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# taz.de -- Räumung der Liebig34 beantragt: Schlechte Nachricht, gute Nachricht
> Der Antrag ist eingereicht: Das Hausprojekt Liebig34 in Friedrichshain
> soll geräumt werden. Baustadtrat spricht trotzdem von Lösung.
Bild: Wie bunt bleibt Friedrichshain?
„Es gibt Neuigkeiten, die ziemlich traurig sind“, sagt eine Bewohnerin der
Liebig34. Eine schlechte Nachricht nach der Filmpremiere von „Indoor“ über
das Hausprojekt in Friedrichshain betrübt das Publikum am Mittwochabend im
SO36. Auf der Bühne wird verkündet, dass das Haus eine Räumungsklage des
Eigentümers Gijora Padovicz erhalten habe.
Die Liebig34 ist ein anarcha-queer-feministisches Wohnprojekt,
selbstverwaltet von einem Kollektiv. 40 Frauen, Lesben und Transgender
leben hier. 1990 wurde das Haus besetzt, kurz danach wurde die Besetzung
größtenteils legalisiert. 2007 scheiterte der Versuch, das Eckgebäude mit
einer Genossenschaft zu kaufen, stattdessen wurde das Haus an das Berliner
Immobilienunternehmen Padovicz verkauft.
Schon damals hatten die Bewohner*innen gegen den Verkauf demonstriert.
Die Familie Padovicz ist ein bekannter Akteur auf dem Berliner
Immobilienmarkt. Allein in Friedrichshain besitzt sie etwa 200 Häuser.
Mieter des Immobilienunternehmens vernetzen und organisieren sich online
auf einem „Padovicz-WatchBlog“.
2008 handelte das Kollektiv der Liebig34 schließlich einen zehnjährigen
Pachtvertrag aus, der mit dem neuen Jahr abgelaufen ist. Wie auch das
Jugendzentrum Potse in Schöneberg oder die Szenekneipe Syndikat in Neukölln
weigerte sich das Kollektiv aber, die Schlüssel abzugeben. Doch jetzt hat
der Eigentümer eine Räumung beantragt. Das Projekt fühlt sich akut bedroht.
## Die letzte Überlebende
Wie wichtig die Liebig34 ist, zeigte der am Mittwoch vorgestellte Kurzfilm
„Indoor“. Die Protagonistin im Film führt die Zuschauer durchs Haus – und
damit durch das Leben der Hausbewohner*innen. „Es ist nicht immer einfach,
in einem Kollektiv zu leben, aber es geht um das Größere“, so eine
Mitbewohnerin. Hinzu kommt: Mit der Räumung der Liebig34 würde auch der
sogenannte Dorfplatz nicht mehr derselbe sein. Um die Kreuzung
Rigaer/Liebigstraße sammelten sich einst mehrere Hausbesetzungen, von denen
die Liebig34 die letzte Überlebende ist.
Es steht also einiges auf dem Spiel. An diesem Premierenabend, zu dem die
Liebig34 geladen hatte, um über den Konflikt zu informieren, wirkt es
dennoch ein bisschen so, als sei die Luft raus: Es gebe kaum eine Chance,
den Fall legal für sich zu entscheiden, so eine der Vertreter*innen des
Projektes. Dass der Hausbesitzer nun rechtlich vorgeht, scheint den letzten
Funken Hoffnung genommen zu haben.
Überraschend optimistisch wirkt da Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von
Friedrichshain-Kreuzberg. Er verhandelt bereits seit September des letzten
Jahres mit dem Eigentümer Padovicz. Damals sagte er der taz, dass sich eine
Lösung für das Hausprojekt Liebig34 abzeichne. Ende September 2018
demonstrierten rund 1.000 Menschen in Friedrichshain gegen die anstehende
Räumung. Dass sich eine Lösung andeutet, sagt Schmidt auch jetzt, nachdem
der Antrag auf Räumung bekannt wurde.
Schmidt verstehe zwar die Unruhe, die ein solcher Schritt des Eigentümers
nun auslöse, letztendlich handle es sich dabei aber um eine reine
Formalität. Zudem sei der Antrag ein Schritt, der für den Eigentümer „nicht
verhandelbar“ gewesen sei. „Für mich keine Überraschung“, so Schmidt.
Eine Räumung steht laut Schmidt also nicht bevor, auch wenn der Eigentümer
jetzt eine Rechtsgrundlage dafür schaffen will. Schmidt sagt: „Solange ich
mit dem Eigentümer im Gespräch bin, wird nicht geräumt.“ Die Verhandlungen
in einer „Dreieckskommunikation“ mit dem Eigentümer Padovicz und dem
Kollektiv der Liebig34 würden weitergehen, er wolle auch wieder direkten
Kontakt herstellen. Die Details der „Lösung, die sich abzeichnet“, will
Schmidt nicht nennen. Nur so viel: „Wir werden ihm nichts schenken.“ In
zwei bis drei Monaten sollen die Bedingungen dieser Lösung geklärt sein:
„Dann müssen wir das Commitment von beiden Seiten haben“, um die
ausgehandelte Lösung umzusetzen. Das könne dann freilich noch ein bisschen
dauern.
Eine Aktivistin des Hausprojektes sagte am Mittwoch, es sei „Zeit zu
zeigen, dass Liebig34 nicht so leicht geräumt werden kann“. Die Menschen,
die ins SO36 gekommen sind, werden von den Aktivist*innen aufgerufen, sie
bei dem Erhalt des Hausprojekts zu unterstützen. Professor Margit Meyer,
die den Abend mit einem historischen Vortrag einleitete, sprach am Ende das
aus, was Berlin für sie ausmacht, ist und bleiben sollte: „Eine Stadt für
ihre Menschen, nicht für das Eigentum.“
10 Jan 2019
## AUTOREN
Sarah Schroth
Volkan Ağar
## TAGS
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