| # taz.de -- Berlin testet Ökotoiletten: Kein Klo ist auch keine Lösung | |
| > Ökotoiletten sind nachhaltig, sie kommen ganz ohne Wasser aus. Und sind | |
| > geschlechtergerecht. Doch sie werden zweckentfremdet. Eine | |
| > Inspektionstour. | |
| Bild: Eine Ökotoilette am Invalidenpark, unweit des Hauptbahnhofs in Berlin-Mi… | |
| Der Mann fühlt sich in der Toilette sichtlich zu Hause. Es ist früh am | |
| Morgen und die linke Kabine der Ökotoilette am Kottbusser Tor in | |
| Berlin-Kreuzberg ist schon eine Weile besetzt. Zwei Männer haben es sich | |
| dort bequem gemacht, ihre Rucksäcke hängen an der Wand, und sie kochen sich | |
| Drogen auf. | |
| Nach einer Weile kommt einer der beiden heraus, seine Klamotten sind | |
| verschlissen und sein Blick trüb, in der linken Hand hält er ein | |
| Glasröhrchen und ein Stück Alufolie. Dass sich noch andere Menschen hier | |
| herumtreiben, passt ihm gar nicht, er pöbelt ein wenig, will Geld. Sein | |
| Kollege versucht, ihn zu beruhigen. Kurze Zeit später verzieht er sich | |
| wieder in die Kabine. | |
| Szenen wie diese ist Viktoria Salzmann gewohnt. Sie ist Mitarbeiterin der | |
| Berliner Firma [1][EcoToiletten], die Ökotoiletten betreibt, und auf | |
| Inspektionstour. Insgesamt 24 der nachhaltigen und geschlechtergerechten | |
| Toiletten hat der Berliner Senat im Rahmen eines Pilotprojekts in der | |
| Hauptstadt aufgestellt – zwei pro Bezirk. Zusätzlich dazu haben einige | |
| Bezirke insgesamt zwölf eigene Ökotoiletten angemietet. Und die müssen | |
| regelmäßig gewartet werden. | |
| Eine davon steht am Kottbusser Tor, besser bekannt als „Kotti“. Der gilt | |
| wegen seiner Drogenproblematik [2][als kriminalitätsbelasteter Ort] und | |
| befindet sich in einem Kiez mit einer hohen Dichte an einkommensschwachen | |
| Haushalten und sozialer Benachteiligung. | |
| ## Die einzige öffentliche Toilette | |
| Es ist die einzige öffentliche Toilette am Kotti und dient in erster Linie | |
| als Konsumraum. Die Bretterbude mit drei Kabinen, an deren Außenseite | |
| Holzleisten in Regenbogenfarben angebracht sind, steht direkt neben der | |
| U-Bahn-Trasse auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs. | |
| An diesem regennassen Tag Ende Januar vermischt sich der Schlamm rund um | |
| die Toiletten mit Kot, Drogenutensilien und jeder Menge Müll. Ob noch | |
| andere Menschen außer Drogenabhängigen oder Obdachlosen die Klos nutzen? | |
| „Nein“, sagt Salzmann bestimmt und watet durch die eklige Masse auf die | |
| Rückseite des Häuschens, wo sie mit ihrer Inspektion beginnt. | |
| Ausgestattet mit einer Atemschutzmaske mit zwei großen Filtern an den | |
| Seiten checkt die ausgebildete Zimmerin, ob alles funktioniert. Sie prüft | |
| die Füllmenge der Behälter, ob das Licht noch funktioniert, ausreichend | |
| Desinfektionsmittel vorhanden ist oder die Türen schließen. Auch für die | |
| Entfernung von Graffiti ist sie zuständig. Die werden mit GHB von Wänden | |
| und Fußböden gelöst, eine Substanz, die auch für K.-o.-Tropfen missbraucht | |
| wird. Daher auch die Schutzmaske, erklärt sie – und natürlich wegen der | |
| Fäkalien. Gereinigt wird hier zweimal am Tag, allerdings von anderen | |
| Mitarbeiter*innen. | |
| An diesem Morgen ist alles in Ordnung, lediglich die Schlösser wurden | |
| aufgebrochen. „Vandalismus gibt es hier eigentlich kaum, die Leute wollen | |
| ihren Konsumraum ja nicht kaputt machen“, sagt Salzmann. Zwar gibt es rund | |
| 800 Meter weiter in der Reichenberger Straße einen richtigen Konsumraum, | |
| der ist allerdings nicht durchgängig geöffnet. | |
| Laut Salzmann hat sich die Situation, seit das Klo im Dezember 2022 | |
| aufgestellt wurde, am Kotti insgesamt verbessert. „Seit es die Toilette | |
| gibt, gibt es in der Umgebung deutlich weniger Kot“, sagt sie. Zumindest | |
| wird sie oft genutzt: laut Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg rund 150 mal | |
| am Tag. | |
| ## Das Klo kommt ohne Wasser aus | |
| Bei der nächsten Station am Invalidenpark in Berlin-Mitte bietet sich ein | |
| völlig anderes Bild: In der gepflegten Grünanlage unweit des Hauptbahnhofs | |
| steht ein großer gelber Kasten mit drei Kabinen. Eine mit einem Hockurinal | |
| für Frauen, ein Stehurinal und eine Sitztoilette. | |
| Alles ist sauber und an der Außenseite wird mit Piktogrammen erklärt, wie | |
| das Ganze funktioniert. Über einen QR-Code können Schäden gemeldet werden, | |
| ein weiterer führt zum Dürremonitor, der über die Trockenheit der Böden | |
| informiert. „Die Trockentoilette – Sparbüchse für wertvolles Trinkwasser�… | |
| steht daneben. Denn die kostenlosen Klos sind nicht nur barrierefrei, | |
| sondern auch besonders umweltfreundlich, da sie gänzlich ohne Wasser | |
| auskommen. | |
| Das funktioniert denkbar einfach: Per Kippmechanismus wird Festes und | |
| Flüssiges getrennt. Der Kot wird mit einem Förderband in eine Kiste | |
| befördert, die von den Reinigungskräften per Hand in eine Tonne geschüttet | |
| wird. Der Urin fließt direkt in einem großen Tank. Betrieben wird das Ganz | |
| über Solarpaneele, die auf dem Dach angebracht sind. Dort befindet sich | |
| auch ein Regenwassertank für die Reinigung. In der Kabine gibt es außerdem | |
| einen Wickeltisch und einen kostenlosen Tamponspender – der ist an diesem | |
| Tag allerdings leer. | |
| Salzmann scannt einen Code und gibt den Status der Toilette – inklusive der | |
| fehlenden Tampons – weiter. Dabei gibt es unterschiedliche Kategorien: | |
| Dringende Schäden wie Störungen am Förderband müssen innerhalb von 24 | |
| Stunden repariert werden und die Toilette wird bis dahin geschlossen. Für | |
| weniger dringende Probleme wie kaputte Schlösser haben die | |
| Handwerker*innen eine Woche Zeit. Am Schluss macht Salzmann Fotos vom | |
| aktuellen Zustand der Toilette und fährt zum nächsten Standort. | |
| ## Kostenlos – das ist keineswegs selbstverständlich | |
| Dass öffentliche Toiletten in Berlin umweltfreundlich, barrierearm, | |
| kostenlos und geschlechtergerecht sind, ist keineswegs selbstverständlich. | |
| Insgesamt 475 öffentliche Klos gibt es in der Vier-Millionen-Metropole. Die | |
| meisten werden von der Firma Wall betrieben, die auch die Außenwerbung an | |
| Bus- und Bahnhaltestellen verantwortet. Für ihre grauen, vollautomatischen | |
| WC-Anlagen verlangt die Wall GmbH in den meisten Fällen 50 Cent. Die frei | |
| zugänglichen und kostenfreien Pissoirs an der Außenseite können nur von | |
| Männern genutzt werden. | |
| Das finden viele ungerecht. „Toiletten sind Teil der öffentlichen | |
| Daseinsvorsorge und müssen für alle zugänglich sein“, sagt Katalin Gennburg | |
| der taz. Das sei aber mitnichten der Fall, so die Linke-Politikerin, die | |
| sich im Berliner Landesparlament seit vielen Jahren für mehr Inklusion bei | |
| der Toiletten-Infrastruktur einsetzt. Insbesondere ältere Menschen, kleine | |
| Kinder und menstruierende Personen – also Menschen, die verstärkt auf | |
| öffentliche Toiletten angewiesen sind –, würden aktuell benachteiligt. „Es | |
| geht um demokratische Teilhabe“, sagt Gennburg. | |
| Die Berliner Linkspartei fordert daher, alle öffentlichen Toiletten | |
| kostenfrei zur Verfügung zu stellen – so wie Hannover es bereits macht. | |
| Zehn Millionen Euro würde das die Hauptstadt kosten. Nicht viel angesichts | |
| des großen Nutzens, findet Gennburg. Zu viel, meint der schwarz-rote Senat, | |
| der einen strikten Sparkurs verordnet hat. | |
| Oft wird die Kostenpflichtigkeit zudem mit „Fehlnutzung“ etwa durch | |
| Obdachlose und Drogenabhängige gerechtfertigt. Für Gennburg kein | |
| überzeugendes Argument: „Wir müssen Obdachlosigkeit bekämpfen, aber nicht | |
| mit Bezahltoiletten. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, eine | |
| Schutzgebühr für eine Parkbank zu verlangen.“ Zumal die Erfahrung zeigt, | |
| dass „Fehlnutzung“ auch bei Bezahltoiletten vorkommt. | |
| ## Frauen müssen öfter auf Toilette als Männer | |
| Mit ihrer Kritik ist die Linke-Politikerin nicht allein. Auch das | |
| [3][Buschfunk-Bündnis] setzt sich seit vielen Jahren für eine | |
| geschlechtergerechte Verteilung und Konzipierung von Toiletten in der Stadt | |
| ein. Denn dass Frauen öfter auf Toilette müssen als Männer, ist | |
| wissenschaftlich erwiesen: Das Bedürfnis nach Miktion, also der Entleerung | |
| der Harnblase, tritt spätestens ein, wenn die maximale Harnblasenkapazität | |
| erreicht ist. Bei einer männlichen Blase sind das 350 bis 750 Milliliter | |
| und bei einer weiblichen 250 bis 550 Milliliter Urin. | |
| Dass es dennoch vielerorts mehr kostenlose öffentliche Toiletten für Männer | |
| als für Frauen gibt, [4][findet das Buschfunk-Bündnis ungerecht] und | |
| diskriminierend: Bereits mehrfach protestierten sie in Berlin mit | |
| öffentlichen Piss-Ins von Flinta, also Frauen, Lesben, intersexuellen, | |
| nicht-binären, trans und agender Personen, für mehr Pinkelgerechtigkeit. | |
| Denn die Senatsverwaltung begründete die kostenlosen Steh-Pissoirs für | |
| Männer – und die fehlende kostenlose Pinkel-Möglichkeit für Frauen – dam… | |
| dass das „Phänomen des Wildpinkelns“ nur von Männern ausginge. Eine | |
| Ordnungswidrigkeit übrigens, die mit bis zu 5.000 Euro bestraft werden | |
| kann. | |
| Die lautstarke Kritik an der Benachteiligung auf dem Pott hat dazu geführt, | |
| dass mittlerweile überall, wo in Berlin ein Steh-Pissoir angebracht ist, | |
| auch das Sitzklo gratis ist. Seit Mitte vergangenen Jahres sind daher | |
| immerhin 107 Wall-Toiletten kostenlos nutzbar. Die restlichen 175 kosten | |
| aber weiterhin 50 Cent. Lediglich Menschen mit Behinderung können mit einem | |
| speziellen Schlüssel sämtliche Toilettenanlagen in der EU kostenfrei | |
| nutzen. Andere brauchen eine Geldkarte oder ein Smartphone mit | |
| Bezahlfunktion. Denn nach einer [5][Einbruchserie auf die Münzfächer der | |
| City-Toiletten] wurde die Bargeldzahlung 2022 abgeschafft. | |
| Für Katalin Gennburg sind die kostenlosen Toiletten ein großer Erfolg – dem | |
| allerdings kein Umdenken vorausgegangen sei. „Es waren mehrere Klagen nach | |
| dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anhängig“, sagt sie. Der | |
| Senat musste also so handeln. Für sie liegt das Problem tiefer. „Es geht um | |
| die Frage, wem die Stadt gehört.“ | |
| ## Die meisten öffentlichen Klos stehen an Touri-Orten | |
| Das zeige sich auch daran, dass sich die meisten öffentlichen Klos an | |
| touristischen Orten befinden würden und nicht dort, wo die | |
| Berliner*innen sie am dringendsten brauchen. „An touristischer | |
| Infrastruktur wird nicht gespart, aber wenn es um das Alltagsleben der | |
| Menschen in dieser Stadt geht, ist kein Geld da“, kritisiert Gennburg. | |
| Dass Urinale generell nur für Männer konzipiert werden, wollte die | |
| Berlinerin Lena Olvedi vom Buschfunk-Bündnis nicht akzeptieren. „Unsere | |
| Bedürfnisse werden unsichtbar gemacht“, sagt sie der taz. „Warum haben | |
| Frauen nicht auch zwei Optionen? Zumal wir uns meist eh nicht auf die | |
| Klobrille setzen und halbe Akrobatik machen müssen, um pullern zu gehen.“ | |
| Also entwickelte Olvedi das sogenannte [6][Missoir], das Hockurinal, das | |
| zuvor bereits auf mehreren Festivals wie der Fusion erprobt wurde, wird | |
| auch bei vielen der Berliner Ökotoiletten eingesetzt. Denn das Missoir | |
| verbraucht kein Wasser – im Gegensatz zu herkömmlichen Sitzklos, die etwa | |
| sechs Liter, und Pissoirs, die zwei Liter Wasser verbrauchen. Bei im | |
| Schnitt zwischen fünf und acht Blasenentleerungen pro Tag pro Person – und | |
| entsprechend mehr bei Alkoholkonsum – kann so viel wertvolles Trinkwasser | |
| gespart werden. | |
| Beim Gros der Klohäuschen bleibt es allerdings bei den für Frauen | |
| unbenutzbaren Stehurinalen – obwohl das Missoir prinzipiell auch von | |
| Penisträgern genutzt werden kann. Laut Senat hat sich das Hockurinal zwar | |
| bewährt, ein nachträglicher Einbau sei jedoch „derzeit nicht realisierbar�… | |
| Für Flinta ist das ein Problem: Denn viele der Sitzklos sind aus | |
| hygienischen Gründen unbenutzbar – oder werden anderweitig genutzt. | |
| ## Drogen werden offen konsumiert | |
| Das zeigt sich auch am Leopoldplatz im Wedding. Viktoria Salzmann parkt | |
| ihren Kombi, in dessen Kofferraum sich eine gut ausgestattete Werkstatt | |
| befindet, direkt vor den Ökotoiletten. Mehrere Drogenabhängige, | |
| hauptsächlich Männer, umringen die Kabinen. Die werden hier augenscheinlich | |
| überwiegend zum Dealen verwendet. Direkt hinter den Klos befindet sich ein | |
| überdachter Bereich mit Sitzbänken, in dem offen konsumiert wird. | |
| Für die Mitarbeiter*innen von Ökotoiletten keine einfache Situation: | |
| „Als ich hier mal was einbauen musste, standen um mich herum etwa 20 | |
| Junkies. Einer von ihnen hat dann direkt unter mir Crack geraucht“, erzählt | |
| die junge Frau. Normale Inspektionen finden hier daher auch nicht mehr | |
| statt, sondern nur Notfallreparaturen. | |
| Salzmann holte sich Hilfe bei den Sozialarbeiter*innen von Fixpunkt, | |
| die einige Meter entfernt einen Container betreiben. Dort gibt es Kaffee | |
| für 30 Cent und eine Ausgabe für Drogenutensilien. Feuerzeuge und | |
| Glaspfeifen kosten einen Euro, alles andere ist kostenlos. Eine | |
| Sozialarbeiterin reicht den Kund*innen aus dem Fenster sterile Spritzen, | |
| Abbinder oder Metallpfännchen zum Aufkochen von Crack oder Heroin. Hier am | |
| Leo werde jedoch eher Crack geraucht, während am Kotti eher Heroin | |
| konsumiert wird, erklärt die Frau, die bereits seit 15 Jahren in der | |
| Drogenhilfe arbeitet. | |
| Tatsächlich hat sich die Situation am Leopoldplatz [7][in den vergangenen | |
| Jahren massiv verschärft]. Früher war er vor allem von Alkoholkonsum | |
| geprägt, heute sieht man viele Menschen, die völlig offen mit einem | |
| Röhrchen aus einem Streifen gefalteter Alufolie Heroin oder Crack | |
| inhalieren. Seit mehreren Jahren breitet sich der Konsum von Crack, also | |
| Kokain in einer kristallinen Form, bundesweit rasant aus. Das Rauchen führt | |
| schnell zu einem intensiven Rauschzustand, der jedoch nur 10 bis 15 Minuten | |
| anhält. Crack hat, gefolgt von Heroin, das größte Abhängigkeitspotenzial. | |
| ## Gestiegenes Aggressionspotenzial | |
| Und es führt auch zu einer Verhaltensveränderung. Laut der | |
| Anwohner*inneninitiative „Wir am Leo“ sind die Abhängigen dort | |
| aggressiver und lauter geworden. Auch die Polizei berichtet von gestiegenem | |
| Aggressionspotenzial. Das bestätigt auch die Kriminalitätsstatistik, laut | |
| der die Anzahl von Körperverletzungen im öffentlichen Raum rund um den | |
| Leopoldplatz in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. | |
| Dass sich unweit des Aufenthaltsbereiches der Abhängigen ein | |
| Kinderspielplatz befindet, verschärft die Situation zusätzlich. | |
| Ursprünglich war dort auch die Ökotoilette aufgebaut worden, nach | |
| Beschwerden, dass sich nun noch mehr Abhängige in der Nähe des Spielplatzes | |
| aufhalten, wurde sie näher an den Aufenthaltsort der Konsument*innen | |
| verlegt. | |
| Viktoria Salzmann selbst hat noch keine schlimmen Situationen mit Junkies | |
| erlebt – im Gegenteil. „Die meisten sind total friedlich und dankbar“, sa… | |
| sie. Viele würden sich auch schämen. „Ich finde das eher tragisch als | |
| bedrohlich.“ Am Leo habe sie schon mehrfach verwahrloste Minderjährige | |
| angetroffen, woraufhin sie die Sozialarbeiter*innen informiert habe. | |
| Das geht nicht spurlos an ihr vorbei. „Das schwierigste ist, das Elend, das | |
| man sieht, auszuhalten.“ | |
| Am Ende des Tages zeigt sich: Öffentliche Toiletten sind eine Art | |
| gesellschaftlicher Spiegel. Je nach Art der Umgebung werden sie auch | |
| genutzt. In Problemkiezen tummeln sich dort Abhängige und Obdachlose, in | |
| der Nähe der Kurfürstenstraße mit ihrem überregional bekannten | |
| Straßenstrich werden sie als Verrichtungsboxen genutzt, andernorts liegen | |
| die Probleme eher an Übernutzung durch normale Toilettengänger*innen. | |
| ## „Kein finanzieller Spielraum für weitere Toiletten“ | |
| Gebraucht werden sie jedoch überall. „Es gibt insgesamt viel zu wenige | |
| öffentliche Toiletten“, sagt die Linke-Politikerin Katalin Gennburg. Der | |
| Forderung nach – am besten nachhaltigem – Ausbau der Toiletteninfrastruktur | |
| erteilt die in Berlin mit der SPD regierende CDU jedoch eine Absage: „Wir | |
| haben dieses und wahrscheinlich auch nächstes Jahr keinen finanziellen | |
| Spielraum, um weitere Toiletten aufzustellen“, sagte der umweltpolitischer | |
| Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Freymark, Mitte Januar im Umweltausschuss | |
| des Berliner Abgeordnetenhauses. | |
| Das Problem, dass es zu wenige öffentliche Toiletten gibt – geschweige | |
| denn, dass sie nachhaltig, nicht diskriminierend und kostenfrei sind – | |
| betrifft jedoch nicht nur Berlin. Bloß wird andernorts kaum darüber | |
| geredet. „Klos sind ein Tabuthema, obwohl es uns täglich beschäftigt“, sa… | |
| Lena Olvedi. Sie hofft, dass andere Städte und Kommunen das Pilotprojekt in | |
| Berlin zum Vorbild nehmen und ebenfalls Missoirs aufstellen. Bei den | |
| Ökotoiletten ist das schon der Fall. „Das Geschäft boomt“, sagt Manager | |
| Julian Junghans der taz. Mittlerweile betreiben sie die Ökoklos in | |
| zahlreichen anderen Städten wie Freiburg, Düsseldorf, Koblenz oder auf | |
| Rügen. | |
| Von einer flächendeckenden Versorgung mit kostenlosen öffentlichen Klos | |
| sind deutsche Städte aber noch weit entfernt. Dabei machen es andere Länder | |
| vor: In Paris etwa sind schon lange alle öffentlichen Toiletten kostenfrei | |
| nutzbar. Ebenso in Tokio, Helsinki oder New York. Amsterdam will nun nach | |
| jahrelangen Protesten von Feminist*innen vier Millionen Euro in | |
| öffentliche Toiletten investieren, die alle barrierefrei nutzen können. | |
| Und Berlin? Das Pilotprojekt mit den nachhaltigen, barrierearmen und | |
| geschlechtergerechten Ökotoiletten wurde bereits einmal verlängert und | |
| endet regulär Ende März. Die Senatsumweltverwaltung teilt auf taz-Anfrage | |
| mit, es solle „noch einmal um einige Monate verlängert werden“ – | |
| „mindestens bis Ende 2025“. Und da die Trockentoiletten „sehr gut | |
| angenommen wurden und sich bewährt haben“, sei für nächstes Jahr eine | |
| Nachfolgelösung vorgesehen. „Eine entsprechende Ausschreibung ist in der | |
| Planung.“ | |
| Weil die 24 zusätzlichen Toilettenanlagen jedoch nicht reichen, um Berlins | |
| Pinkel-Bedarf aufzufangen, setzt der Senat – wie viele andere Städte auch – | |
| auf die „nette Toilette“. Dabei erhalten Gastronom*innen Geld dafür, | |
| dass sie ihre Toilette kostenlos zur Verfügung stellen. Wen sie am Ende | |
| reinlassen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. | |
| 6 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ecotoiletten.de/ | |
| [2] /Massnahmen-am-Kottbusser-Tor-Berlin/!6020255 | |
| [3] https://buschfunk-buendnis.com/ | |
| [4] /Es-gibt-zu-wenige-oeffentliche-Toiletten/!5837682 | |
| [5] /Einbrueche-in-Berliner-City-Toiletten/!5843898 | |
| [6] https://www.missoir.de/ | |
| [7] /Debatte-um-den-Leopoldplatz/!5953465 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| wochentaz | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Klo | |
| Toilette | |
| Infrastruktur | |
| Kottbusser Tor | |
| Social-Auswahl | |
| Drogenkonsum | |
| Hamburg | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wie geht es weiter am Leopoldplatz?: Raus aus dem Kreislauf | |
| Nach dem Hilferuf der Anwohner ist einiges passiert am Leopoldplatz. Die | |
| Drogenszene wurde teils verdrängt, teils eingehegt durch soziale Maßnahmen. | |
| Flinta*-Klo in Hamburger Park: Pinkeln ist politisch | |
| Keine Toilette in Sicht? Im Gebüsch wird’s für viele von uns schwierig. | |
| Studierende bauten deshalb ein Flinta*-Klo im Hamburger Schanzenpark. | |
| Abstinente Fangruppe des 1. FC Union: Nach dem Dry January bleibt’s weiter tr… | |
| Fußball und Bier gehören zusammen wie Handelfmeter und Videobeweis? Das | |
| sieht die Union-Fangruppe „Nüchtern betrachtet … mehr vom Spiel“ ganz | |
| anders. | |
| Wohnungssuche in Berlin: In der Schlange | |
| Unsere Autor*innen haben in Berlin eine Wohnung gesucht. Ihre Erlebnisse | |
| haben sie hier aufgeschrieben. | |
| Ein Präparator über staunenswerte Natur: „Ratte, Fuchs und Waschbär überl… | |
| Seit 40 Jahren arbeitet Christian Blumenstein im Naturkundemuseum Potsdam | |
| als zoologischer Präparator. Der 56-Jährige macht das leidenschaftlich | |
| gern. |