| # taz.de -- Aserbaidschans Präsident im Wahlkampf: Von einem Sieg zum nächsten | |
| > Der autoritäre Präsident Ilham Alijew steht als Sieger der | |
| > Präsidentschaftswahl kommende Woche bereits fest. Die | |
| > Alibi-Gegenkandidaten werben für ihn. | |
| Bild: So sehen Sieger aus: Ilham Alijew bei einem Auftritt in Bergkarabach im N… | |
| Berlin taz | Sie ist schon jetzt ein Ereignis der Superlative, die | |
| Präsidentenwahl in Aserbaidschan. Die Abstimmung in der Südkaukasusrepublik | |
| geht am kommenden Mittwoch über die Bühne, eigentlich war sie für 2025 | |
| angesetzt. | |
| „Aserbaidschans langweiligste Wahlkampagne aller Zeiten“, titelte das | |
| Webportal eurasianet.org und begründete diesen Befund damit, dass sich die | |
| Öffentlichkeit in einem beispiellosen Ausmaß von der Politik distanziert | |
| habe. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Der autoritäre Amtsinhaber | |
| İlham Alijew, bereits seit 2003 an der Macht, steht bereits als sicherer | |
| Sieger fest – wie immer. Die Frage ist lediglich, ob er sein Ergebnis von | |
| 86 Prozent aus dem Jahr 2018 noch überbieten kann. | |
| Zu den zahlreichen Spitznamen Alijews, der in den vergangenen Wochen | |
| öffentliche Auftritte häufig in einer Militäruniform bestritten hatte, ist | |
| jetzt ein weiterer hinzugekommen: Der Siegreiche – eine Anspielung auf die | |
| aus aserbaidschanischer Sicht „glorreiche“ Wiederherstellung der | |
| Souveränität über Bergkarabach. | |
| Die von Armenier*innen bewohnte Region nebst sieben angrenzenden | |
| Gebieten – Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan – stand | |
| seit den [1][bewaffneten Auseinandersetzungen] zwischen den beiden Staaten | |
| Anfang der 90er-Jahre unter der Kontrolle von Armenien. Ein Krieg im Herbst | |
| 2020 endete mit einem Sieg Aserbaidschans, dessen Truppen die Pufferzone | |
| sowie Teile Bergkarabachs zurückeroberten. Vor allem erneute | |
| Kampfhandlungen im September 2023 führten zu einer Kapitulation Jerewans | |
| und einem kompletten Exodus der Armenier*innen aus Bergkarabach nach | |
| Armenien (rund 100.000 Menschen). | |
| ## Beziehungen zum Europarat am Tiefpunkt | |
| Am Thema [2][Bergkarabach] arbeiten sich auch die übrigen sechs Bewerber | |
| ab, die allesamt Staffage sind. Bei der ersten TV-Debatte priesen alle | |
| Alijew als Sieger. Kurz darauf rief ein unabhängiger Kandidat seine | |
| Anhänger*innen dazu auf, für die „Regierung“ zu stimmen. | |
| Bei der Abstimmung am 7. Februar werden Wahlbeobachter*innen der | |
| Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zugegen | |
| sein. Vom Regime unerwünscht sind dieses Mal hingegen Beobachter*innen | |
| der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE). | |
| Bakus Beziehungen zu dem Hüter von Demokratie und Menschenrechten sind | |
| mittlerweile an einem Tiefpunkt angekommen. Aserbaidschan war dem Europarat | |
| 2001 beigetreten. Seitdem hatte die PACE zahlreiche Resolutionen | |
| verabschiedet, in denen das Gremium Baku eine negative Bilanz im Bereich | |
| der Grund- und Freiheitsrechte attestiert hatte. | |
| 2012 machten einige [3][Abgeordnete] des PACE in Zusammenhang mit | |
| Aserbaidschan negative Schlagzeilen [4][(„Kaviar-Diplomatie“)]. Der | |
| Vorwurf: Für positive Aussagen über Aserbaidschan – zum Beispiel über | |
| dortige Wahlen – sollten sie Bargeldzahlungen und/oder hochpreisige | |
| Geschenke erhalten haben. Derartige Verstrickungen galten später als eine | |
| Erklärung dafür, dass eine Resolution über die Lage von politischen | |
| Gefangenen in Aserbaidschan 2013 im PACE keine Mehrheit erhielt. | |
| ## Verpflichtungen als EU-Ratsmitglied nicht nachgekommen | |
| Am Mittwoch vergangener Woche kam es in Straßburg zu einem Eklat. 76 | |
| Delegierte votierten bei zehn Gegenstimmen dafür, die Vertreter | |
| Aserbaidschans zunächst für ein Jahr von den Sitzungen der PACE | |
| auszuschließen. Die Begründung: Baku sei seinen Verpflichtungen als | |
| Mitglied des Europarates nicht nachgekommen. | |
| Die Liste der Unterlassungssünden ist lang: Es gebe seriöse Zweifel an der | |
| Durchführung freier und fairer Wahlen sowie Defizite bei der | |
| Gewaltenteilung. Gemeint damit ist vor allem eine quasi inexistente | |
| Unabhängigkeit der Gerichte. Auch die Situation im Hinblick auf die | |
| Menschenrechte gebe Anlass zur Kritik. | |
| In diesem Zusammenhang wird auch auf massive Repressionen gegenüber | |
| Mitarbeiter*innen oppositioneller Medien verwiesen. Bezüglich | |
| Bergkarabachs war von einer gewaltsamen Vertreibung der Armenier*innen | |
| die Rede. 2023 sei Berichterstatter*innen des [5][PACE] drei Mal ein | |
| Besuch Südkaukasusrepublik verweigert worden. | |
| Aserbaidschans Reaktion erfolgte prompt: Der Kopf der aserbaidschanischen | |
| Delegation, Samad Seyidow, sprach von einer Schmierenkampagne gegen | |
| Aserbaidschan nach dessen historischem Sieg. Politische Korruption, | |
| Diskriminierung, ethnischer und religiöser Hass, Doppelmoral, Arroganz und | |
| Chauvinismus seien im PACE vorherrschende Praxis geworden. In | |
| aserbaidschanischen Medien wird bereits ein Austrittsverfahren aus dem | |
| Europarat erörtert, das Baku einleiten könnte. 2022 war Russland | |
| ausgetreten und so einem Ausschluss zuvorgekommen. | |
| 2 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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