| # taz.de -- Bedrohtes Jugendzentrum: Der Schlüssel zum Erfolg? | |
| > Das Jugendzentrum Potse sucht weiter nach einem neuen Zuhause. Für den | |
| > Bezirk könnte es teuer werden, wenn er nicht bald eine Alternative | |
| > präsentiert. | |
| Bild: Soso vom Drugstore und Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) bei der Schl�… | |
| Seit drei Wochen sollten die Schlüssel des Jugendzentrums Potse wieder beim | |
| Eigentümer sein. Seit drei Wochen sitzen die jungen Aktivisten mit | |
| ebendiesen Schlüsseln in den Räumen der Potsdamer Straße 180. Sie fordern, | |
| dass ihnen eine angemessene Alternative geboten wird. Davor wollen sie | |
| nicht gehen. | |
| In der Auseinandersetzung geht es längst nicht mehr allein um den Verbleib | |
| der Jugendlichen, sondern auch um eine Frage, die über Schöneberg hinaus | |
| relevant ist: Wie steht es um selbstverwaltete Räume, die immer wieder in | |
| den Fokus von Wohnungsunternehmen und lukrativen Neumietern geraten? | |
| Im Fall der Jugendzentren Potse und Drugstore war der Mietvertrag des | |
| Bezirks mit dem Eigentümer zum Jahresende abgelaufen. Das Kollektiv | |
| Drugstore, das sich im selben Haus befand, hatte seine Schlüssel unter | |
| Protest zurückgegeben. Die Potse entsagte diese jedoch dem Jugendstadtrat | |
| Oliver Schworck (SPD). | |
| Seither geht die Suche nach Alternativen weiter, dabei halten Unterstützer | |
| eine tägliche Mahnwache vor den Räumen ab. Ein Angebot des Bezirks lehnten | |
| die Aktivisten ab, weil sie in den vorgeschlagenen Räumen keine Konzerte | |
| veranstalten und Proben abhalten können. | |
| ## Besetzung oder nicht? | |
| Andererseits herrscht Ungewissheit über den Status der Potsdamer Straße | |
| 180. Handelt es sich um eine Besetzung, wenn Aktivisten die Schlüssel – wie | |
| auch das Syndikat oder die Liebig 34 – einfach behalten? Welche Szenarien | |
| sind möglich? | |
| Benjamin Raabe, Rechtsanwalt und Berater der Berliner Mietergemeinschaft, | |
| sagte der taz: „Wenn man die Schlüssel nicht abgibt, dann ist das erst mal | |
| keine Besetzung, sondern eine weitere Nutzung von Räumen.“ Von einer | |
| Besetzung – laut Raabe übrigens kein juristischer Begriff – könne man erst | |
| sprechen, wenn Personen sich gegen den Willen des Hausrechtinhabers in | |
| dessen Räumen aufhalten. | |
| Der Eigentümer kann in diesem Fall trotzdem klagen, um einen Räumungstitel | |
| zu erwirken. Außerdem, so Raabe, könne der Vermieter einfordern, dass die | |
| Miete weiter gezahlt wird, unter Umständen entsprechend des Marktpreises. | |
| Diese Miete kann somit höher liegen als der bisherige Mietzins. Auch | |
| Schadenersatzansprüche sind möglich: „Gesetzt den Fall, zum 1. 1. gäbe es | |
| einen neuen Mieter, der das Dreifache bezahlt hätte, dann kann der | |
| Eigentümer das verlangen“, so Raabe. Die Schlüssel einfach nicht abgeben, | |
| schafft zwar Aufmerksamkeit, kann jedoch aber teuer werden, hier für den | |
| Bezirk beziehungsweise die Potse-Aktivisten. | |
| Über die Frage der Kosten wurde auch im Bezirksparlament von | |
| Tempelhof-Schöneberg am 16. Januar diskutiert. Die Fraktionen der FDP und | |
| CDU hatten hierfür jeweils eine Große Anfrage eingereicht. Matthias | |
| Steuckardt (CDU) fragte etwa: „Mit welchen zusätzlichen Ausgaben rechnet | |
| das Bezirksamt durch die verspätete Übergabe der Mietsache oder werden | |
| diese Mehrkosten von der ‚Potse‘ getragen bzw. eingefordert?“ | |
| ## Neue Frist für die Schlüsselübergabe | |
| Oliver Schworck (SPD) sagte am Mittwoch, dass er den Potse-Aktivisten eine | |
| neue Frist zur Schlüsselübergabe gesetzt habe. Den genauen Termin wollte er | |
| nicht nennen, „um die betroffenen Kollektive nicht weiter unter Druck zu | |
| setzen“. Er müsse diese Frist setzen, weil sonst ein „neues | |
| Rechtsverhältnis“ entstehe. Paul, Sprecher der Potse, sagte der taz ebenso | |
| am Mittwoch, dass er von der neuen Frist noch nichts wisse. Lukas Theune, | |
| Anwalt der Potse-Aktivisten, konnte diese auch nicht bestätigen. | |
| Laut Schworck hat der Eigentümer bereits eine Rechnung für ein | |
| Nutzungsentgelt angekündigt. „Es ist zu erwarten, dass diese Rechnung über | |
| den bisherigen Mietkosten liegen wird.“ Er bestätigte zudem, dass es zum | |
| Fall der Potse bereits Gespräche auf Landesebene gibt. | |
| Als Alternative für die Potsdamer Straße 180 werden auch Räume im | |
| ehemaligen Tempelhofer Flughafen gehandelt. Eine Sprecherin von Katrin | |
| Lompscher (Linke), Senatorin für Stadtentwicklung, sagte der taz, dass es | |
| bei einem Angebot Lompschers jedoch „nicht um eine dauerhafte Unterbringung | |
| der Jugendeinrichtung, sondern um die temporäre Bereitstellung von Flächen | |
| für Konzerte“ gehe. „Wo dies genau möglich sein könnte, prüft die | |
| Tempelhofprojekt GmbH derzeit im Auftrag der Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung und Wohnen“, so die Sprecherin. | |
| Damit haben die Potse-Aktivisten zumindest eines ihrer strategischen Ziele | |
| im Kampf um ihr Jugendzentrum erreicht: Sie haben ihr Anliegen von der | |
| Bezirksebene auf die Landesebene gehoben. | |
| 21 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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