# taz.de -- Bedrohte Jugendzentren in Berlin: „Ich versuche den Laden zu rett… | |
> Das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Berlins wird verdrängt. Was | |
> bedeutet es, wenn man sein zweites Zuhause verliert? Eine Aktivistin | |
> erzählt | |
Bild: Kundgebung für den Erhalt von Potse und Drugstore, 2017. „Soso“ war … | |
Zum ersten Mal im Drugstore war ich mit 14, vor sieben Jahren. Ich bin in | |
Friedenau aufgewachsen, mit den Leuten aus meiner Schule konnte ich nie | |
besonders viel anfangen. Die hatten ganz andere Interessen, das war auch | |
alles ziemlich elitär. Ich habe mich schon immer für Politik interessiert. | |
Das liegt wahrscheinlich auch an meinen Eltern, die auch ziemlich links | |
sind. Jedenfalls hatte ich da gerade ein paar neue Leute kennengelernt, und | |
einer hat mich dann an einem Sonntag mit in den Drugstore genommen, zum | |
Katerkino, das gibt es immer sonntagabends. | |
Als ich da rein bin, hat sich das erst mal angefühlt wie eine Zeitreise: Es | |
sah so aus, wie ich das aus Filmen über die Achtziger kannte. Ich wusste | |
überhaupt nicht, dass es solche Orte wirklich gibt. | |
Ich habe mich dann eigentlich sofort sehr wohlgefühlt da. Die Leute waren | |
sehr offen, obwohl ich noch so jung war, konnte ich ganz schnell überall | |
mitmachen. Das war ein riesiger Unterschied für mich im Vergleich zur | |
Schule: Im Drugstore ist es nicht so, dass die Erwachsenen die Autorität | |
haben und die Jugendlichen folgen müssen. Du wirst ernst genommen, egal wie | |
alt du bist. | |
Ich habe dann mitgeholfen, Veranstaltungen zu organisieren, bin da ziemlich | |
schnell so reingerutscht und wurde dann auch bald Teil des | |
Drugstore-Kollektivs. Am Wochenende war ich immer beide Abende da, unter | |
der Woche auch noch mal mindestens zwei, bis 22 Uhr halt, dann musste ich | |
zu Hause sein. Ich habe meiner Mutter erzählt, was das für ein Ort ist, und | |
sie fand das gut, auch dass ich da schon so viel Verantwortung übernehmen | |
konnte. | |
Ich habe also schon damals viel Zeit im Drugstore verbracht. Aber seit | |
2015, als es losging mit dem Gezerre um unsere Räume, bin ich eigentlich | |
jeden Tag damit beschäftigt, das ist ein Vollzeitjob. Wir sind so 7,8 | |
Leute, die das stemmen: Verhandlungen mit dem Bezirk, Gespräche mit | |
Politikern, [1][Pressearbeit]. Ich hab 2015 Abi gemacht, viele aus meinem | |
Jahrgang sind dann erst mal ins Ausland. Ich versuche hier den Laden zu | |
retten. | |
Am Anfang, als das mit den Verhandlungen losging, war ich tierisch | |
aufgeregt. Ich dachte, da sitzen jetzt Politiker, die haben so viel Macht. | |
Mittlerweile haben wir gemerkt, dass die gar nicht so viel Macht haben. Uns | |
jedenfalls können sie offenbar nicht helfen. | |
Uns waren ja eigentlich zwei Räume versprochen worden: In der Potsdamer | |
Straße 134 und 140, in der 140 hätte es die Möglichkeit für Konzerte und | |
Bandproben gegeben. Im Oktober hieß es dann auf einmal, dass es für die 140 | |
andere Interessenten gebe. Das war ein Schock für uns. Ich war so wütend, | |
denn vorher hieß es immer, das sei quasi alles schon in trockenen Tüchern. | |
Wir haben dann recherchiert und festgestellt: Da soll die | |
Landesfinanzschule einziehen. Der Eigentümer ist ja die BIM [Berliner | |
Immobilien Management, hundertprozentige Tochtergesellschaft des Landes | |
Berlin, Anm. d. Red.]. Das hat uns eigentlich wieder Hoffnung gegeben: Eine | |
Finanzschule, die kann doch auch in ein Wohnhaus, im Gegensatz zu uns, und | |
wenn das Landessache ist, dann gibt es da doch politische | |
Einflussmöglichkeiten. Aber nix. Bisher sagen uns alle, dass da nichts zu | |
machen sei. Der Finanzsenator hat offenbar kein Interesse an einer Lösung. | |
Kein Interesse an uns. | |
Gerade in den letzten Jahren sind wir alle total zusammengewachsen. Das war | |
ja auch eine Achterbahnfahrt in den letzten drei Jahren, immer zwischen | |
schlechten und guten Nachrichten hin und her, das schweißt zusammen. Und | |
wenn du schon fünf Stunden zusammen auf Plena sitzen musst, dann ist es | |
besser, sich auch gut zu verstehen (lacht). Gerade ist unsere Perspektive, | |
in Kisten verpackt in Lagerräumen abgestellt zu werden. Das fühlt sich | |
nicht gut an. Selbst wenn die neuen Räume in einem halben Jahr fertig sind, | |
weiß ich nicht, wie das werden soll. Wir machen 2,3 Konzerte die Woche, und | |
sonst ist Cafébetrieb. In unseren zwei Proberäumen wird 6,7 Tage die Woche | |
geprobt. Wenn das nicht mehr geht, ist ein Großteil unseres Angebots weg. | |
Es kommen auch immer neue Leute in den Drugstore. Gerade haben wir eine | |
große Clique von Jugendlichen, 14 bis 17 Jahre, die hängen im Sommer im | |
Park ab und kommen im Winter zu uns. Die erinnern mich ziemlich an uns | |
damals. Manchmal fragen mich Leute von anderen Einrichtungen: Wie macht ihr | |
das, dass ihr die Jugendlichen motiviert, bei euch mitzumachen? Ich sag | |
dann immer, ich muss die gar nicht motivieren. Ich mach einfach, irgendwann | |
macht wer mit, und dann machen sie’s bald alleine. So wie ich damals halt. | |
Unsere Räume sollen von [2][Rent24] übernommen werden, die sind jetzt schon | |
unsere Nachbarn. Co-Working und Co-Living ist deren Konzept. Du kannst dich | |
zu Hotelpreisen einmieten, aber sie machen einen auf WG, mit Partys auf dem | |
Dach und so. Das ist darauf ausgerichtet, dass du den Ort, an dem du | |
arbeitest, so wenig wie möglich verlässt. Wenn ich so leben müsste, ich | |
würde durchdrehen. | |
Uns verleugnen die einfach und tun so, als gäbe es uns nicht. Die Tür zu | |
unserem Hausflur, der ja ziemlich bunt ist, haben sie mit so Milchglasfolie | |
überklebt, damit sie das nicht sehen müssen. Aber die Saftbar, die nebenan | |
eröffnet hat speziell für diese Leute – genau wie der neue Cupcake-Laden | |
und der Suppenladen in der Straße –, die hat extra einen | |
Street-Art-Künstler angeheuert, damit er ihnen die Wände gestaltet. Und das | |
wird dann als das kreative Berlin vermarktet. | |
Bisher gab es immer in letzter Minute doch noch die gute Nachricht. Darauf | |
hoffe ich jetzt auch die ganze Zeit. Wir sind das älteste selbstverwaltete | |
Jugendzentrum Berlins, uns gibt es seit 1972. Ich kann mir einfach nicht | |
vorstellen, dass das aufhört. | |
Soso ist 21 und studiert seit diesem Semester Soziale Arbeit in Berlin. In | |
der Zeitung will sie nur ihren Spitznamen veröffentlichen | |
14 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.drugstore-berlin.de/ | |
[2] https://www.rent24.com/ | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
## TAGS | |
Gentrifizierung | |
Berlin-Schöneberg | |
Subkultur | |
Subkultur | |
Subkultur | |
Jugendliche | |
Freiräume | |
Freiräume | |
Jugendhilfe | |
Berlin-Schöneberg | |
Polizei Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rockhaus in Lichtenberg: Let there be rock! | |
Das Rockhaus in Lichtenberg ist offenbar gerettet. Kultursenator Lederer | |
verhandelte mit dem Eigentümer. Allerdings steigen die Mieten. | |
Berliner Subkultur: Abschied vom Underground | |
Der Betreiber des Rockhauses in Lichtenberg gibt nach Streit mit dem | |
Eigentümer auf. Zahlreiche Musiker bangen um ihre Existenz. | |
Investitionen in die Zukunft: Das geht an Euch! | |
Immer mehr Kinder und Jugendliche in Berlin, doch an der Jugendarbeit wird | |
brutal gespart. Ein bundesweit einmaliges Gesetz soll das ändern. | |
Bedrohtes Jugendzentrum: Der Schlüssel zum Erfolg? | |
Das Jugendzentrum Potse sucht weiter nach einem neuen Zuhause. Für den | |
Bezirk könnte es teuer werden, wenn er nicht bald eine Alternative | |
präsentiert. | |
Bedrohte Jugendzentren: Drugstore geht, Potse will bleiben | |
Während das Drugstore seine Schlüssel übergeben hat, behielt die Potse ihre | |
– Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD) zeigt sich irritiert. | |
Neue Räume für Potse und Drugstore: Punks ohne laute Mucke | |
Für die selbstverwalteten Jugendzentren Potse und Drugstore sind neue Räume | |
gefunden. Dem Anspruch werden diese nicht gerecht. | |
Ein Konzert für Opfer von Polizeigewalt: Im Drugstore schließt sich ein Kreis | |
Am Samstag feiert der Besetzerveteran Rüdiger Haese seinen Geburtstag durch | |
die Nacht – wenn nicht grad wieder die Polizei vorbeikommt. | |
Kommentar Polizei in der Potse: Jugend stört die bürgerliche Ruhe | |
Ein Jugendzentrum feiert, da wird es laut. Mehr Krawall gibt es natürlich, | |
wenn die Polizei vorbeikommt. Und die lässt sich nicht lange bitten. |