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# taz.de -- Automobilindustrie und Corona: Weniger Neue, dafür mehr PS
> Die Zahl der zugelassenen und produzierten Autos in Deutschland sinkt.
> Gleichzeitig wollen die Deutschen immer mehr PS unter der Motorhaube.
Bild: Hochmotorisiert in Reih' und Glied
Tübingen taz | Die Pkw-Produktion ist im ersten Halbjahr 2020 auf das
niedrigste Niveau seit 45 Jahren gefallen. Das teilte der Verband der
Automobilindustrie (VDA) in seiner Halbjahres-Pressekonferenz am Freitag
mit. Grund dafür seien unterbrochene Lieferketten, Produktionsstopps und
Nachfrageeinbrüche durch die Pandemie. Nachdem im Mai die
Pkw-Neuzulassungen um fast die Hälfte einbrachen, schrumpften sie im Juni
nun um ein Drittel auf 220.300 Fahrzeuge.
In den kommenden Monaten werde sich die Pkw-Nachfrage wahrscheinlich weiter
leicht erholen, so VDA-Chefin Hildegard Müller. Im Gesamtjahr werde die
Pkw-Nachfrage voraussichtlich um 23 Prozent zurückgehen.
Gewachsen ist allerdings die Nachfrage nach Elektroautos. Der Verband der
internationalen Kraftfahrzeughersteller rechnet für das erste Halbjahr mit
einem Zuwachs von etwa 90 Prozent. Das sind mehr als 90.000 neu zugelassene
E-Autos – mit batterieelektrischem Antrieb und Plug-In-Hybride.
Das freut Michael Müller-Görnert, Verkehrspolitischer Sprecher des
Verkehrsclub Deutschland (VCD): „Dass der Anteil von E-Autos zugenommen
hat, zeigt, dass sie krisenresistent sind. Die Hersteller müssen auf
elektrifizierte Fahrzeuge setzen.“ Oft käme es nun durch die erhöhte
Nachfrage zu Lieferschwierigkeiten. Kritisch sieht er den Zuwachs an
Plug-In-Hybriden. „Da bekommen Sprit-Säufer wie SUVs einen grünen Anstrich.
Das ist kontraproduktiv, nutzt den Firmen ihre CO2-Werte einzuhalten und
der Klimanutzen ist fraglich.“
Klimafreundlich sieht es auf europäischen Straßen sowieso nicht aus. So
sind laut vorläufigen Daten der Europäischen Umweltagentur in der EU,
Island, Norwegen und dem Vereinigten Königreich die durchschnittlichen
CO2-Emissionen von Neuwagen 2019 das dritte Jahr in Folge gestiegen. Der
Grund: immer mehr SUVs.
Dass höhermotorisierte Autos wie SUVs immer gefragter sind, stellt auch
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor vom Center Automotive Research
in Duisburg fest. 166 PS hätten neue Pkws im Schnitt in den ersten fünf
Monaten des Jahres in Deutschland gehabt. „Der Wunsch nach mehr PS steigt
weiter deutlich in Deutschland, aber auch anderen Ländern“, sagt
Dudenhöffer. Das sei aufgrund der Krise nur auf den ersten Blick
überraschend: „Bei Krisen in der Vergangenheit, etwa der Ölkrise, sind die
PS-Zahlen auch weiter gestiegen.“
Nur 2009 seien die PS-Zahlen wegen der Abwrackprämie gesunken, die sich vor
allem für günstigere Autos lohnte. „Menschen lieben schicke, emotionale,
PS-starke Autos.“ Nicht zwingend weil sie damit schnell unterwegs sein
wollen, sondern „die Gesamtausstattung ist hochwertiger.“ Der Marktanteil
von Minis und Kleinwagen ist mit 18 Prozent gleichzeitig der niedrigste
seit 20 Jahren. Dudenhöffer erwartet, dass sich auch nach der Krise der
Trend zu mehr PS fortsetzt. „Nach Corona wird das Auto eher wichtiger als
unwichtiger, da Menschen vorsichtiger werden und durch Social Distancing
eher das Auto als Bus oder Bahn nehmen.“
Müller-Görnert vom VCD rät: „Generell sollte man überlegen, ob man einen
Neuwagen braucht oder überhaupt ein Auto.“ Vor Corona sei der Trend für
Neuzulassungen weltweit bereits „leicht rückläufig“ gewesen. „Nutzen wir
die Krise als Chance anders unterwegs zu sein. Zum Beispiel mit dem
Fahrrad. Die Fahrradindustrie boomt – das zeigt, die Leute wollen anders
unterwegs sein.“
3 Jul 2020
## AUTOREN
Mareike Andert
## TAGS
Autoverkehr
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