| # taz.de -- Presse in Aserbaidschan: Rang 151 von 180 | |
| > Das Regime in Aserbaidschan nahm in dieser Woche mehrere | |
| > Journalist*innen eines unabhängigen Mediums fest. Von Pressefreiheit | |
| > keine Spur. | |
| Bild: Sevinj Vagifgizi, die Chefredakteurin von AbasMedia | |
| Am Dienstagmorgen wurde die Chefredakteurin des unabhängigen Mediums | |
| AbasMedia, Sevinj Vagifgizi festgenommen. Informationen von Radio Azadlyk | |
| (Radio Freies Europa) zufolge, wurde sie in die Hauptverwaltung der Polizei | |
| gebracht, Sicherheitskräfte durchsuchten ihre Wohnung. | |
| Bereits am Vortag hatte den Direktor von AbasMedia, Ulvi Hasanli, das | |
| gleiche Schicksal ereilt. Auf der Facebook-Seite von AbasMedia steht, dass | |
| Hasanli bei seiner Festnahme und einem Verhör auf der Polizeistation | |
| geschlagen worden sein soll. Mittlerweile wurden gegen Sevinj Vagifgizi und | |
| Ulvi Hasanli Strafverfahren wegen illegalen Einführens von Fremdwährungen | |
| eröffnet. Bei einer Razzia in den Räumen von AbasMedia seien 40.000 Euro | |
| gefunden worden. Ein Gericht ordnete eine viermonatige Untersuchungshaft | |
| an. Im Fall einer Verurteilung droht eine mehrjährige Haftstrafe. | |
| Anfang der Woche wurde auch der Journalist und Aktivist Mahammad Kekalow in | |
| seiner Wohnung festgenommen sowie seine persönlichen Gegenstände nebst | |
| Computer konfisziert. Er hatte für AbasMedia vor allem zum Thema Menschen | |
| mit Behinderungen gearbeitet. Nach Berichten des im Ausland ansässigen | |
| oppositionellen aserbaidschanischen Senders Meydan TV ist über den Verbleib | |
| von Mahammad Kekalow derzeit nichts bekannt. | |
| ## Recherchen über Korruption | |
| AbasMedia steht schon länger auf der Abschussliste. Das Medium hatte in den | |
| vergangenen Monaten mehrere investigative Recherchen über Korruption unter | |
| hochrangigen Beamten sowie Mitgliedern des Familienclans von Präsident | |
| Ilham Alijew veröffentlicht. | |
| [1][Kritik an dem autoritären Regime Alijews,] der in der | |
| Südkaukasusrepublik seit 2003 an der Macht ist, bleibt nicht folgenlos. Das | |
| bekommen vor allem Journalist*innen zu spüren. Zu den gängigen | |
| Repressionen gehören Mord, Festnahmen, Folter, Haftstrafen oder der | |
| erzwungene Gang ins Exil. Auch Ulvi Hasanli hat das am eigenen Leib | |
| erfahren. Der ehemalige Aktivist einer Jugendbewegung war bereits 2010 | |
| verfolgt und festgenommen worden. 2018 wurde Hasanli trotz gesundheitlicher | |
| Probleme zum Wehrdienst eingezogen und in die Konfliktzone um Bergkarabach | |
| geschickt. | |
| Die Region wird seit September dieses Jahres wieder vollständig von | |
| Aserbaidschan kontrolliert. | |
| Unter anderem wegen der Verbreitung von Berichten über Protestaktionen in | |
| den sozialen Netzwerken wurde Hasanli in der Folgezeit wiederholt | |
| festgenommen. 2022 war er einer von drei Journalisten, die versuchten die | |
| Verabschiedung eines neuen Mediengesetzes zu verhindern. | |
| ## „Unerbittliche Unterdrückung“ | |
| Besagtes Gesetz ist seit Februar 2022 in Kraft. Es könnte auch noch die | |
| wenigen letzten oppositionellen Medien zum Schweigen bringen. So sieht das | |
| Gesetz die Einführung eines staatlich geführten Registers für | |
| Journalist*innen vor. Die Aufnahme in dieses Register ist an Auflagen | |
| gebunden, wie beispielsweise ein Universitätsabschluss, kein Erhalt von | |
| finanzieller Unterstützung aus dem Ausland, die aserbaidschanische | |
| Staatsbürgerschaft sowie ein ständiger Wohnsitz in Aserbaidschan. | |
| Nachrichten-Webseiten können aus dem Register wieder gestrichen werden | |
| (eine mögliche Vorstufe zur Schließung), wenn sie weniger als 20 | |
| Nachrichten pro Tag veröffentlichen. Die Vorschriften gelten für Print-, | |
| Online- und Rundfunksender sowie alle Einzelpersonen oder Gruppen, die | |
| hauptsächlich „audiovisuelles Material“ online veröffentlichen. | |
| Das Gesetz zeitigt aus Sicht des Regimes bereits positive Ergebnisse. | |
| Erstmals verfügte ein Berufungsgericht in Baku am 14. November die | |
| Schließung eines Mediums auf der Grundlage der neuen Regelungen. | |
| Am Dienstag veröffentlichte eine Gruppe aserbaidschanischer Journalist* und | |
| Aktivist*innen eine gemeinsame Erklärung. Darin wird die Festnahme der | |
| Chefredakteurin und des Direktors von AbzasMedia als Teil der | |
| „unerbittlichen Unterdrückung“ der Meinungsfreiheit durch Baku verurteilt. | |
| „Das Vorgehen gegen AbzasMedia […] ist Ausdruck der brutalen Haltung des | |
| politischen Systems gegenüber der freien Presse. Die Verantwortung für | |
| diese Repressionen liegt bei Präsident Ilham Alijew, der bei | |
| internationalen Veranstaltungen klar gesagt hat: „Die Medien sind in | |
| Aserbaidschan frei.“ | |
| Auch mehrere internationale Organisationen forderten die sofortige | |
| Freilassung der Festgenommenen – [2][darunter auch Reporter ohne Grenzen | |
| (ROG).] Die Organisation führt Aserbaidschan in ihrer diesjährigen | |
| Rangliste der Pressefreiheit auf Rang 151 von 180 Ländern. Derartige | |
| Appelle dürften Ilham Alijew wohl kaum beeindrucken. | |
| 22 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Opposition-in-Aserbaidschan/!5821710 | |
| [2] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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