# taz.de -- Firmenberater über Lieferkettengesetz: „Anstrengungen sind leist… | |
> Am Donnerstag berät der Bundestag über das Lieferkettengesetz. Die | |
> Regelungen für Unternehmen seien zumutbar, sagt der Firmenberater Markus | |
> Löning. | |
Bild: Textilproduktion in Dhaka: Reicht das Lieferkettengesetz zur Kontrolle au… | |
taz: Am Donnerstag berät der Bundestag über [1][das Lieferkettengesetz]. | |
Viele Firmen müssen dann nachweisen, wie ihre ausländischen Lieferanten die | |
Menschenrechte einhalten. Wie gut ist die Vorlage? | |
Markus Löning: Ich finde die Regelungen zumutbar. Das Gesetz verlangt | |
beispielsweise keine [2][Garantie für die Einhaltung der Menschenrechte]. | |
Die Unternehmen müssen sich aber darum bemühen – ein wichtiger Unterschied. | |
Zudem geht es vornehmlich um die Hauptzulieferer der hiesigen Firmen. Und | |
diese haben anderthalb Jahre Zeit, sich darauf vorzubereiten. Insgesamt ist | |
es ein tragbarer Kompromiss. | |
Ab 2023 soll das Gesetz für Unternehmen gelten, die hierzulande mehr als | |
3.000 Beschäftigte haben. Ab 2024 werden Firmen ab 1.000 Leute einbezogen, | |
also auch größere Mittelständler. Werden die damit überfordert? | |
Vielen Firmen verlangt die neue Regulierung zusätzliche Anstrengungen ab, | |
unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. Diese sind aber leistbar. | |
[3][Firmen werden sich zusammenschließen, um Standardverfahren zu | |
entwickeln,] die dem einzelnen Unternehmen einen Teil der Arbeit abnehmen. | |
Branchenverbände arbeiten an solchen Lösungen, wir ebenso. | |
Als Unternehmensberater helfen Sie Firmen, dem Gesetz gerecht zu werden. | |
Muss ein durchschnittlicher Maschinenbauer zwei, drei zusätzliche Leute | |
einstellen, um die Paragrafen zu bewältigen? | |
Eher nicht. Auch mittlere Betriebe beschäftigen ja heute schon | |
Mitarbeiter:innen, die sich um Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte kümmern. | |
Vielleicht geht es um eine neue Vollzeitstelle, wenn das jeweilige | |
Unternehmen potenziell risikobehaftete Produkte einkauft. | |
Das hiesige Management soll die menschenrechtlichen Risiken bei seinen | |
wichtigsten Zulieferern überprüfen und sich von diesen bestätigen lassen, | |
dass alles okay ist? | |
In manchen Fällen dürfte das nicht reichen. Wenn die Firma zum Beispiel | |
Coltan aus handwerklichen Minen im Kongo importiert oder Textilien aus | |
Fabriken in Bangladesch, braucht es wohl mehr als eine einfache Zusicherung | |
des Lieferanten. Dann wird das deutsche Unternehmen unabhängige Prüfer | |
beauftragen müssen, die sich die Produktionsbedingungen beim Zulieferer | |
genau ansehen und einen Bericht darüber verfassen. Und die hiesigen | |
Auftraggeber müssen etwa Smartphone-Apps anbieten, mit deren Hilfe sich | |
ausländische Arbeiter:innen anonym beschweren können. | |
Bürgerrechtsorganisationen und Grüne kritisieren, dass Firmen für Verstöße | |
nicht zivilrechtlich haften. Im Gesetz steht nun aber, dass beispielsweise | |
die Gewerkschaft IG Metall im Namen ausländischer Arbeiter:innen vor | |
hiesigen Gerichten klagen darf. Kann das auch zu Schadenersatz führen? | |
Vermutlich kann es in Einzelfällen zu Ansprüchen auf Entschädigung kommen, | |
wenn beispielsweise Menschen verletzt wurden. Das war einer der | |
umstrittensten Punkte bei der Formulierung des Gesetzentwurfs. Viele | |
Geschäftsleitungen haben Angst, für etwas in Haftung genommen zu werden, | |
das sie schlecht kontrollieren können. Wobei es eigentlich [4][normal ist, | |
dass Unternehmen für ihre Produkte geradestehen]. | |
Die EU plant ein europäisches Lieferkettengesetz. Wird dieses über die | |
deutsche Regulierung hinausgehen? | |
Darauf deutet die große Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, | |
Liberalen und Grünen im Europäischen Parlament hin. Möglicherweise betrifft | |
dieser Ansatz dann alle Unternehmen, in deren Produktionsketten | |
menschenrechtliche Risiken auftreten – unabhängig von der Größe der | |
jeweiligen Firma. Auch sind strengere Regeln für die zivilrechtliche | |
Haftung geplant, wobei die großen Wirtschaftsverbände genau das verhindern | |
wollen. | |
Der Autor Ferdinand von Schirach hat vorgeschlagen, zusätzliche europäische | |
Grundrechte einzuführen, darunter ein Bürger:innenrecht auf fair | |
hergestellte Produkte. Was halten Sie davon? | |
Es ist richtig, diese Diskussion anzustoßen. Das würde die Möglichkeiten | |
von Geschädigten in aller Welt verbessern, zu ihrem Recht zu kommen. Ohne | |
geht es nicht, wenn man einen fairen Welthandel will. | |
22 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Lieferkettengesetz-mit-Luecken/!5747254 | |
[2] /Ausbeutung-in-der-Landwirtschaft/!5752321 | |
[3] /Oekobilanzen-Experte-ueber-Transparenz/!5647145 | |
[4] /Strategien-zur-Rohstoffsicherung/!5654008 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
## TAGS | |
Menschenrechte | |
Globalisierung | |
Arbeitsbedingungen | |
Menschenrechte | |
Lieferketten | |
Gerechtigkeit | |
Lieferketten | |
Ausbeutung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundestag berät Lieferkettengesetz: Man nennt es Fortschritt | |
Ein Lieferkettengesetz schien lange utopisch. Doch nun wird es Realität. | |
Ähnlich könnte es mit dem Vorschlag von Ferdinand von Schirach laufen. | |
Bundestag debattiert Entwurf: Lieferkettengesetz fast fertig | |
Acht Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza gibt es | |
Konsequenzen: Ein Gesetz verpflichtet hiesige Firmen zum Schutz der | |
Menschenrechte. | |
Deutschland ratifiziert UN-Vertrag: Mehr Rechte für Indigene | |
Nach jahrzehntelangen Debatten macht der Bundestag den Weg für die | |
Konvention ILO 169 frei. Sie soll die Rechte Indigener besser schützen. | |
EU-Parlament berät Lieferkettengesetz: Fairness für Produzierende | |
Der Gesetzesvorschlag geht weit über den deutschen Entwurf hinaus. Viele | |
kleinere Unternehmen müssten ihre Lieferanten kontrollieren. | |
Ausbeutung in der Landwirtschaft: Das kaputte Zertifikat | |
Wird unser Obst und Gemüse unter guten Arbeitsbedingungen geerntet? Ja, | |
sagen die Supermärkte. taz-Recherchen zeigen ein anderes Bild. |