# taz.de -- Ausgaben für die Bundeswehr: Taktieren um den Truppenetat | |
> Die Ampel will das Sondervermögen, braucht aber eine Grundgesetzänderung | |
> und die Union. Droht das neuerliche Scheitern eines Koalitionsprojekts? | |
Bild: Bei der Bundeswehr müssen nicht nur die Waffen optimiert werden | |
Für die Ampel lief es am Freitag im Bundestag nicht rund. Olaf Scholz war | |
für 8 Uhr in den Verteidigungsausschuss geladen, um seine | |
[1][Ukraine-Politik] zu erklären. Eine Stunde hatte er dafür Zeit, nur: | |
Gesagt hat er offenbar nichts. Das beklagen hinterher zumindest Abgeordnete | |
der Union, deren Job es ist, den Kanzler schlecht aussehen zu lassen. Das | |
sagt vor Kameras aber auch der FDP-Abgeordnete Marcus Faber, dessen Partei | |
doch mit Scholz regiert. | |
Um es kurz zu machen: In der Koalition gab das Ärger. Es dauerte keine | |
sechs Stunden, bis Faber seinen Rücktritt als verteidigungspolitischer | |
Sprecher der FDP anbot Eine holprige Aufführung, wie schon so viele seit | |
Beginn des Kriegs. Und möglicherweise nicht die letzte: Der Zeitplan der | |
Ampel sieht vor, dass Scholz nächste Woche wieder in den Bundestag kommt. | |
Dann nicht in den Ausschuss, sondern ins Plenum. Und dann geht es nicht nur | |
um die Performance, sondern um eine richtungsweisende Entscheidung: die | |
Einrichtung eines Sondervermögens für Verteidigungsausgaben. | |
Per Grundgesetzänderung will die Ampel den Weg frei machen für Kredite in | |
Höhe von 100 Milliarden Euro. Für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit braucht | |
die Koalition aber die Stimmen der Union. Der Abstimmungstermin am | |
Donnerstag wackelt. | |
In Detailfragen scheint dabei eine Einigung durchaus möglich. So könnte es | |
wie von der Union gefordert einen Tilgungsplan geben. Noch keinen Konsens | |
gibt es aber über den Verwendungszweck, ob die Milliarden also | |
ausschließlich für die Bundeswehr bestimmt sind (wie von CDU/CSU gefordert) | |
oder auch für andere Verteidigungsausgaben. | |
„Da geht es auch um Cyberangriffe. Mit Hackerangriffen lässt sich die | |
Energieversorgung einer ganzen Stadt lahmlegen, dann bricht hier Chaos | |
aus“, meint der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner. Die Grünen sehen es genauso. | |
## Die berühmten zwei Prozent | |
Der Knackpunkt ist aber vor allem das Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Die Union | |
fordert das Bekenntnis, dass Deutschland ab sofort und dauerhaft zwei | |
Prozent seiner Wirtschaftskraft in die Verteidigung steckt – auch dann, | |
wenn das Sondervermögen einmal aufgebraucht ist. Der reguläre | |
Verteidigungsetat müsste dafür ansteigen, von aktuell 50,3 Milliarden | |
langfristig auf über 70 Milliarden Euro. | |
„Wir sind auf einem guten Weg, aber die Einigung ist noch nicht erreicht“, | |
sagt Johann Wadephul, Vize-Fraktionschef der CDU. Entscheidend sei, dass | |
der Verteidigungsetat insgesamt wachse, damit die zwei Prozent dauerhaft | |
abgesichert seien. „Vorübergehend kann das auch aus dem Sondervermögen | |
kommen.“ Der Union schwebt vor, die Nato-Quote in einem | |
Bundeswehrfinanzierungsgesetz festzuschreiben. | |
Das aber will die Ampel nicht. Das Extra-Geld für die Truppe müsste ja | |
irgendwo herkommen. Gegen Steuererhöhungen sträubt sich die FDP, während | |
SPD und Grüne gegen Kürzungen in anderen Etats sind. Projekte wie die | |
Kindergrundsicherung oder das Bürgergeld wären sonst gefährdet. Dazu kommen | |
generelle Vorbehalte gegen das Zwei-Prozent-Ziel. | |
„Die Union kann gar nicht sagen, wie das ganze Geld so schnell abfließen | |
soll“, sagt der Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. „Solche hohen | |
Summen in so kurzer Zeit würden nur zu neuen Untersuchungsausschüssen und | |
höheren Gewinnen der Rüstungsindustrie führen, aber nicht die konkreten | |
Fähigkeiten der Bundeswehr verbessern.“ | |
Der durchaus bundeswehraffine SPD-Haushälter Andreas Schwarz hält einen | |
Kompromiss für unrealistisch. „Klar könnte man im Verteidigungsetat noch | |
mal 1 bis 2 Milliarden Euro draufpacken“, sagt er zwar. Möglicherweise | |
ließen sich aus dem Klima- und Transformationsfonds auch noch ein paar | |
Milliarden für die energetische Sanierung der Kasernen abzweigen: „Da gibt | |
es erheblichen Bedarf.“ | |
Die Ampel fürchtet, dass sich die Union am Ende auf solche | |
Kompromissangebote nicht einlassen wird. CDU-Chef Friedrich Merz, so die | |
Annahme, gehe es nicht um die Sache – er werde auf der Maximalforderung | |
beharren, damit das Projekt Sondervermögen am Ende scheitert. | |
Bei Grünen und FDP gibt es zwar mitunter Murren über die Milliarden, | |
prinzipiell hat sich die Koalition aber hinter dem Plan versammelt. Nach | |
der beerdigten Impfpflicht muss sie in dieser Sache liefern, sonst fällt es | |
auf den Kanzler zurück, der das Sondervermögen ins Spiel gebracht hat. Und | |
wenn es keine Einigung mit der Union gibt? Öffentlich will noch keiner aus | |
der Koalition über einen Plan B sprechen. | |
Eine Verfassungsänderung sei für das Sondervermögen gar nicht nötig, sagte | |
der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland, agte der Rechtswissenschaftler | |
Joachim Wieland, der von der SPD in einer Haushaltsausschussitzung geladen | |
war. geladen von der SPD. Ein Gesetz, mit einfacher Mehrheit zu | |
beschließen, reiche für die Kreditaufnahme. Durch den Ukraine-Krieg liege | |
eine „außergewöhnliche Notsituationen“ vor, für die die Schuldenbremse | |
Ausnahmen zulässt. Andere geladene Jurist*innen widersprachen zwar. | |
Wieland glaubt aber, dass das Bundesverfassungsgericht seine Interpretation | |
teilen könnte. | |
Falls die Sache überhaupt in Karlsruhe landet: Damit eine Klage zulässig | |
ist, braucht es 25 Prozent aller Bundestagsabgeordneten. Aus der Opposition | |
kommt als Klägerin also nur die Union in Frage. Aber würde sie das | |
tatsächlich tun? Eine Klage gegen das Sondervermögen würde in der von ihr | |
umworbenen Bundeswehr als direkter Affront verstanden. | |
Ein wackliger Weg wäre Wielands Vorschlag für die Ampel dennoch. Fraglich | |
ist vor allem, ob die FDP bereit wäre, ihn zu gehen. Ausgerechnet | |
Finanzminister Christian Lindner, der doch für solides Haushalten stehen | |
möchte, wäre mit dem Vorwurf konfrontiert, verfassungswidrig neue Schulden | |
zu machen. Und bei den Liberalen haben die Koalitionspartner zuletzt selten | |
die Neigung erkannt, von der reinen Lehre abzuweichen. | |
14 May 2022 | |
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[1] /Reaktionen-auf-Rede-von-Olaf-Scholz/!5853272 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Anna Lehmann | |
Tobias Schulze | |
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