# taz.de -- Autorinnen über Einfluss der Wirtschaft: „Eine Niederlage für d… | |
> Es ist kein Naturgesetz, dass sich fossile Industrien weiter durchsetzen, | |
> so Susanne Götze und Annika Joeres, Autorinnen von „Die | |
> Klimaschmutzlobby“. | |
Bild: Klimaaktion in Erfurt | |
taz: Dass das Corona-Konjunkturpaket keine Autokaufprämie enthält, mag für | |
die Klimabewegung als Triumph erscheinen. Ist es tatsächlich gelungen, den | |
Einfluss der Industrie zurückzudrängen? | |
Susanne Götze: Es ist eine Niederlage für die Autolobby. Mit den Skandalen | |
der letzten Jahre hat sie sich selbst diskreditiert. Journalist*innen wie | |
wir haben die Machenschaften zwischen ihr und dem Kanzleramt offengelegt. | |
Mehr Transparenz führt eben auch zu einer ehrlicheren Politik. | |
Annika Joeres: Die Autoindustrie geht trotzdem nicht leer aus. Man bekommt | |
ja für jeden klimaschädlichen Verbrenner die Mehrwertsteuerersparnis. Es | |
gab kein Umlenken in diesem Konjunkturpaket, das den Anforderungen des | |
Klimaschutzes gerecht würde. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder | |
kündigte jüngst an, im Herbst Lösungen für die Autohersteller finden zu | |
wollen. Die Lobby schläft nicht. | |
Einige Bundesländer werden „Autoländer“ genannt, weil der Lobbyeinfluss so | |
groß ist. | |
Götze: Es ist nicht nur bei der Autolobby so. Sondern zum Beispiel auch | |
beim Energiekonzern RWE, an dem Gemeinden und Städte Aktienanteile haben. | |
Das sind starke gegenseitige Abhängigkeiten. Bei der Autolobby geht es vor | |
allem um Arbeitsplatzargumente. Aber diese Arbeitsplätze sind ohnehin | |
gefährdet, weil die Autolobby zu spät umgesteuert hat. | |
Haben sich auch andere fossilen Lobbys beim Konjunkturpaket durchgesetzt? | |
Joeres: Alles, was schon vorher Profit gebracht hat – Auto, Fleisch, | |
Flugreisen –, wird weiter befeuert durch die Mehrwertsteuersenkung. Dabei | |
wäre es nun einfach gewesen, klimaschädliche Subventionen zu streichen. | |
Laut Umweltbundesamt sind das rund 60 Milliarden Euro pro Jahr, knapp die | |
Hälfte des Konjunkturpakets. | |
Götze: Wenn ein Konjunkturpaket kommt, ist das grün: Das war vorher die | |
große Ankündigung. Aber das einzig Grüne nun ist die Förderung von E-Autos | |
und Wasserstofftechnologie. Keine Abwrackprämie für Verbrenner ist kein | |
Fortschritt. Und dann gibt es noch ein bisschen Förderung des öffentlichen | |
Nahverkehrs. Das zeigt, wie diese Regierung Politik macht – immer der | |
Minimalkonsens, und das heißt dann: Wir machen ja was. | |
Welchen Einfluss hat die Agrarlobby? | |
Joeres: Wir müssen Lebensmittel produzieren, deswegen können wir nicht | |
anders, ist immer das Argument. Dabei gibt es Methoden, die mit viel | |
weniger Emissionen auskommen oder sogar CO2 einlagern. Viele CDU-Mitglieder | |
im Agrarausschuss sind selbst Bauern, die meisten von ihnen Großbauern. | |
Dasselbe gilt für die EU-Abgeordneten. Wozu diese Machtpolitik führt, zeigt | |
der Tönnies-Skandal: ein soziales und ökologisches Desaster, eine Gefahr | |
für Gesundheit und Umwelt. Agrarministerin Klöckner wiederholt die | |
Argumente der Agrarlobby, und die landwirtschaftlichen Emissionen bleiben | |
seit 30 Jahren ungefähr auf demselben hohen Level. | |
Sie schreiben auch über die Strategie, Gesetze so kompliziert wie m ö glich | |
zu machen, wie etwa beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem EEG. | |
Götze: Genau. Bei seiner Einführung im Jahr 2000 war das EEG fünf Seiten | |
lang, mittlerweile sind es über 100 Seiten. Man braucht eine ganze | |
Anwaltschar, um da durchzusteigen. Das ist clever gemacht. Es gab viele | |
Novellen des EEG, bis hin zum kompletten Abwürgen der Energiewende. | |
Der Klimaschutz ist für die Deutschen weiterhin eines der wichtigsten | |
Themen auf der politischen Agenda. Passen die Parteien ihre Kommunikation | |
daran an? | |
Joeres: Auf jeden Fall. Noch vor zehn Jahren sind viel mehr Personen, | |
beispielsweise von der FDP oder CDU, offen als Klimawandelleugner | |
aufgetreten. Heute sagen fast alle bis auf die AfD, dass der Klimawandel | |
menschengemacht ist. Nur was fehlt, ist die adäquate Reaktion darauf. Die | |
FDP sagt jetzt, wir müssen in Zukunftstechnologien investieren, dann müssen | |
wir unser Verhalten nicht ändern. Das ist die Strategie der technischen | |
Verheißung. Die Luftfahrtindustrie macht das seit Jahrzehnten erfolgreich | |
vor: Mal bewirbt sie die tropische Kletterpflanze Jatropha, mal das | |
„solarbetriebene Personen-Flugzeug“. Das hat technisch alles nicht | |
geklappt, aber argumentativ: Sie zahlen bis heute keine Kerosinsteuer. | |
Wer informiert darüber, wer bei Abgeordneten ein- und ausgeht? | |
Joeres: Bisher sind die Bürgerinnen und Bürger auf die Arbeit von NGOs und | |
Journalist*innen angewiesen. | |
Götze: Es gibt kein Lobbyregister, in dem man Kontakte von Unternehmen in | |
die Politik nachverfolgen kann. Initiativen dazu sind bisher am Widerstand | |
aus Union und FDP gescheitert. Mit dem Skandal um Philipp Amthor rückt das | |
Thema wieder auf die Tagesordnung. Wir sind gespannt, ob sich nun etwas | |
ändert. | |
Joeres: Solange das nicht so ist, sind die Bürgerinnen und Bürger auf die | |
Arbeit von NGOs und Journalist*innen angewiesen. | |
Wieso lohnt es sich, Ihr Buch zu lesen? | |
Joeres: Wir legen offen, wer hinter der fossilen Lobby steckt. Dass wir im | |
Klimaschutz scheitern, ist kein Naturgesetz. Sie haben beispielsweise in | |
Brüssel ein rund 10-mal so hohes Budget wie Umweltlobbyisten. | |
Götze: Wenn Klimaschützer*innen erfolgreich sein wollen, müssen sie ihre | |
Gegner kennen. | |
26 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Julia Dittmann | |
Lara Eckstein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Abwrackprämie | |
Konjunkturpaket | |
IG | |
Schwerpunkt Radfahren in Berlin | |
Auto-Branche | |
Autoverkehr | |
Nordrhein-Westfalen | |
Konjunkturpaket | |
Konjunkturpaket | |
Braunkohle | |
Kohleausstieg | |
Öffentlicher Nahverkehr | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Pop-up-Radwege in Berlin: Etappensieg für RadlerInnen | |
Berlins Pop-up-Radwege dürfen bleiben – vorerst. Der Verkehrswandel in | |
Richtung nachhaltige Mobililtät rückt damit ein Stückchen näher. | |
Vor Autogipfel in Berlin: Mehr Geld für Autofirmen? | |
Die SPD will corona-gebeutelte Zulieferer mit einem Mittelstandsfonds | |
unterstützen. Auch Grünen-Chefin Baerbock spricht sich dafür aus. | |
Automobilindustrie und Corona: Weniger Neue, dafür mehr PS | |
Die Zahl der zugelassenen und produzierten Autos in Deutschland sinkt. | |
Gleichzeitig wollen die Deutschen immer mehr PS unter der Motorhaube. | |
Die Grünen und Gewerkschaften in NRW: Der SPD den Rang ablaufen | |
Die Grünen umwerben im Bund und in NRW Gewerkschaften und Sozialverbände. | |
Konfliktpotenzial gibt es beim Klimaschutz. | |
Kritik am Konjunkturpaket: Kapitalisten sollten sich freuen | |
In der Krise ist das Konjunkturpaket bei aller Kritik genau richtig. | |
Solange der Markt die Preise regelt, wird der Kommunismus nicht ausbrechen. | |
Konjunkturpaket in der Coronakrise: Ziemlich zurückgelehnt | |
Der Bundestag hat wichtige Teile des Corona-Konjunkturpaketes beschlossen. | |
Auf Kritik aus der Opposition ging die Regierung nicht ein. | |
Vertrag mit Energiekonzernen: Kohleausstieg geht auch früher | |
Die Bundesregierung einigt sich mit den Konzernen: Sie bekommen viel Geld, | |
aber keinen Schutz vor künftigen Regelungen, die das Aus beschleunigen. | |
Kohlevertrag der Großen Koalition: Teure Chance fürs Klima | |
Der Vertrag zum Kohleausstieg ist besser geraten als befürchtet. Für die | |
Steuerzahler wird er aber auch teuer. | |
Coronahilfen von Bund und Ländern: Milliarden für den Nahverkehr | |
Deutsche Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass ihnen dieses Jahr etwa 5 | |
Milliarden Euro an Einnahmen wegbrechen. Bund und Länder springen ein. |