# taz.de -- Braunkohleabbau in der Lausitz: Im Land der Riesenbagger | |
> Silke Butzlaff fährt einen dieser Bagger, die Kohle aus dem Tagebau | |
> holen. Rebekka Schwarzbach ist Klimaaktivistin in der Region. Aber geht | |
> da trotzdem was zusammen? | |
Bild: Spremberg, Herz des Braunkohleabbaus in der Lausitz. Im Hintergrund dampf… | |
Silke Butzlaff kommt aus ihrem Haus, bereit, ihre Gegend zu zeigen – ihre, | |
wie sie sagt, „Heimat, die ich so nenne, ich hab hier ja immer gelebt“. | |
Ihre Siedlung heißt, funktional zutreffend und ohne Beschönigung, | |
„Bereitschaftssiedlung“. Der Fußweg zur Schicht beträgt sechs Minuten. Do… | |
macht sie sich für ihren Bagger zurecht. Es ist heiß heute, deshalb hat | |
Butzlaff Getränke mitgebracht, angemessen eiskalt, und „dann geht’s mal | |
los“. Sie ist Lausitzerin, genauer gesagt: hier in [1][Schwarze Pumpe], | |
Ortsteil von [2][Spremberg], eben noch Brandenburg, sehr nah an Sachsen, | |
zur Welt gekommen und zur Schule gegangen. | |
Losgehen – das ist eine Exkursion mit ihr und ihrem Freund Lars Katzmarek | |
in dessen Auto. Durch die Lausitz, nicht nur dorthin, wo es schön aussieht. | |
So ist es verabredet: Was ist diese Lausitz – abgesehen davon, dass sie | |
kein Kohlerevier bleiben wird? | |
Silke Butzlaff ist nicht nur aus der Gegend, seit einiger Zeit trägt sie | |
sie auch vor sich her. Auf ihrem T-Shirt steht „Initiative zur Erhaltung | |
der Deutschen Bergbaureviere“ und „Glück auf“ mit Schlägel und Eisen. S… | |
gehört zum Verein „[3][Initiative zur Erhaltung der Deutschen | |
Bergbaureviere]“. | |
## „Der Bagger da ist meiner“ | |
Jetzt geht es zum ersten Aussichtspunkt, einer geräumigem Holzhütte | |
oberhalb eines Tagebaus. Von dort sieht man ihn, den Braunkohleabbau. Kein | |
Geräusch ist zu hören, aber der Blick geht wie in eine Schlucht fast wie | |
beim Grand Canyon, wohl sandiger – nur dass dort keine Monsterbagger stehen | |
und die Steilhänge eher aussehen wie eben freigelegt, nicht in Tausenden | |
von Jahren glatt gewaschen. | |
Butzlaff zeigt mit ihrem Arm nach rechts, dort steht ein fetter Bagger – | |
„das ist meiner“, aus der Ferne ganz niedlich, aus der Nähe ein Monstrum | |
aus hochhaushoch verschraubten Stahlträgern und Schaufeln. Stolz liegt in | |
ihrer Stimme. Seit 39 Jahren ist sie Baggerfahrerin hier. Nach der | |
Schulzeit habe sie überlegt, Erzieherin zu werden, das zerschlug sich | |
irgendwie, aber geboten wurde eine Arbeit im Tagebau im technischen | |
Bereich. Seit jeher ist sie Baggerfahrerin, „das liegt mir, ich liebe meine | |
Arbeit“. | |
Was Butzlaff liebt, bereitet anderen heftigste Sorgen. Hier in der Lausitz | |
stehen allein drei der europäisch größten Objekte an C02-Ausstoß, | |
Kohlekraftwerke, die die am leichtesten zu gewinnende Art der fossilen | |
Stoffe verarbeiten: Braunkohle. Schmutzschleudern, allen Filteranlagen, | |
allen Mühen um Renaturierung ausgebaggerter Felder zum Trotz. Die Lausitz | |
befindet nicht umsonst im Visier von Klimaschützern. Die gibt andererseits | |
Tausenden Menschen Arbeit und damit Heimat. Ein Gespräch zwischen | |
Ansässigen und Klimaaktivist*innen ist fast unmöglich. Es gab | |
Klimastreiks von Fridays for Future, aber die Resonanz blieb eher mager. | |
## „Protest ist hier nicht cool“ | |
An dieser Stelle würde eine wie Rebekka Schwarzbach vermutlich bitter | |
schweigen, vielleicht auch protestieren. Die Mittzwanzigerin spricht | |
anderntags in [4][Cottbus], der Hauptstadt der Region, über ihre | |
Perspektive auf das Braunkohlerevier. Sie kommt aus Berlin-Lichtenberg, hat | |
einen Bachelor und wirkt in ihrer neuen Heimat als Klimaaktivistin. | |
Schwarzbach ist es ein Anliegen, zu sagen, was Sache ist: „Die Klimakrise | |
lässt uns keine Zeit.“ Mit dem Lausitzer Urgestein René Schuster bemüht sie | |
sich um den Aufbau von Protesten gegen die die Vernutzung der Natur, | |
überhaupt gegen die Braunkohle. Schwarzbach ist, bekennt sie, durch und | |
durch Aktivistin – und sie hat es in der Gegend nicht so leicht. „Wir sind | |
nicht so viele, die sich wirklich einsetzen, es ist nicht cool hier.“ | |
Cool – das Wort sagt sie öfter und erklärt, dass die klimaaktivistische | |
Szene, der sie sich zugehörig fühlt, nicht gerade die Lausitz zum Hot Spot | |
erklärt hat. „Das ist im Rheinland anders“, also bei den Kämpfen um die | |
Braunkohlegruben um Garzweiler, „da sind Leute, machen Camps, protestieren | |
…“ | |
Vielleicht spielt für die eher randständige Position dieser Aktivistin, | |
überhaupt des Klimaprotests, eine gewisse Rolle, dass es in der Lausitz, ob | |
nun dem brandenburgischen oder dem sächsischen Teil, wenig gibt, an das | |
sich protestierend anknüpfen ließe. Die Studierenden an der Universität von | |
Cottbus findet Rebekka Schwarzbach eher „unpolitisch“, was konkret heißt, | |
dass sich nicht viele begeistern lassen für einen Protest. | |
Vor fünf Jahren kam die Bewegung „[5][Ende Gelände]“ in die Gegend – und | |
erlitt, was die Sammlung von Sympathien anbetrifft, schweren Schiffbruch. | |
„Was wollt ihr?“, hielten Leute aus dem Tagebuch den aus allen möglichen | |
Ländern angereisten baggerbesetzenden Aktivisten entgegen – und erhielten | |
keine Antwort. Es muss wie der Besuch von uneinschätzbaren Aliens gewirkt | |
haben. | |
Denn so klar die Leute von „Ende Gelände“ damals gespürt haben müssen, d… | |
in der Lausitz wenig an Zustimmung zu holen ist, so klar ist auch, dass es | |
gegen eine andere Klimapolitik keine grundsätzlichen Vorbehalte mehr gibt. | |
Schon gar nicht bei einem wie Lars Katzmarek, dem Freund der Baggerfahrerin | |
Silke Butzlaff, dmr Mann, der uns an diesem Tag durch die Region fährt. | |
Jetzt halten wir an einem Feld, vor uns weite Landschaft, der Parkplatz | |
noch leer, es ist früh, bald stehen hier Autos. | |
## Die Einsicht: „Tagebau ist bald nicht mehr“ | |
Butzlaff und er sind Kollegen, er ist Gewerkschafter der IG Bergbau und | |
Energie und Mitarbeiter der Leag, des in Tschechien ansässigen | |
Braunkohleplatzhirschs der Gegend. „Alle hier wissen, dass das mit der | |
Kohle für uns endlich ist. Tagebau ist bald nicht mehr“, sagt Katzmarek. | |
2038 war mal das avisierte Jahr noch zu Merkel-Zeiten, seit einem | |
Dreivierteljahr kursiert die Zahl 2030, aber das sei „ein echt sportliches | |
Datum“, wie Baggerfahrerin Silke Butzlaff ergänzt. | |
Katzmarek, der vor 30 Jahren in Forst an der polnischen Grenze zur Welt | |
gekommen, ist so etwas wie der Botschafter dieser Landschaft und ihrer | |
Menschen in Berlin, in der Landeshauptstadt Potsdam, im Fernsehen, neulich | |
auch beim taz lab. Er will zeigen, was Sache ist – „dass wir hier ernsthaft | |
an der Zukunft arbeiten“. Fridays for Future, sagt er, „da war ich auch | |
dabei“. Er, ein gelernter Elektrofacharbeiter, steht in Cottbus bei der | |
Leag in Lohn und Brot, sagt, nur die AfD verweigere sich allem – „die | |
wissen nur zu sagen, der Tagebau kann immer weitergehen, aber wir wissen, | |
dass das nicht sein kann, wir sind ja nicht blöd; dass das Klima sich | |
ändert, dass wir in den Wandel müssen, ist uns doch nicht verborgen | |
geblieben“. | |
Er fährt uns weiter nach Forst. Die Stadt ist überaltert, wie alle | |
Kommunen, in denen die Industrie keine Jobs bietet und keine Großbehörden | |
angesiedelt sind, zumal an der Grenze zu Polen. Am Rande von Forst ist zu | |
sehen, was das Problem allen Klimaaktivismus in der Lausitz ist: Siedlungen | |
wie das Dorf [6][Neu-Horno]. Fährt man die wenigen Straßen dieses Fleckens | |
ab, glaubt man, in einer Art Retortenkommune angekommen zu sein, alles ist | |
von ein wenig beklommen stimmender Akkuratesse, nichts sieht abgelebt, | |
leicht verbraucht oder gar reparaturbedürftig aus. | |
## Dörfer sind nicht für die Ewigkeit gebaut | |
Andererseits ist das auch kein Wunder: Das Neue an Horno ist, dass das alte | |
Horno, eine halbe Autostunde entfernt, nicht mehr existiert – ausgebaggert, | |
dem Tagebau geopfert. Und zwar mit Einverständnis fast aller Hornoer – sie | |
wussten ja um die finanziellen Zusagen, dass etwa alles wie im alten Horno | |
auch im neuen wieder aufgebaut würde. Und so geschah es: Wer nicht wollte, | |
wurde ausbezahlt. | |
So berichten es alle aus der Gegend: Dörfer, menschliche Ansiedlungen sind | |
nicht für die Ewigkeit gebaut. Die Lausitz war vor Jahrmillionen waldig, | |
schließlich steppig, karg besiedelt, und als Braunkohle gefunden wurde, vor | |
200 Jahren, war der Rest eine Geschichte der industriellen Gelegenheiten. | |
Eine Landkarte aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt Dörfer, die es längst | |
nicht mehr gibt. In der DDR wurde aus Flecken im Irgendwo eine | |
Industrielandschaft geschaffen, von der die Republik mit Energie versorgt | |
wurde – mit Tausenden von Neubürger*innen aus allen Teil der Republik. | |
Lars Katzmarek weist weit von sich, die Interessen der Leag zu vertreten, | |
beharrt vielmehr darauf, dass er die Kolleginnen und Kollegen sieht, die | |
nur noch wenige Jobs haben. „7.000 gut bezahlte Arbeitsplätze müssen her“, | |
sagt er, „am besten solche, die der Klimatransformation nutzen“. | |
Was der Gegend sonst fehlt, ist an jedem Bahnhof ersichtlich, auch an allen | |
Straßen: Der öffentliche Nahverkehr ist ein Witz; wer sich bewegen will, | |
muss Fahrrad fahren, zu Fuß gehen – oder ein Auto nutzen. Katzmarek weist | |
auf die Bahn hin, die Strecke sei bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die | |
wichtigste für die Züge zwischen Berlin und Breslau, heute Wrocław, | |
gewesen. Heute geht es hier, ab Lübbenau im Spreewald, eingleisig zu. „Wir | |
brauchen die Einhaltung der Zusage, dass die Bahn bei uns investiert, dass | |
wir zweigleisig werden“, sagt er, der an die größere, weitere Welt wieder | |
angeschlossen werden möchte. | |
Dass die Politik im doch recht fernen Berlin und Potsdam sich das sagen | |
lässt, dass sie die Rufe erhört, geschieht zwangsläufig. Noch herrscht | |
Vollbeschäftigung in der Gegend, auch dank der avisierten Milliardensummen | |
für die Klimatransformation. | |
Ob ihn das nicht oft nervt, dieser ewige Zank um Braunkohle, | |
Klimaaktivismus, um eine Zukunft der Region, die in schönsten Farben | |
ausgemalt wird – aber wie alle Zukunft nicht sicher ist? Lars Katzmarek | |
winkt ab. „Ich fahre gern mal nach Berlin, gucke mir sowieso gern andere | |
Gegenden an, aber die Lausitz, mit der habe ich alle Rechnungen immer | |
offen.“ Hier wolle er was bewegen, ja „den Beweis erbringen, dass man mit | |
konstruktiver Arbeit etwas erreicht“. Katzmarek beharrt darauf, dass es | |
eine Zukunft geben muss, vorläufig mit dem Bergbau. | |
Die Exkursion geht weiter, die Landschaft ist für Unkundige schwer | |
entzifferbar. Straßen werden umgelegt, wenn es der Tagebau erforderlich | |
macht – und irgendwie stehen am Horizont in der brutal grünen Landschaft | |
immer die Meiler des Kraftwerks Schwarze Pumpe. Das ist nicht ohne Reiz, so | |
eine satt anmutende Natur, die durch Industrieinstallationen ästhetisch | |
gebrochen wird. Zumal es in der Luft da und dort nach Öligem riecht – | |
chemische Stoffe, die bei der Verarbeitung der Braunkohle freigesetzt | |
werden, sickern ein und miefen in die schöne Luft, wenn es heiß ist oder | |
leichte Brände entstanden sind. | |
## Ein Seengebiet dank des Tagebaus | |
Die Lausitz ist auch ein Seengebiet, die es ohne den Tagebau nicht gäbe. | |
Rebekka Schwarzbach und ihre Freunde von der Grünen Liga monieren auch das: | |
dass nur schön aussieht, was nicht schön ist. Die Seen? „Viel zu groß“, | |
empört sie sich. Die Gewässer sind die Hinterlassenschaften, wenn die | |
Tagebaue ausgebeutet sind. Weil unter den Sand- und Geröllschichten die | |
Kohle recht flach liegt, bleiben quasi Eindellungen übrig – und die werden, | |
teils durch Grundwasser, teils durch natürlich Zuflüsse geflutet und sollen | |
irgendwann jene Seen bilden, an deren Ufern Häuser stehen, Freizeitparks, | |
Marina-Anlagen. | |
René Schuster ist Vorsitzender der [7][Grünen Liga] in der Lausitz, er geht | |
auf auf seine Art den Braunkohleleuten, überhaupt der Gegend durch sein | |
Beharren auf Naturschutzstandards auf die Nerven. Schuster hat Studien | |
gegen die Kohlekultur verfassen lassen, er weiß, wovon die Rede ist. Er | |
sagt also, diese Seen seien zu groß angelegt, viel zu viel könne verdunsten | |
– die Lausitz sei ohnehin zu trocken und anfällig für das näher rückende | |
kontinentale Klima Europas. | |
Ein Argument, das Lars Katzmarek wiederum nicht gelten lässt: Das könne | |
gelöst werden, durch neue Technologien, zum Beispiel durch Röhrensysteme | |
aus wasserreicheren Gegend, etwa im Norden des Landes, um so die Seen zu | |
fluten. Zukunftsmusik oder nicht: Schuster, der Mahner für eine ökologisch | |
intakte Lausitz, stellt das nicht zufrieden, das sei noch nicht ausgegoren, | |
hält er fest. | |
Rebekka Schwarzbach, die Aktivistin, bleibt pragmatisch. Sie hat mit | |
anderen ein Stück eines, so sagt sie am Abend bei der | |
taz-Klimaland-Veranstaltung zur Lausitz, „bedrohten Stücks Wald“ | |
aufgekauft. Auf einer Postkarte zeigt sie ein Motiv ihrer Aktion, die | |
garantiert noch viel Arbeit für die im Land ansässigen Verwaltungsgerichte | |
mit sich bringen wird: Man sieht einen Elch im dunklen Wald, eine | |
Sprechblase lässt ihn sagen: „Wenn ihr unseren Wald abbaggert, schau ich | |
euch nicht mehr mit dem Arsch an“. | |
Silke Butzlaff findet die Karte „süß, Elche mag ich auch“, aber, sie | |
bedauert, „die habe ich auf meinen Schichten noch nie gesehen“. Wenn „der | |
Tag gerade angebrochen ist und mein Bagger mal kurz Pause macht, kann ich | |
die Geräusche in der Stille hören. Vögelgezwitscher, Falken – und einmal | |
war ein einsamer Wolf zu sehen, wunderschönes Tier. Dann genieße ich die | |
Natur und weiß, warum ich hier so gerne lebe“. | |
Die Fahrt geht weiter und endet bei einer Überraschung – einem Weinberg. | |
Auf den Erden eines abgeflözten Tagebaus sind Weinstöcke angepflanzt | |
worden, nach längerem Hin und Her fand die Inhaberin sogar einen Betrieb, | |
der die Lese und die Produktion besorgt. Die Flaschen verkaufen sich bis in | |
bessere Berliner Restaurants. Katzmarek sagt: „Aus solchen Initaitiven | |
entsteht Neues für die Gegend. Wir brauchen noch viel mehr davon.“ | |
Das ist natürlich leichter gesagt, als das echte Leben so hergibt. Für die | |
Entwicklung von Schönheit im, sagen wir toskanischen oder uckermärkischen | |
Sinne, also für die solventeren Kreise aus Berlin ist das nicht genug. Aber | |
womöglich ist das durch den russischen Krieg auch gar nicht so vordringlich | |
– die Lausitzer Kohle wird wohl noch gebraucht, so rasch kann womöglich die | |
Ausbaggerung nicht eingestellt werden. | |
Alles ist plötzlich wieder offen, aber Silke Butzlaff sagt: „Klar, warum | |
nicht.“ Wobei sie erwähnt, dass es ein Nachwuchsproblem gibt. „Junge Leute | |
hier in der Gegend wissen doch seit Langem, dass bei der Leag für sie keine | |
Zukunft ist.“ Selbst wenn jetzt kurzfristig noch auf Kohle gesetzt werden | |
müsste – kein Berufsleben kann damit geplant werden. Was aber ohnehin nur | |
zur Not – wie in der Energieversorgungskrise jetzt – gedacht werden soll: | |
„Ach, das wäre sowieso nur ein Aufschub. Kohle kann nicht die Zukunft sein, | |
das ist allen klar.“ | |
Es ist ja nicht so, dass es einen großen Run gäbe auf Jobs in der Lausitz. | |
Landflucht gibt es seit Langem, wer nach der Wende als Arbeitnehmer durch | |
die real existierende Marktwirtschaft vor den Trümmern der eigenen | |
Arbeitsbiografie stand, ist weggezogen, nach Bayern, Baden-Württemberg, | |
wohin auch immer. Dass am Ende der Braunkohleausbaggerung kein Zweifel | |
besteht, dass also auch noch Fragen nach der Wasserversorgung, nach den | |
immer stilleren Dörfern zu klären sind, aber auch der nach Menschen, die in | |
die Lausitz kommen möchten, um dort zu leben und arbeiten, ist auch | |
offenkundig. | |
Lars Katzmarek bleibt optimistisch. In Forst, wo er aufwuchs, nahm man ihm | |
in Schülertagen robust übel, dass er ein Gymnasium in Cottbus besuchen | |
durfte und andere nicht – er will kein Abgehängtwerden, in Randständigkeit | |
verharren, er will sich seine Heimat so gern als industrielle Avantgarde | |
vorstellen. Er sagt, „dass es Zukunft geben muss“, dass die jungen Leute, | |
so wie er, „wahnsinnig motiviert sind, hier weiterzumachen“. | |
Als er das sagt, fahren Ausflügler auf ihren Rädern an uns vorbei, fliegen | |
gerade zwei Störche über unsere Köpfe hinweg, tatsächlich ist am Waldrand | |
ein Reh zu sehen, man meint kurz, in ein unbeschädigtes Idyll zu gucken, | |
fast kitschig. | |
Abends, auf der Klimaland-Veranstaltung im Gründerzentrum am Industriepark | |
Schwarze Pumpe, werden die üblichen Positionen abgesteckt, Katzmarek sagt, | |
auch wenn jetzt alle zur Klimatransformation das sagen, was zu erwarten | |
ist, dann „ist es doch ein Gewinn, dass wir mal zusammenreden, nicht | |
übereinander“. René Schuster, der Klimawandelanalyst, nickt ein ganz | |
kleines bisschen. Und Silke Butzlaff, die Baggerfahrerin, spricht Rebekka | |
Schwarzbach, die Klimaaktivistin, direkt an und sagt: „Wollen wir nicht mal | |
telefonieren oder uns mal treffen, weiterreden, uns mal kennenlernen?“ | |
18 Jul 2022 | |
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[1] https://industriepark.info/ | |
[2] https://spremberg.de/ | |
[3] https://www.facebook.com/Initiative.Zukunft.Tradition/ | |
[4] https://www.cottbus.de/ | |
[5] /Ende-Gelaende-in-der-Lausitz/!5645678 | |
[6] https://www.archiv-verschwundene-orte.de/de/umgebung/der_ortsteil_horno/der… | |
[7] https://www.grueneliga-sachsen-oberlausitz.de/ | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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