# taz.de -- 30. Jahrestag des Tiananmen-Massakers: Hongkong vergisst Massaker n… | |
> Zehntausende gedenken am Jahrestag in der chinesischen Sonderzone wieder | |
> des Massakers von 1989. | |
Bild: Protest in Hongkong: Zehntausende gedenken der Opfer des Tiananmen-Massak… | |
HONGKONG/BERLIN taz | Am 30. Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der | |
Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz in Peking hat Chinas Polizei | |
jedes potenzielle öffentliche Gedenken mit massiven Sicherheitsvorkehrungen | |
verhindert. Touristen, die am Dienstag auf den [1][Platz des Himmlischen | |
Friedens] wollten, wurden streng kontrolliert. Ausländische Journalisten | |
durften nach Angaben der Agentur AFP den Platz gar nicht betreten und auch | |
keine Fotos machen. | |
Einige Internetportale waren vorsorglich aus „technischen“ Gründen gesperrt | |
worden. Einige Aktivisten, darunter mehrere Künstler und Angehörige von | |
Opfern, waren zuvor in Gewahrsam genommen oder aus der Stadt geschickt | |
worden. | |
In der autonomen südchinesischen Sonderverwaltungszone und früheren | |
Kronkolonie Hongkong dagegen strömten am Dienstagabend wieder zehntausende | |
Menschen in den Victoria Park, um wie jedes Jahr seit 1989 mit Kerzen der | |
damaligen Opfer zu gedenken und gegen den Militäreinsatz gegen Chinas | |
Demokratiebewegung zu protestieren. | |
In diesem Jahr geht es auch um den Protest gegen ein geplantes | |
Auslieferungsgesetz, das Hongkongs Rechtsstaatlichkeit und juristische | |
Unabhängigkeit aufweichen und Chinas parteiischer Justiz das letzte Wort | |
geben würde, so die Befürchtungen. | |
## „Für eine bessere Zukunft von Hongkong und China“ | |
„Es fühlt sich in Hongkong an, als wenn man uns langsam unserer Freiheiten | |
beraubt“, sagt William Nee, der China-Experte von Amnesty International | |
Hongkong, am Rande der Kundgebung zur taz. „Daher ist es so ein emotionales | |
Erlebnis, hier Zehntausende normale Menschen und alle Arten von | |
Freiwilligen zu sehen. Sie wollen den Verstorbenen ihren Tribut zollen und | |
sich für eine bessere Zukunft von Hongkong und China einsetzen.“ | |
Alan Liu hatte 1988 die Uni in Hongkong abgeschlossen und fühlte sich | |
deshalb den damals demonstrierenden chinesischen Studenten nahe: „Sie waren | |
so mutig. Alle ihre Forderungen waren angemessen“, sagt der heutige Manager | |
einer Elektronikfirma. „Für mich ist die Veranstaltung hier wie ein | |
Mahnmal. Wir müssen aufstehen und den Herrschenden in Hongkong und Peking | |
sagen, dass wir die Einschränkung unserer Rechte nicht akzeptieren.“ | |
Eine Dreiviertelstunde nach Kundgebungsbeginn strömten immer noch Menschen | |
in den bereits gefüllten Park. Die Veranstalter gaben die Zahl der | |
TeilnehmerInnen mit mehr als 180.000 an, den Rekordteilnehmerzahlen in den | |
Jahren 2012 und 2014. Nach Polizeiangaben waren es 37.000. Die Angaben | |
klaffen seit Jahren stark auseinander. Die Polizei hatte Ausgänge der | |
U-Bahn-Station Tin Hau gesperrt, wo sich die Menschen stauten, die erst mit | |
großer Verspätung in den Park gelangten. | |
## Gedenken mit Kerzen, Filmen, Liedern und Schweigeminuten | |
Dort wurden Lieder gesungen, Kerzen hoch und Schweigeminuten abgehalten, | |
Videobotschaften von Opferangehörigen aus China und historische | |
Filmaufnahmen von Chinas Demokratiebewegung 1989 gezeigt. Letztere sind | |
auch deshalb wichtig, weil China die damaligen Ereignisse offiziell | |
totschweigt und junge Chinesen deshalb heute darüber fast nichts wissen. | |
Seit einigen Jahren nehmen aber auch Chinesen vom Festland an der | |
jährlichen Kundgebung teil. | |
In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni war das Militär gewaltsam auf den | |
Tiananmenplatz im Zentrum Peking vorgedrungen. Dort hatten seit Wochen | |
zehntausende Menschen, mehrheitlich Studierende, campiert und Maßnahmen | |
gegen Korruption und die Allmacht der seit 1949 herrschenden | |
Kommunistischen Partei gefordert. Zeitweilig waren mehr als eine Million | |
Menschen auf dem Platz versammelt gewesen, wo später bis zu 3.000 Menschen | |
ihre Forderungen mit einem Hungerstreik unterstrichen. | |
Die Zahl der Todesopfer ist bis heute nicht klar, Schätzungen reichen von | |
300 bis etwa 3.000. Die [2][KP-Führung] war während der Prosteste gespalten | |
gewesen, bis sich die Hardliner um den Parteiveteranen Deng Xiaoping und | |
Ministerpräsident Li Peng durchsetzten und den Schießbefehl gegen den | |
„konterrevolutionären Aufstand“ gaben. | |
In den letzten Tagen haben chinesische Regierungssprecher das damalige | |
gewaltsame Vorgehen erneut gerechtfertigt und Aufforderungen aus dem | |
Ausland, die Ereignisse ehrlich aufzuarbeiten, empört als „Einmischung in | |
Chinas innere Angelegenheiten“ zurückgewiesen. Zugleich war die Zensur | |
verschärft worden und erstmals ein Dienst der Agentur Reuters nicht | |
erhältlich gewesen, der über einen kommerziellen Anbieter verbreitet wird, | |
der von Peking unter Druck gesetzt wurde. | |
In Hongkong war der heutige Protest eine Generalprobe für die am Sonntag | |
geplante Großdemonstration gegen das Auslieferungsgesetz. Da Hongkongs | |
Regierung letztlich von Peking bestimmt wird, macht dies die offizielle | |
Regierungspolitik der Stadt nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“ für | |
viele Hongkonger immer mehr zu einer Farce. | |
4 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
Hinnerk Feldwisch-Drentrup | |
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