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# taz.de -- Anhaltende Proteste in Hongkong: Formlos wie Wasser
> Chinas KP versucht die Konflikte in Hongkong zu kriminalisieren und
> auszusitzen. Bisher ist diese Strategie nicht aufgegangen.
Bild: Die Protestbewegung in Hongkong besucht das Internationale Finanz-Zentrum
Ausgerechnet ein Zitat von Bruce Lee hat die Protestbewegung Hongkongs zum
Leitmotiv erhoben: „Sei formlos, ohne Gestalt – so wie Wasser“, lehrt die
Kung-Fu-Legende ihrem Schüler in einer TV-Serie aus den 70er Jahren. Diesen
Rat haben die Aktivisten bislang befolgt: Sie agieren weitgehend ohne
Führerpersonen, vermummen sich und organisieren über verschlüsselte
Smartphone-Apps spontane Straßenblockaden. Direkte Zusammenstöße mit der
Polizei haben sie zunächst vermieden.
Seit November jedoch haben die Proteste rasch [1][an Gewalttätigkeit
zugenommen]: Demonstranten, die sich zuvor mit ihren Regenschirmen gegen
die Tränengaswolken der Polizisten geschützt haben, werfen nun
Molotowcocktails und Pflastersteine. Die Sicherheitskräfte hingegen
verlieren regelmäßig die Fassung und missbrauchen ihre Machtautorität.
Mehrere Tote hat der Konflikt bereits gefordert: ein Student etwa, der –
möglicherweise auf der Flucht vor Polizisten – von einem Parkhaus gefallen
ist. Oder ein älterer Straßenkehrer, der von einem Ziegelstein der
Aktivisten tödlich getroffen wurde. Jede Ausschreitung hat die Spirale der
Gewalt weitergedreht, die Fronten zunehmend radikalisiert.
[2][Gewalt ist jedoch nicht gleich Gewalt]: Die Bereitschaftspolizisten
haben für ihre Exzesse de facto keine Konsequenzen zu befürchten, bislang
wurde nur ein Beamter vom Dienst suspendiert. Die über 5.000 festgenommen
Studenten hingegen können laut dem Hongkonger Gesetz bis zu zehn Jahre
hinter Gitter landen.
Noch immer steht das Gros der Hongkonger Bevölkerung hinter der
Protestbewegung. Laut einer aktuellen Umfrage vom 15. November machen vier
von fünf Hongkongern vor allem die Ignoranz ihrer Lokalregierung für die
zunehmende Eskalation verantwortlich. Für die Zentralregierung in Peking
ist es derzeit dennoch ein Leichtes, unter ihrer Bevölkerung die Hongkonger
Protestbewegung als reine „Randalierer“ zu brandmarken.
## Bislang spielt Festlandchina auf Zeit
Dennoch bleibt es nach wie vor unwahrscheinlich, dass China seine
Volksbefreiungsarmee direkt in die Sonderverwaltungszone entsendet. Die
Regierung ist weitsichtig genug, die Konsequenzen einer militärischen
Niederschlagung vorherzusehen: Die Welt würde sich an das [3][Massaker vom
Tiananmen-Platz 1989] erinnert fühlen, ein massiver Bruch zwischen
Washington und Peking wäre die Folge.
Bislang spielt Festlandchina vor allem auf Zeit. Die Protestbewegung würde,
so lautet das Kalkül, entweder von allein allmählich abschwächen oder aber
aufgrund des zunehmenden Vandalismus an Rückhalt innerhalb der Bevölkerung
verlieren. Bislang ist jedoch keines der Szenarios eingetreten.
Die nun am Sonntag anstehenden Kommunalwahlen würden unter normalen
Umständen kaum Relevanz über die Grenzen der Sonderverwaltungszone hinaus
besitzen. Tatsächlich war Hongkong niemals eine politische Demokratie, doch
noch immer genießt die Finanzmetropole gesellschaftlich und kulturell ein
hohes Maß an Freiheit.
Für Außenstehende mag es befremdlich erscheinen, wieso ein von der
Verwaltungschefin Carrie Lam vorgeschlagenes Gesetz zur Auslieferung von
Strafverbrechern nach Festlandchina eine solch anhaltende Protestbewegung
hervorgebracht hat. Doch in diesem Konflikt geht es vor allem um die
Zukunft: Die Hongkonger wollen ihre Freiheit und Autonomie auch die
nächsten dreißig Jahre genießen.
So steht es schließlich im britisch-chinesischen Übergabevertrag
niedergeschrieben: Bis 2047 sollen Hongkongs Gerichte, Medien und
Handelsbeziehungen weiter autark bestehen bleiben. Seit Xi Jinpings
Amtsantritt 2012 hatte jedoch die KP in China wiederholt versucht, ihre
Machtansprüche gegenüber Hongkong immer weiter auszutesten.
Die Demokratieaktivisten kämpfen also gegen die Zeit; einen Kampf, in dem
sie Etappensiege erringen, aber letzten Endes nicht gewinnen können.
23 Nov 2019
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Hongkong
Massenproteste
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Militäreinsätze
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