# taz.de -- Benin-Bronzen gehen nach Nigeria: Vom Ländle zurück in die Heimat | |
> Das Stuttgarter Linden-Museum gibt seine Benin-Bronzen an Nigeria zurück. | |
> Die Institution wird so zum Vorbild im Umgang mit Exponaten der | |
> Kolonialzeit. | |
Bild: Noch hängt es in Stuttgart: ein Kunstobjekt aus Benin | |
Nicht alle der sogenannten Benin-Bronzen sind aus Bronze. Eins der | |
wertvollsten Objekte der Reihe im Stuttgarter [1][Linden-Museum] ist eine | |
weiße Maske aus Elfenbein, die offenbar über Jahrhunderte im Königreich | |
Benin in Ehren gehalten wurde, bis britische Kolonialsoldaten sie raubten | |
und das Kunstwerk so auf verschlungenen Wegen 1964 nach Stuttgart kam. | |
Wenn am Freitag Kulturstaatsministerin [2][Claudia Roth] und | |
Außenministerin Annalena Baerbock (beide Die Grünen) mit Nigerias | |
Kulturminister Lai Mohammed und der Staatsministerin für Auswärtige | |
Angelegenheiten, Zubairo Dada, den Weg frei für die Rückgabe machen, dann | |
geht es auch um die Maske aus dem Linden-Museum. | |
Insgesamt 75 Benin-Bronzen befinden sich im [3][Besitz des Linden-Museums], | |
64 werden aktuell in der Ausstellung „Spuren aus dem Depot“ gezeigt, | |
darunter auch die weiße Elfenbeinmaske. Damit ist das Haus neben dem Museum | |
am Rothenbaum, Hamburg, dem Rautenstrauch-Joest-Museum (Köln), dem Dresdner | |
Völkerkundemuseum sowie dem Ethnologischen Museum Berlin die Institution | |
mit den meisten Stücken aus dem ehemaligen Königreich, das 1897 von | |
britischen Truppen vernichtet wurde. | |
## Persönlicher Besuch | |
Fast allen Häusern stattete der Generaldirektor der Nationalen Museums- | |
und Denkmalbehörde Nigerias, Abba Tijani, diese Woche einen persönlichen | |
Besuch ab. Er wolle auch nach der Rückgabe mit den Museen zusammenarbeiten, | |
kündigte Tijani in Stuttgart an. Für ihn selbst sei es eine Rückkehr, sagte | |
der Chef der obersten Kulturbehörde des Landes. Als Student habe er vor | |
Jahrzehnten selbst im Linden-Museum geforscht. | |
Die Staatssekretärin der Landesregierung, Petra Olschowski, betonte, dass | |
ihr Bundesland in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Restitution | |
übernommen habe. Nachdem die Debatte um die Rückgabe afrikanischer | |
Kulturgüter mit dem Bericht von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy im Auftrag | |
der französischen Regierung angestoßen worden war, hatte Baden-Würtemberg | |
2019 einen ersten Schritt der Restitution getan: | |
Die persönliche Bibel und eine Peitsche des namibischen Nationalhelden | |
Hendrik Witbooi wurden aus Stuttgart an Namibia zurückgegeben. Damals war | |
das ein wichtiger erster Schritt, sagte Olschowski, der ihr gezeigt habe, | |
welche emotionale Bedeutung solche Objekte auch für die nigerianische | |
Bevölkerung hätten. | |
## Vergleichsweise offensiv | |
Auch bei der Rückgabe der berühmten Bronzen ist Baden-Württemberg | |
vergleichsweise offensiv. Die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart | |
beschloss als erstes Bundesland ihre Rückgabe. „Damit übernehmen wir auch | |
gegenüber Ländern, die nicht von Deutschland kolonialisiert wurden, | |
Verantwortung für die koloniale Geschichte“, erklärte Olschowski. | |
Die Benin-Bronzen im Lindenmuseum kamen seinerzeit entweder über Auktionen | |
in England oder über Händler direkt aus Nigeria ins Schwäbische, oft auch | |
als Schenkungen aus privaten Sammlungen wie der des Heilbronner | |
Lebensmittelherstellers Knorr. | |
Die Vorreiterrolle des Südwestens habe den Restitutionsprozess in | |
Deutschland beschleunigt, bestätigte Tijani am Mittwoch in Stuttgart. Von | |
der Vereinbarung mit der Bundesregierung am Freitag und der Übergabe erster | |
Objekte aus Deutschland nach Nigeria bis Jahresende erhofft sich Tijani | |
einen Anschubeffekt für internationale Verhandlungen. Bei Museen in | |
Großbritannien und den USA müssten noch einige Hürden überwunden werden, | |
berichtet Tijani. | |
Für das Linden-Museum besteht die Aussicht, einzelne Stücke der | |
Benin-Bronzen als Leihgabe in der Sammlung behalten zu können, um die | |
Kolonialgeschichte und mit Europa verflochtene Geschichte der Werke selbst | |
erzählen zu können. Denn die Bronze für die Kunstwerke stammt oft aus | |
Europa und wurde von Portugiesen nach Benin gebracht, bis sie später als | |
Kriegsbeute nach Europa verschleppt wurden. | |
Ob dieses Argument nicht ein Trick sei, um am Ende doch nicht alles | |
zurückgeben zu müssen, fragt ein Journalist. Abba Tijani verneint: „Wir | |
wollen kein Vakuum erzeugen. Uns geht es darum, dass auch in den deutschen | |
Museen funktionierende Ausstellungen verbleiben.“ | |
30 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kolonialgeschichte-im-Linden-Museum/!5762162 | |
[2] /Rueckgabe-von-Benin-Bronzen-an-Nigeria/!5864588 | |
[3] /Neue-Dauerausstellung-im-Linden-Museum/!5845148 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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