Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gescheiterter Klimavolksentscheid Berlin: Das Klima verpflichtet zu…
> Wenn es verboten ist, ohne Führerschein Auto zu fahren, müsste es auch
> eine politische Beteiligungspflicht geben, findet unsere Kolumnistin.
Bild: Weniger als 35 Prozent haben gewählt
Wählen ist eine tolle Sache. Man merkt das nicht unbedingt, wenn man sich
bei der Briefwahl konzentriert, die Bögen in die jeweils richtigen
Umschläge zu stecken. Aber in einer maroden Grundschule einen Wahlschein in
eine umfunktionierte Mülltonne zu werfen, finde ich oft erstaunlich
feierlich.
Wer das Recht hat, zu wählen – und es gibt immer noch viel zu viele, denen
dieses Recht aus diskriminierenden Gründen vorenthalten wird – hat die
Möglichkeit zur Beteiligung. Bloß: Eine Möglichkeit ist keine Pflicht.
Zuletzt ist der Berliner Klimavolksentscheid [1][genau daran gescheitert].
Ich weigere mich, pauschal über Nichtwählende herzuziehen. Menschen haben
Gründe, warum sie ihre Stimme nicht abgeben, und viele davon sind
individuell nachvollziehbar. Meine Mutter zum Beispiel misstraut
Politiker*innen. Sie hat in Maos China erlebt, wie Privatsphäre und
persönliche Freiheit für eine „größere Sache“ eingeschmolzen und mit F�…
getreten wurden.
Wie das Private nicht nur politisch ist, sondern die Politik sich das
Private unterwerfen kann, egal in welchem Toilettenspülkasten du seine
Reste noch zu verstecken versuchst. Klar weiß meine Mutter, dass das im
heutigen Deutschland anders ist. Aber Demokratie ist für sie nicht das
Glück der Beteiligung, sondern das Glück des erlaubten Rückzugs. Andere
wiederum haben resigniert.
## Raushalten ist ein Problem
Weil es doch zum Beispiel 2021 in Berlin einen erfolgreichen Volksentscheid
gab, bei dem sich knapp über 59 Prozent der Wählenden für eine
Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne aussprachen, aber das Vorhaben
[2][seitdem blockiert wird und bezahlbarer Wohnraum in den meisten Städten
weiterhin eher Luxusgut statt Menschenrecht ist].
Und manche erleben nie oder zu selten, dass der Staat sich für sie
interessiert. Wem man ständig zeigt, dass er hier nicht gewollt ist, von
dem kann man nicht einfach Beteiligung einfordern, ohne auf die eigenen
Verfehlungen zu schauen.
[3][Trotzdem ist Raushalten ein Problem]. Bei knapp über 35 Prozent lag die
Wahlbeteiligung beim Klima-Volksentscheid in Berlin. Ich fand das fast
schmerzhafter, als wenn es mehr Nein- als Ja-Stimmen gegeben hätte. Bei der
Klimakrise stößt das Prinzip des Dürfens an seine Grenzen.
## Es geht ums Überleben
Wenn es verboten ist, in trockenen Wäldern Feuer zu machen und ohne
Führerschein Auto zu fahren, wenn es eine Gurt- und eine Brandschutzpflicht
gibt – wäre es nicht logisch, dass es in Sachen Klimakrise auch eine
politische Handlungs- und bürgerliche Beteiligungspflicht geben muss? Dass
es ums Überleben geht, ist längst wissenschaftlich erwiesen.
Klar könnten wir auch dann noch ins Verderben rasen. Eine
Kann-mir-nicht-egal-sein-Pflicht könnte niemandem eine Meinung
vorschreiben. Aber wegsehen ginge nicht. Die Erde krepiert und das Klima
braucht uns, wir brauchen uns.
Dazu muss man sich aktiv verhalten, mindestens. Alles andere ist
unterlassene Hilfeleistung.
29 Mar 2023
## LINKS
[1] /Berlins-Abstimmung-zum-Klima-Entscheid/!5924298
[2] /Lobbyismus-und-Immobilienbranche/!5923695
[3] /Berlin-Klimaneutral-2030/!5923766
## AUTOREN
Lin Hierse
## TAGS
IG
Schwerpunkt Klimawandel
Wahlbeteiligung
Kolumne Poetical Correctness
Volksentscheid
Kolumne Poetical Correctness
Klima-Volksentscheid
IG
Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Detoxing im Frühling: Zeit für digitalen Winterschlaf
Raus aus dem Internetnebel, rein in die kreative Betrachtung. Gerade jetzt,
wo der Winter allmählich vorbei sein sollte.
Berlin Klimaneutral 2030: Schau mir in den Auspuff, Baby!
Berlin 2030 klimaneutral? Das Volk hat gesprochen, der Klimaentscheid ist
klar gescheitert. Zukunft ist kein Konzept, das bei Wahlen verfängt.
Berlins Abstimmung zum Klima-Entscheid: Grandios gescheitert
Der Niederlage der Klimainitiative dürfte radikale Kräfte der Bewegung
stärken. Dabei bräuchte es mehr gesellschaftliche Akzeptanz für das Thema.
Mietenwahnsinn in Berlin: Schub für die Enteignungsdebatte
Das Land kann ein Enteignungsgesetz beschließen, sagt ein Papier der
Expert*innenkommission. Die Initiative fordert „unverzüglich einen
Fahrplan“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.