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# taz.de -- Bedrohte Jugendzentren: Drugstore geht, Potse will bleiben
> Während das Drugstore seine Schlüssel übergeben hat, behielt die Potse
> ihre – Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD) zeigt sich irritiert.
Bild: „Nehmt ihr uns die Räume weg, sehn wir uns im Straßendreck“, steht …
Der Kampf um die Stadt kennt keine Silvesterpause: „Unsere Schlüssel sind
sicher verwahrt und werden nicht in die Hände von irgendwelchen
Investor*innen fallen!“, haben Aktivisten vom Jugendzentrum Potse in
Schöneberg am Mittwochvormittag auf Twitter verlautbart.
Am 31. Dezember weigerten die Potse-Aktivisten sich, die Schlüssel ihrer
Räume in der Potsdamer Straße 180 abzugeben. Der Mietvertrag des Bezirks
mit dem Eigentümer war zu diesem Zeitpunkt abgelaufen, die Räume mussten an
den Eigentümer zurückgegeben werden. Dieser hatte den Vertrag mit dem
Bezirk nicht verlängert, weil die Räume laut den Aktivisten an Rent 24
vermietet werden sollten – ein Anbieter für sogenannte Coworking und
-living Spaces. Das Kollektiv Drugstore, das sich im selben Haus befand,
hat ihre Schlüssel dagegen unter Protest zurückgegeben. Die Potse aber will
bleiben.
In einer Pressemitteilung der beiden Kollektive Potse und Drugstore vom 1.
Januar formulieren sie ihre Forderungen wie folgt: „Die Aktivist*innen
werden die Räumlichkeiten erst verlassen, wenn adäquate Alternativen
angeboten werden. Das beinhaltet vor allem Möglichkeiten einer
lärmintensiven Nutzung durch Proberäume und/oder Konzerte.“
Für Mittwoch meldeten die Kollektive ab 13 Uhr eine Kundgebung vor dem
Gebäude an. Ab 19 Uhr sollte es eine „Wache“ geben, deren Ende laut den
Aktivisten nicht ausgemacht ist. Knapp 100 Personen kamen zusammen, um für
den Erhalt der Potse zu demonstrieren. Simon, Sprecher der Potse, sagt:
„Wir haben lange die Füße still gehalten. Das ist das letzte Druckmittel,
auch um den politischen Druck vom Bezirk auf die Stadtpolitik zu
übertragen.“
## Interpretationsspielraum
Aber handelt es sich bei der Aktion nun um eine Besetzung, die entsprechend
der berüchtigten „Berliner Linie“ sehr bald geräumt werden kann? In der
Pressemitteilung der Kollektive von Neujahr heißt es: „Ab dem 01. 01. 2019
wird davon ausgegangen, dass die Polizei von einer illegalen Besetzung
sprechen wird.“ Vor Ort am Mittwoch wollen die Sprecher der Kollektive aber
nicht von einer Besetzung reden, auch wenn gewisser
„Interpretationsspielraum“ bleibe. Auch ein Sprecher der Polizei sagt der
taz am Mittwoch, dass ihr keine Besetzung in dem Fall bekannt sei.
Der Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD) zeigt sich am Mittwoch überrascht
über das Vorgehen der Aktivisten: „Ich habe immer signalisiert, dass ich
eine konstruktive Lösung finden will“, sagt er der taz. Bisher sei er auch
davon ausgegangen, dass die Aktivisten einen Ersatzraum in der Potsdamer
Straße 134, den der Bezirk angeboten hatte, annehmen würden – auch wenn
dort keine laute Musik gespielt werden dürfe. Für Konzert- und Proberäume
sei der Bezirk auf der Suche nach einem anderen Raum gewesen, bisher
allerdings erfolglos.
„Ich wünsche mir, dass wir uns noch mal zusammensetzen und über eine Lösung
sprechen“, sagt Schworck, aber auch: „Irgendwann müssen wir unseren
Verpflichtungen als Bezirk nachkommen.“ Damit meint er, dass der Bezirk die
betreffenden Räume an den Eigentümer übergeben muss. Dennoch: „Niemand hat
ein Interesse an einer Räumung“, sagt Schworck. „Es ist nicht so, dass wir
vor der Tür stehen und darauf lauern, in die Räume einzudringen.“
Rechtsanwalt Lukas Theune, der die Potse-Aktivisten vertritt, geht auch
nicht davon aus, dass bald geräumt wird. Ein gerichtliches Verfahren, das
dafür notwendig ist, sei bisher nicht eingeleitet worden. Theune sagt der
taz auch: „Der Jugendstadtrat ist sehr bemüht, Räume zu finden.“
## Auch eine symbolische Aktion
Während an diesem Mittwochnachmittag schwarz und türkis vermummte
Aktivisten Flyer aus den Fenstern der Potse fliegen lassen, sieht
Bezirksstadtrat Schworck keinen wirklichen Interessenkonflikt zwischen
Bezirk und Betreibern des Jugendzentrums. Er bezeichnet die Sache als
„Scheinkonflikt“, schließlich habe auch der Bezirk Interesse daran, dass
die Jugendtreffpunkte erhalten bleiben.
Tatsächlich scheint es bei der Angelegenheit vor allem um den passenden
Ersatz zu gehen. Die Potse-Aktivisten wollen einen Raum, in dem sie laut
sein können, wo auch Punkkonzerte stattfinden oder Bands proben können. So
wie bisher in der Potsdamer Straße 180 eben. So sagt Potse-Sprecher Simon:
„Das ist kein Angriff auf bestimmte Politiker. Nur das letzte Mittel der
Artikulation.“
Die Auseinandersetzung hat aber sehr wohl eine symbolische Dimension: Mit
der Aktion wollten sie sich auch mit anderen bedrohten Freiräumen in Berlin
und Deutschland solidarisieren, etwa der Liebig 34, dem Syndikat oder etwa
dem Hasi in Halle, sagt Simon.
An die Hauswände haben die Aktivisten an diesem Nachmittag Plakate
aufgehängt, auf denen Sätze zum Vervollständigen stehen: „Wir brauchen
selbst organisierte Räume, weil …“ Und jemand hat geschrieben: „… weil
Selbstorganisation ein Schlüssel zum guten Leben ist.“
2 Jan 2019
## AUTOREN
Volkan Ağar
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