# taz.de -- Aserbaidschanisch-armenische Beziehungen: Frieden in Sicht? | |
> Armenien und Aserbaidschan wollen ihre Beziehungen normalisieren. Ziel | |
> ist ein Abkommen. Auch ein Gefangenenaustausch gehört zur Vereinbarung. | |
Bild: Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew will vorgezogene Präsidentschafts… | |
BERLIN taz | Endlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont? Die beiden | |
Südkaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien haben sich auf eine | |
schrittweise Normalisierung ihrer Beziehungen verständigt. Beide Seiten | |
hätten zugestimmt, „konkrete Schritte zur Vertrauensbildung zu unternehmen“ | |
und ihre Absicht bekräftigt, „ihre Beziehungen zu normalisieren und ein | |
Friedensabkommen zu unterzeichnen“. Die internationale Gemeinschaft werde | |
dazu aufgerufen, diese Bemühungen zu unterstützen, heißt es in der | |
gemeinsamen Erklärung vom Donnerstag. | |
Als ein konkreter Punkt wird ein Austausch von Kriegsgefangenen genannt. | |
Demnach wird Baku 32 armenische Gefangene freilassen, Jerewan im Gegenzug | |
zwei aserbaidschanische Soldaten. Offiziellen Angaben zufolge hält die | |
aserbaidschanische Seite derzeit 55 Armenier gefangen – darunter auch sechs | |
Zivilisten sowie acht hochrangige Politiker und Militärs aus der | |
international nicht als unabhängig anerkannten Region Bergkarabach. Laut | |
Nachrichtenportal jam.news sprechen armenische Menschenrechtsaktivisten | |
allerdings von noch weiteren 80 armenischen Gefangenen in Aserbaidschan. | |
Der Konflikt um die bis vor kurzem mehrheitlich armenisch besiedelte Region | |
Bergkarabach [1][geht auf das Ende der 1980er Jahre zurück]. Ein Krieg, der | |
1994 mit einem Waffenstillstandsabkommen endete, forderte zehntausende Tote | |
auf beiden Seiten und führte zu massenhafter Flucht und Vertreibung. | |
Fortan kontrollierte Jerewan außer der Region Bergkarabach auch noch sieben | |
angrenzende Provinzen. Vermittlungsbemühungen der Minsker OSZE-Gruppe (USA, | |
Frankreich, Russland, Aserbaidschan und Armenien) führten in der Folgezeit | |
zu keiner nachhaltigen Lösung des Konfliktes. | |
## 44 Tage Krieg | |
Im Herbst 2020 brach erneut ein Krieg aus, der 44 Tage dauerte. Das | |
Ergebnis: Aserbaidschan brachte nicht nur die sieben Provinzen wieder unter | |
seine Kontrolle, sondern auch einen Teil Bergkarabachs inklusive der | |
symbolisch wichtigen Stadt Schuscha (arm. Schuschi). | |
Nach dem unter russischer Vermittlung ausgehandelten Waffenstillstand | |
sollten russische Friedenstruppen die Waffenstillstandslinie und den | |
sogenannten Latschin-Korridor, die einzige Verbindungsstraße zu Armenien, | |
überwachen und schützen. Das Mandat läuft 2025 aus. | |
Im Winter 2022/23 [2][begann Baku, den Latschin-Korridor systematisch zu | |
blockieren, um Bergkarabach von Lieferungen aller Art aus Armenien | |
abzuschneiden]. Im vergangenen September schuf Baku Fakten: Mit einer | |
Anti-Terroroperation in Form von intensiven Bombenangriffen wurden die | |
letzten armenisch bewohnten Regionen Bergkarabachs sturmreif geschossen. | |
Mittlerweile hat fast die gesamte Bevölkerung – rund 120.000 Menschen – die | |
Region verlassen. | |
Damit hat Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew, seit 2003 an der Macht, | |
sein „heiliges Ziel“ erreicht. Offensichtlich will er die Gunst der Stunde | |
nutzen und seinen Erfolg auch innenpolitisch nutzen. Am Donnerstag dieser | |
Woche setzte er für den 7. Februar vorgezogene Präsidentschaftswahlen an. | |
Regulär wäre erst 2025 gewählt worden. Bei den letzten Wahlen für das | |
höchste Staatsamt, die weder frei noch fair, will Alijew 86 Prozent der | |
Stimmen erhalten haben. | |
## An der Heimatfront | |
Derweil sind die aserbaidschanischen Behörden zur Abwechslung mal wieder | |
massiv an der Heimatfront unterwegs. [3][Mehrere Journalist*innen | |
unabhängiger Medien wurden in den vergangenen Wochen unter fadenscheinigen | |
Beschuldigungen festgenommen] und Ermittlungsverfahren gegen sie | |
eingeleitet – ein weiterer Schritt, um auch noch die letzten kritischen | |
Stimmen Aserbaidschans zum Schweigen zu bringen. | |
Azar Gasimli, Direktor des Bakuer Instituts für politisches Management, | |
sieht mehrere Gründe für die Vorverlegung der Präsidentenwahl. Das | |
Alijew-Regime verfüge über keine außenpolitischen Karten mehr, die es im | |
Inland ausspielen könne. | |
Die Karabach-Frage sei die letzte Karte gewesen. Ein Hauptproblem sei, dass | |
das russische Militärkontingent Aserbaidschan 2025 nicht verlassen werde. | |
Dies werde auch die Legitimität der Regierung schwächen, zitiert das | |
Nachrichtenportal oc-media.org Gasimli. „Angesichts der Repression der | |
letzten Monate werden die Spannungen im ganzen Land zunehmen, was neue | |
Bedrohungen für die Macht bedeutet!“ | |
9 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ursachen-des-Bergkarabachkonflikts/!5960798 | |
[2] /Konflikte-in-Bergkarabach/!5950507 | |
[3] /Medienunfreiheit-in-Aserbaidschan/!5977390 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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