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# taz.de -- Bedrohte Pressefreiheit in Italien: „Domani“ ist auch noch da
> Nicht nur der aus dem Staatsfernsehen ausgeladene Schriftsteller Antonio
> Scurati besorgt die Italiener. Auch die Tageszeitung „Domani“ ist
> bedroht.
Bild: Antonio Scurati spricht auf einer Demonstration zum Tag der Befreiung in …
Ist in Italien die Pressefreiheit bedroht? Zwei Fälle sorgen gegenwärtig
für Unruhe unter den Journalist*innen des Landes.
Am letzten Samstag fand sich der bekannte Autor [1][Antonio Scurati] – aus
seiner Feder stammt die zum internationalen Erfolg gewordene [2][Trilogie M
über Benito Mussolini] – plötzlich aus einem Polit-Talk des
Staatsfernsehens Rai ausgeladen, in dem er einen kurzen Monolog zum 25.
April, in Italien der Tag der Befreiung von Nazis und Faschisten, halten
sollte.
Zugleich laufen Ermittlungen gegen drei Journalisten der [3][Tageszeitung
Domani,] weil sie sich auf unlautere Art Informationen über [4][Guido
Crosetto], Verteidigungsminister in der Rechtsregierung unter Giorgia
Meloni, beschafft haben sollen.
Scurati hatte schon einen Vertrag für seinen Auftritt. Doch dann hieß es
aus dem Sender, sein Beitrag sei „aus verlegerischen Gründen“ gecancelt.
Zugleich aber behauptete der für Informationsprogramme Verantwortliche der
Rai, es habe bloß Unstimmigkeiten übers Honorar gegeben.
## Kontrolle immer erdrückender
Das mag keiner so recht glauben. Scurati jedenfalls veröffentlichte den
Text, den er hatte lesen wollen – und in dessen Zentrum stand die für die
postfaschistische Regierungschefin Meloni hochnotpeinliche Frage, wie sie
es denn mit dem Antifaschismus hält.
Vorneweg die Gewerkschaft der Rai-Journalist*innen, Usigrai, wollte die Mär
vom Zwist ums Honorar nicht schlucken. Sie veröffentlichte einen
Brandbrief, in dem es heißt: „Die Kontrolle der Rai-Spitze über die
Information im öffentlichen Sender wird immer erdrückender“. So erdrückend
jedenfalls, dass die Usigrai für den 6. Mai zu einem eintägigen Streik in
allen Nachrichtensendungen des Staats-TV aufruft.
Mindestens genauso große Sorgen machen sich viele Medienschaffende Italiens
auch über die Ermittlungen gegen die Tageszeitung Domani. Die hatte Details
über die Geschäfte des Verteidigungsministers Crosetto veröffentlicht.
Bevor er im Oktober 2022 in die Regierung Meloni eintrat, hatte er acht
Jahre lang als Präsident des Verbands der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie
gewirkt und bekam zugleich einen hochdotierten Beratervertrag von Leonardo,
Italiens größtem Rüstungsunternehmen.
Crosetto war seinerseits hocherzürnt, als er Details über seine Honorierung
in Domani lesen musste, und erstattete Anzeige. Vor wenigen Wochen kamen
die Ermittler*innen dem Mann auf die Spur, der die heiklen
Informationen an Domani weitergereicht hatte: ein Offizier der
Finanzpolizei, der in der nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft das Büro
zur Aufklärung dubioser Geldflüsse leitete.
## Neun Jahre Haft – theoretisch
Aus der Tatsache, dass die Domani-Journalisten sich dieser Quelle bedient
hatten, soll ihnen nun ein Strick gedreht werden. Ihnen wirft jetzt die
Staatsanwaltschaft Perugia vor, sie seien gleichsam als Mittäter des
Beamten der Finanzpolizei beim illegalen Zugriff auf staatliche Datenbanken
und beim Geheimnisverrat tätig gewesen. Theoretisch könnten ihnen, wenn die
Anklage Bestand haben sollte, bis zu neun Jahre Haft drohen.
„All dies ist eines Landes nicht würdig, das auf die Gewaltenteilung und
vor allem auf die Pressefreiheit hält“, entgegnet der Domani-Chefredakteur
Emiliano Fittipaldi: „Wir glauben, einfach unsere Arbeit getan zu haben. Es
gehört zum ABC des Journalismus, Nachrichten zu suchen“.
Noch ist es ein weiter Weg bis zu einer Anklage, doch schon die Tatsache,
dass die Ermittlungen laufen, „erschüttert die Glaubwürdigkeit der
Journalisten“, wie Stefano Vergine erklärte, einer der drei Beschuldigten,
denn „man versucht, unsere ganze bisherige Arbeit zu delegitimieren“.
Noch allerdings sind auch in Italien die Pressefreiheit und der
Quellenschutz hohe Rechtsgüter. Das ist auch einigen Abgeordneten aus dem
Regierungslager aufgefallen. Sie wollen nachbessern, mit einem
Gesetzesvorschlag, der Journalist*innen bis zu acht Jahre Haft androht,
wenn sie Informationen publizieren, die „auf kriminellem Weg erlangt“
wurden.
26 Apr 2024
## LINKS
[1] /Kein-Antifaschismus-in-der-RAI/!6003213
[2] /Faschismus-im-Roman/!5662974
[3] /Neue-linke-Zeitung-Domani-in-Italien/!5711447
[4] /Regierungsbildung-in-Italien/!5886927
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
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