# taz.de -- Haft eines kubanischen Journalisten: Zu unbequem für das System | |
> Der Journalist José Luis Tan Estrada wurde fünf Tage von der kubanischen | |
> Polizei festgehalten. Ein Beispiel für die repressive Politik im Land. | |
Bild: Der Journalist José Luis Tan Estrada (links) bei einer Recherche | |
taz | Am 26. April stieg José Luis Tan Estrada, unabhängiger Journalist aus | |
der kubanischen Stadt Camagüey, morgens um halb sieben in den Bus nach | |
Havanna. Sein Ziel erreichte er nicht. | |
„Am Kontrollposten der Provinz Mayabeque stiegen zwei Uniformierte in den | |
Bus, kontrollierten meinen Ausweis, nahmen mich fest und legten mir | |
Handschellen an. Ich wurde als Söldner und wegen der Verbreitung von | |
Falschinformationen festgenommen. Sie hatten auf mich gewartet“, erklärte | |
der 27-Jährige im Interview mit Luz Escobar vom Diario de Cuba, einem | |
regierungskritischen Onlineportal aus Spanien. Er sei von der Polizei | |
brutal fixiert worden, sodass ihm Rücken und Kopf sehr weh getan hätten, | |
[1][so Tan Estrada im Interview mit der Journalistin]. | |
[2][Escobar, Kubanerin und 2022 mit dem Journalistenpreis der konservativen | |
spanischen Tageszeitung El Mundo ausgezeichnet], kennt den Alltag | |
unabhängiger Journalist:innen in Kuba. Bis zum Oktober 2022 war sie für | |
die Redaktion des Onlinemediums 14y medio aktiv. Dann ergriff sie die | |
Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Töchtern die Insel nach Spanien zu | |
verlassen. Sie war mürbe nach jahrelangen Schikanen der politischen Polizei | |
Kubas, die sie immer wieder unter Hausarrest gestellt und zu Verhören | |
vorgeladen habe, so Escobar im Interview mit der taz. | |
Tan Estrada wurde wegen eines zentralen Vorwurfs festgenommen: Arbeit für | |
ein unabhängiges, aus dem Ausland finanziertes Medium in Kuba. Das ist in | |
[3][Kuba] illegal und die gesetzlichen Grundlagen wurde am 26. Mai 2023 mit | |
der Verabschiedung vom „Gesetz zur sozialen Kommunikation“ verschärft. Im | |
Artikel 28 dieses Gesetzes wird festgelegt, dass sich die Medien „im | |
sozialistischen Besitz des Volkes oder der politischen und sozialen | |
Massenorganisationen befinden müssten“. | |
Private, unabhängige Medien sind spätestens mit der Verabschiedung dieses | |
Gesetzes in Kuba illegal. Präsident Miguel Díaz-Canel erklärte vor dem | |
Parlament, dass es nötig sei, mediale „Subversion“ zu unterbinden, und | |
bezeichnete unabhängige Medien pauschal als „Söldner im Dienste | |
ausländischer Interessen“. | |
## Kuba schneidet bei Pressefreiheit schlecht ab | |
Für Reporter ohne Grenzen ist das Gesetz der angekündigte „Tod der | |
Pressefreiheit in Kuba“. Das kubanische Parlament entziehe der fragilen | |
unabhängigen Medienszene der Insel, die sich seit den 1990er Jahren | |
entwickelt habe, den Boden, kritisierte Artur Romeu, Amerika-Direktor von | |
Reporter ohne Grenzen im Mai 2023. Kuba rangiert auf der gerade | |
veröffentlichten Liste der Pressefreiheit auf Platz 168 von 180 – als | |
letztes lateinamerikanisches Land. | |
Der Umgang mit José Luis Tan Estrada ist dafür exemplarisch: Bis Ende 2022 | |
war Tan Estrada Dozent für Journalismus an der Universität von Camagüey. | |
Aufgrund seiner Artikel für CubaNet, ein von den USA finanziertes und in | |
den USA ansässiges Onlineportal, für „Diario de Cuba“ und in den sozialen | |
Netzen wurde er entlassen und wiederholt von der Polizei vorgeladen, | |
verhört und unter Druck gesetzt. | |
Seine Festnahme am 26. April, seine Inhaftierung im Verhörzentrum Villa | |
Marista der politischen Polizei in Havanna bis zum 1. Mai sei ohne | |
rechtliche Grundlage erfolgt, so der Anwalt Alain Espinosa der juristischen | |
Beratungsorganisation Cubalex auf taz-Anfrage. Internationale Proteste von | |
Amnesty International, der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP) | |
oder der mexikanischen Organisation für Pressefreiheit Artículo 19 trugen | |
mutmaßlich zur Freilassung Tan Estradas bei. In den sozialen Medien | |
bekundeten tausende unter Hashtags wie #InformarNoEsDelito – Informieren | |
ist keine Straftat – ihre Solidarität für den Journalisten. | |
Am Morgen des 1. Mai wurde der Journalist von Polizisten in den Bus nach | |
Camagüey gesetzt. Zwei Tage später gab er in einer Videobotschaft und im | |
Interview mit Luz Escobar vom „Diario de Cuba“ Auskunft über seine | |
Haftbedingungen. Psychologischen Terror und Isolationshaft bei gleißender | |
Neonbeleuchtung kritisierte er genauso wie Hunger und Durst während seiner | |
fünftägigen Haft. | |
## „Heute gilt für Journalisten ein Ausreiseverbot“ | |
Für Iván García, kubanischer Korrespondent des in Miami erscheinenden | |
Diario Las Amerícas, ist die Festnahme von Tan Estrada mehr als nur ein | |
Beispiel für das seit 2017 erfolgende repressive Vorgehen der kubanischen | |
Behörden gegen unabhängige Medienredaktionen wie El Toque, El Estornudo | |
oder 14 y Medio. „Festnahmen hat es auch damals gegeben, aber selten länger | |
als 24 Stunden. Viele Kollegen konnten 2015 und 2016 ausreisen, an | |
internationalen Konferenzen teilnehmen, sich fortbilden. Das sei vorbei: | |
Heute gilt für fast alle Journalist:innen in Kuba ein Ausreiseverbot“, | |
so der 57-Jährige im Interview mit der taz. | |
García, der Mitte der 1990er bei der ersten unabhängigen Presseagentur Cuba | |
Press mitarbeitete, bedauert, dass rund 80 Prozent der unabhängigen | |
Journalist:innen Kubas mittlerweile ausgereist sind. | |
Er glaubt, dass es noch einen weiteren Grund für die Festnahme Tan Estradas | |
gegeben habe. „Er hat in Camagüey Menschen in extremer Armut unterstützt, | |
darüber und über Fälle berichtet, in denen Menschen durch das soziale | |
Sicherungssystem fielen. Das ist ein weiterer Grund für die Festnahme von | |
Jose Luis Tan Estrada“, meint García. Tan Estrada sei besonders unbequem. | |
In seiner Videobotschaft kündigte er bereits an, weitermachen zu wollen. | |
7 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://diariodecuba.com/derechos-humanos/1714748568_54566.html | |
[2] /Ein-Jahr-nach-den-Protesten-in-Kuba/!5863914 | |
[3] /Kuba/!t5008377 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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