| # taz.de -- Berlins Abstimmung zum Klima-Entscheid: Grandios gescheitert | |
| > Der Niederlage der Klimainitiative dürfte radikale Kräfte der Bewegung | |
| > stärken. Dabei bräuchte es mehr gesellschaftliche Akzeptanz für das | |
| > Thema. | |
| Bild: Kaum mehr als ein Symbol für mehr Klimaschutz: dunkles Brandenburger Tor… | |
| Eigentlich hat alles gepasst: Mit immenser Präsenz hatte die Initiative | |
| Klimaneustart Berlin [1][in der Stadt für ihren Entscheid geworben]; | |
| zahlreiche bekannte Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen | |
| unterstützten ihr Ziel, Berlin bereits bis 2030 klimaneutral zu machen. | |
| Eine Gegenkampagne für ein „Nein“ gab es erst gar nicht: Kaum eine | |
| Politiker*in traute sich, sich offensiv gegen mehr Klimaschutz | |
| auszusprechen. Und Anfang vergangener Woche hatte der [2][Weltklimarat IPCC | |
| noch einmal gewarnt,] die bisherigen Anstrengungen gegen die Erderwärmung | |
| seien bei weitem nicht ausreichend. | |
| Doch dann stand am Sonntagabend [3][eine Niederlage, die kaum deutlicher | |
| hätte ausfallen können für Berlins Klimabewegung]: Nicht einmal eine halbe | |
| Million Unterstützer*innen votierte mit Ja; damit scheiterte der | |
| Entscheid deutlich am 25-Prozent-Quorum. Schwerwiegender für die | |
| Interpretation des Ergebnisses dürfte allerdings sein, dass die Zahl der | |
| „Nein“-Stimmen nahezu genauso hoch ausfiel. Und das ausgerechnet in Berlin, | |
| der vermeintlich linken Stadt, in der im Herbst 2021 eine deutliche | |
| Mehrheit bei einem Volksentscheid für die Enteignung großer | |
| Wohnungsunternehmen votiert hatte. | |
| Fast ein Patt also bei der Frage, ob mehr Klimaschutz nötig ist: Das wirkt | |
| geradezu absurd in diesen Zeiten, in denen täglich die Folgen des | |
| Klimawandels für Schlagzeilen sorgen, etwa durch Unwetter, Hochwasser, | |
| Hitzewellen et cetera. Zugleich ist es eine unerwartet deutliche | |
| Unterstützung für all jene Populist*innen und Konservative, die | |
| wirksamen Klimaschutz ausbremsen. Umgekehrt wird das Ergebnis es allen | |
| anderen Politiker*innen – nicht nur in Berlin, auch im Bund – schwerer | |
| machen, effiziente Maßnahmen gegen die Erderwärmung durchzusetzen, zum | |
| Beispiel im Verkehr. | |
| ## Kaum Stimmen aus der Politik, die „Nein“ sagten | |
| Wobei ein Blick ins Detail hilft. Im Wahlkampf spielte die Frage, ob | |
| Klimaneutralität in so kurzer Zeit überhaupt zu erreichen ist, eine | |
| zentrale Rolle. Es ging also auch [4][um die Frage der Machbarkeit und die | |
| der Kosten.] Sogar die meisten Unterstützer*innen gaben zu, dass | |
| realistisch gesehen die Zeit dafür sehr knapp sei; selbst die Grünen | |
| hielten das Ziel für nicht erreichbar, empfahlen aber trotzdem – [5][wenn | |
| auch spät – ein „Ja“]. Nicht allen Abstimmenden dürfte sich diese Diale… | |
| erschlossen haben und das Argument, dass allein schon mehr Druck auf die | |
| Politik helfen könnte. | |
| Das Positive, das man dem Entscheid abgewinnen kann, ist: Die | |
| Berliner*innen, die zur Wahlurne gingen, haben sich mit dem Thema offenbar | |
| wirklich auseinandergesetzt – es gab wie gesagt kaum Politiker*innen, die | |
| offen für ein „Nein“ warben. Das von vielen prognostizierte Ergebnis, | |
| wonach fast nur „Ja“-Sager abstimmen würden, blieb aus. Das ist ein Sieg | |
| für die (direkte) Demokratie. | |
| Die Aktivist*innen wird das nicht trösten. Für die Klimabewegung ist | |
| das jüngste Scheitern in Berlin die Fortsetzung zahlreicher Niederlagen in | |
| den vergangenen Jahren. So gelang und gelingt es zwar immer noch, große | |
| Proteste zu organisieren. In der Politik findet das Thema aber weiterhin | |
| kaum Nachhall; selbst einfachst umzusetzende Maßnahmen wie ein Tempolimit | |
| auf Autobahnen können nicht durchgesetzt werden. | |
| ## Doomsday-Szenarien und Frust | |
| So ändert sich – allen düsteren Zukunftsszenarien und Protesten zum Trotz �… | |
| politisch viel zu wenig. Schlimmer noch: Für all jene, die die Klimakrise | |
| für dramatisch halten, verfestigt sich die Erkenntnis, dass diese | |
| Gesellschaft unfähig ist, absehbare, von der Forschung belegte bedrohliche | |
| Entwicklungen auch nur verhindern zu wollen. Zu den Doomsday-Szenarien | |
| gesellt sich so immer mehr Frust. | |
| In der Klimabewegung dürfte das radikaleren [6][Kräften wie der Letzten | |
| Generation] Auftrieb geben. Doch deren Aktionen sind bisher nicht | |
| förderlich, dem Klimaschutz mehr gesellschaftliche Akzeptanz zu | |
| verschaffen. Nicht wenige sagen, sie würden sogar abschreckend wirken. | |
| Dabei muss es Ziel sein, Klimaschutz in breiteren Schichten als relevantes | |
| Thema zu verankern. Denn zur bitteren Wahrheit des Volksentscheids gehört | |
| auch: Die Beteiligung lag mit knapp 36 Prozent zwar auf dem Niveau anderer | |
| Entscheide in Berlin, die nicht parallel zu einer Wahl stattfinden. Aber | |
| sie war eben doch sehr niedrig für ein derart wichtiges Thema. | |
| Geht man mal davon aus, dass tendenziell viele Menschen, die mit „Ja“ | |
| stimmen wollten, das auch getan haben, bleibt eine erschreckend große | |
| Gruppe übrig. Sie zu erreichen muss ein wesentliches Ziel der Klimabewegung | |
| blieben. Und wie warb die Initiative Klimaneustart Berlin im Wahlkampf: „Es | |
| ist noch nicht zu spät“. Hoffen wir mal, dass das auch stimmt. | |
| 27 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
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| [4] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260 | |
| [5] /Bettina-Jarasch-zum-Klima-Volksentscheid/!5910708 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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