausgehen. So will das
EP die gesamte Wertschöpfungskette erfassen, auch entfernte Vorlieferanten.
Im deutschen Gesetz geht es vornehmlich um die Hauptzulieferer der
einheimischen Unternehmen. Laut EP sollen auch Umweltschäden mehr Beachtung
erhalten, hiesige Firmen leichter vor Gericht verklagt und bei schweren
Verstößen gegen Menschenrechte Importverbote für bestimmte Produkte
verhängt werden können.
Als Reaktion auf den vorliegenden Parlamentsbericht wird wohl im Sommer
EU-Kommissar Didier Reynders einen eigenen Entwurf präsentieren. Dabei muss
er die Interessen der Nationalstaaten im EU-Rat berücksichtigen. In den
nachfolgenden Dreiecksverhandlungen (Trilog) werden sich die drei
Institutionen einigen – wahrscheinlich erst 2022. Das
Bundeswirtschaftsministerium könnte versucht sein, die europäische
Regulierung auf das deutsche Niveau zu entschärfen, besonders wenn es nach
der Bundestagswahl in CDU-Hand bleibt.
9 Mar 2021
## LINKS
[1] /Regierung-vereinbart-Lieferkettengesetz/!5748604
[2] /Organisationen-fordern-Lieferkettengesetz/!5625234
[3] /Unternehmen-sollen-in-die-Pflicht/!5743478
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Lieferketten
EU
Menschenrechte
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Ausbeutung
Konsum
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